Kantschuster

Kantschuster

Johann Kantschuster (* 20. Mai 1897 in Beuerberg; vermisst nach 1945) gehörte der SS an und war stellvertretender Lagerkommandant im KZ Fort Breendonk. 1952 wurde von einem deutschen Gericht ein erster Haftbefehl wegen Mordes gegen ihn ausgestellt. Aber weil er unauffindbar war, wurde die Untersuchung 1982 eingestellt.

Leben

Johann Kantschuster wurde in eine bescheidene bayerische Familie hineingeboren. Er ging nur kurze Zeit zur Schule und arbeitete mit 13 Jahren als Hilfsarbeiter auf einem Bauernhof. 1916, während des Ersten Weltkrieges, wurde er zur Armee eingezogen und wurde in Rumänien im Juni 1918 an der linken Hand verwundet.

Nach dem Krieg war Kantschuster erneut als Arbeiter beschäftigt und wurde Mitglied im Freikorps Wolf. 1928 schloss er sich dann der NSDAP, die damals noch eine kleine Partei war, und im gleichen Jahr der SS an. Bereits zu diesem Zeitpunkt zeigte er eine Neigung zur Gewalt, denn er bekam von einem Gericht eine Geldbuße wegen Gewaltanwendung auferlegt.

Im März 1933 wurde er als Lagerwache im ersten Konzentrationslager der Nationalsozialisten in Dachau bei München eingesetzt. Am 24. Mai 1933 erschoss er einen deutschen Rechtsanwalt wegen eines „Fluchtversuchs“. Das deutsche Gericht fertige einen Haftbefehl gegen ihn aus, aber dieser wurde von der Polizei beiseite geschafft.

Am 1. September 1938 wurde Kantschuster zum SS-Obersturmführer befördert. Er war schwerer Alkoholiker und verursachte dadurch Probleme im Konzentrationslager. Dies führte zu seiner Versetzung ins KZ Ravensbrück. In stark angetrunkenem Zustand kam er dort zu Fall und zog sich eine Gehirnerschütterung zu, die ihm noch lange Zeit Probleme bereiten sollte. Weil er sich im Lager brutal gegenüber Frauen verhielt, wurde er erneut versetzt, diesmal ins KZ Mauthausen. Nach Problemen in der dortigen Lagerkantine − er richtete seine Pistole gegen Kollegen − wurde er einer neurologischen und psychiatrischen Untersuchung unterzogen. Kantschuster wurde dabei für „nicht mehr vollständig zurechnungsfähig” erklärt. Man gab ihm noch eine letzte Chance im KZ Sachsenhausen. Durch seinen übermäßigen Alkoholgenuss verschlechterte sich sein Gesundheitszustand und die Ärzte erklärten ihn als körperlich untauglich für die Waffen-SS. Der Inspekteur der Konzentrationslager erklärte am 24. Januar 1941, „dass er ein Nichtsnutz wäre, von dem froh sein müsste, ihn loszuwerden”.

Von da an gibt es von Kantschuster keine Spur mehr in offiziellen Dokumenten, bis er im September 1942 im Auffanglager Breendonk auftauchte. Hier blieb er sieben bis acht Monate. Bald wurde er dort zum meist gefürchtetsten SS-Mitglied. Kantschuster war den ganzen Tag betrunken und terrorisierte dabei die Gefangenen. Im Krankensaal hatte auch das Personal Angst vor ihm und musste sich gegenüber den Kranken härter verhalten. Kurz nach seiner Ankunft schoss er den polnischen Juden Oscar Beck auf der Werft nieder. Als in einer anderen Nacht ein Gefangener in seiner Isolationszelle halb verrückt wurde, schoss Kantschuster mitten durch die Zellentür. Der Gefangene überlebte verwundet. Bei den Exekutionen gab er Gefangenen den Gnadenschuss. Kantschuster hatte Gefallen daran, die Gefangenen körperlich zu misshandeln, insbesondere mit seiner Peitsche. Einmal ging Ilse Birkholz, die Frau des Lagerkommandanten Philipp Schmitt, dazwischen, um eine Gefangene vor seiner Brutalität zu beschützen. Kurz darauf wurde er im April 1943 wieder versetzt. In der Zeit seines Aufenthalts im Lager stieg die Zahl der Toten unter den Gefangenen; 40 Opfer sind namentlich bekannt. Eine ähnlich hohe Opferzahl gab es im letzten Monat der deutschen Besatzung. Kantschuster lebt in den Erinnerungen der Opfer von Breendonk als ebenso großer Schinder fort wie Philipp Schmitt, Arthur Prauss, Fernand Wyss und Richard De Bodt.

Im April 1943 verliert sich Kantschusters Spur. Seine Frau behauptete nach Kriegsende, dass er in Berlin-Lichterfelde und danach im Februar, März oder Juli 1945 in Weimar-Berlstedt kaserniert war. Sie meldete ihn beim Roten Kreuz als vermisst.

Sowohl ein belgisches als auch deutsches Gericht suchten wegen vielfachen Mordes in Breendonk, Dachau, Mauthausen und Ravensbrück nach Kantschuster. Es gibt verschiedene Versionen zu seinem möglichen Verbleib (Aufnahme in die Fremdenlegion, Hinrichtung in Dachau oder Untertauchen unter falschem Namen). 1982 wurde die Suche nach ihm endgültig eingestellt, weil man der Auffassung war, dass er nicht mehr am Leben sei.

Verweise

  • Nefors, Patrick - "Breendonk, 1940-1945 - De Geschiedenis"; Standaard Uitgeverij, 2004;

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