Kapitulationen des osmanischen Reiches

Kapitulationen des osmanischen Reiches

Als Kapitulationen des Osmanischen Reiches werden Abkommen zunächst meist im Bereich des Handels mit verschiedenen europäischen Staaten bezeichnet. Im Türkischen werden die Abkommen als ahdaname (Vertragsbuch) bezeichnet. Der Begriff kommt von dem nach Einteilung in Kapitel capitule abgefassten Texten.

Das erste dieser Abkommen wurde 1536 mit Frankreich geschlossen, wurde allerdings nie ratifiziert. Später folgen weitere Kapitulationen mit Frankreich und auch mit anderen europäischen Ländern. Sie räumten dem europäischen Handel im Osmanischen Reich gegenüber den einheimischen Kaufleuten erhebliche Vorteile, insbesondere bei den Zöllen ein. Die Kapitulationen waren dabei keine Verträge zwischen gleichberechtigten Partnern, sondern waren in Form von Privilegien des Sultans abgefasst. Für Handelsrechte im Osmanischen Reich sagten die europäischen Staaten Tribute oder Militärhilfen zu. Die Form der Verträge hatte aber zur Folge, dass die osmanischen Kaufleute in den europäischen Staaten keine Handelsvorteile besaßen. Dies führte langfristig dazu, dass sich die ökonomische Position des Osmanischen Reiches gegenüber der europäischen Konkurrenz verschlechterte.[1]

Der ökonomische und militärische Entwicklungsrückstand führte dazu, dass im 18. und vor allem 19. Jahrhundert die weiterhin teilweise als Kapitulationen bezeichneten Abkommen mit europäischen Staaten für das Osmanische Reich negative Folgen hatten. Im 18. Jahrhundert führten die Handelsnachteile osmanischer Kaufleute etwa dazu, dass sich immer mehr einheimische christliche Kaufleute formell als Übersetzer bezeichneten und unter den Schutz eines europäischen Staates stellten. Sie profitierten dabei von den Handelsrechten, waren damit aber auch teilweise dem Einfluss des Staates entzogen.[2] Allein das russische Reich hatte um 1808 etwa 120.000 orthodoxe Griechen als „Schutzbefohlene.“[3] Auch während der Tanzimatära führte die Schwäche des Osmanischen Reiches dazu, dass es ungleiche Handelsverträge schließen musste. Dies gilt insbesondere für den osmanisch-englischen Vertrag von 1838. Im Pariser Frieden von 1856 wurde die Hohe Pforte zwar in das europäische Mächtesystem aufgenommen, der Staat wurde in einer bedingten Modernisierung unterstützt, die Kapitulationen blieben allerdings bestehen.[4]

Für die Türkei endete die Zeit der europäischen Sonderrechte mit dem Vertrag von Lausanne. Bestehen blieben sie noch im halbkolonialen Ägypten. Dort unterhielten die zwölf Kapitularmächte noch bis 1949 die so genannten Gemischten Gerichtshöfe für die unter ihrem Schutz stehenden Ägypter. Erst danach fiel dieses Recht an den ägyptischen Staat.

Einzelnachweise

  1. Neumann: Ein besonderes Imperium (1512-1596). In: Kleine Geschichte der Türkei, S.134
  2. Neumann, Das kurze 18. Jahrhundert. In: Kleine Geschichte der Türkei, S.280
  3. Neumann: Das Osmanische Reich in seiner Existenzkrise. In: Kleine Geschichte der Türkei, S.303f.
  4. Schölch: Wirtschaftliche Durchdringung und politische Kontrolle, S.409, S.411

Literatur

  • Klaus Kreiser/Christoph K. Neumann: Kleine Geschichte der Türkei, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2006, ISBN 3-89331-654-X.
  • Alexander Schölch: Wirtschaftliche Durchdringung und politische Kontrolle durch die europäischen Mächte im osmanischen Reich (Konstantinopel, Kairo, Tunis) In: Geschichte und Gesellschaft Heft 1, 1975, S. 404–446.

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