Christentum und Judentum im Osmanischen Reich

Christentum und Judentum im Osmanischen Reich
Mehmed der Eroberer empfängt Gennadios II. Scholarios (Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel von 1454 bis 1464)

In den ersten Jahrhunderten, in denen der Balkan durch das Osmanische Reich kontrolliert wurde, bis zum Aufstieg des Russischen Reiches[1] erlebte die dortige nichtmuslimische Bevölkerung verschiedene Grade an Toleranz, die sowohl von lokalen osmanischen Autoritäten als auch vom Sultan selbst ausgingen. Dies betraf besonders die orthodoxen Christen (die nicht unter dem Protektorat einer damaligen Großmacht standen) sowie die Katholiken[2][3].

Prinzipiell war das Osmanische Reich gegenüber anderen monotheistischen Religionen, insbesondere Christentum und Judentum, tolerant, wie von der Scharia gefordert. So war auch die zwangsweise Bekehrung von Christen und Juden zum Islam keine gängige Praxis, da sie im Widerspruch zur Scharia stünde. Obwohl die Toleranz der Osmanen von einem modernen Verständnis weit entfernt war, war sie im Vergleich zur damaligen Situation in Europa fortschrittlich. Die polytheistischen Religionen hingegen wurden, wie ebenfalls in der Scharia erfordert, auf das Härteste bekämpft.

Inhaltsverzeichnis

Religion als Einrichtung

Das Osmanische Reich versuchte als Staat durch Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen ständig die religiösen Interessen auszubalancieren. In diesem Rahmen erkannte es das klerikale Konzept und den damit verbundenen Ausbau der Religion zu einer Institution an. Indem diese religiösen Instituitionen zu "rechtsgültigen" Organisationen wurden, brachten die Osmanen dann feste Regeln in Form von Verordnungen in sie ein. Hiervon profitierte besonders die Griechisch-orthodoxe Kirche, zu der friedliche Beziehungen bestanden. So wurde sie bis zum griechischen Unabhängigskeitskrieg (1821-1831) in ihrer Struktur erhalten und weitgehend selbstständig belassen (wenn auch unter strenger Kontrolle und Überwachung). Andere Kirchen profitierten von der Institutionalisierung von Religion weniger, so die Bulgarisch-Orthodoxe Kirche, die wie andere aufgelöst und unter die Jurisdiktion der griechisch-orthodoxen Kirche gestellt wurde.

Das Osmanische Reich diente jedoch oft auch als Zufluchtsort für die verfolgten und exilierten europäischen Juden. So nahm etwa Sultan Bayezid II. 1492 die aus Spanien vertriebenen Juden in seinem Reich auf, in der Absicht sie in der von seinen Truppen 1430 eroberten und seitdem verlassenen Stadt Thessaloniki anzusiedeln.

Dennoch kannte die Toleranz der Osmanen auch Grenzen, wie folgende Zitate zeigen:

„[…] man könnte den Eindruck gewinnen, dass die oft rezipierte Politik der religiösen Toleranz [der Osmanen] von unregelmäßiger, zufälliger Natur war und bequem ignoriert wurde, wenn veränderte Umstände einen anderen Kurs nahelegten […]
[…] man kann die repressiven Maßnahmen, die gegen die griechische Kirche ergriffen wurden, als eine Abweichung von der üblichen und etablierten Praxis ansehen – eine Abweichung, die durch Korruption und Intrigen der Beamten ausgelöst wurde und seltener durch Ausbrüche von Fanatismus oder staatlicher Missgunst. Wie überall, so könnte man auch hier erwarten, eine Lücke zwischen der etablierten Politik und ihrer praktischen Umsetzung zu finden.[4]

Anarkis, Georgidas

Da die einzige rechtsgültige orthodoxe Organisation des osmanischen Reiches das ökumenische Patriarchat war, wurde bei Christen das Vererben des Familienbesitzes vom Vater zum Sohn in der Regel als ungültig erachtet.

Kampf der Kulturen

Die Hagia Sophia wurde vom osmanischen Reich nicht zerstört
Hauptartikel: Kampf der Kulturen

Im Blick auf die kulturellen und religiösen Identitäten, die seit Ende des Kalten Krieges die wichtigste Konfliktquelle in der Welt darstellen, wird das Osmanische Reich mit seinem Millet-System oft als Beispiel für grundsätzlich ausgleichende Politik herangezogen.

Die wichtigste Frage der Vertreter der „Kampf der Kulturen“-These lautet: „Ist es möglich Konflikte zwischen Zivilisationen auszubalancieren?“ Tatsächlich gab es in der Osmanischen Geschichte zumindest keine Konflikte zwischen den verschiedenen Glaubensgemeinschaften. Spannungen mit und gegen den Staat, einschließlich der Armenischen Rebellionen, der Griechischen Revolution und dem Nationalen Erwachen Bulgariens, wurden vielfach untersucht, wobei sich zeigte, dass diese auf nationalistischen und nicht auf religiösen Gründen (Anti-Katholizismus, Antisemitismus, etc.) fußten. So ist der gesamte Niedergang des osmanischen Reiches ein Merkmal des Aufstiegs des Nationalismus im Land und nicht einer Zunahme religiöser Konflikte (Kampf der Kulturen). Zwar versuchte das osmanische Reich den Nationalismus durch die auf Gleichstellung der Religionen abzielenden Tanzimat-Reformen, durch die Förderung des Ottomanismus sowie durch die erste und zweite konstitutionelle Ära einzudämmen, konnte seinen eigenen Niedergang jedoch nicht mehr aufhalten.

Während der gesamten Zeit seines Bestehens verfolgte das osmanische Reich dabei nie eine Politik, die andere Religionen, wie Juden oder Christen, zu vernichten suchte. Vielmehr versuchten die Osmanen immer einen Ausgleich zwischen den Religionen finden, wie etwa im andauernden Konflikt um die Kontrolle der Grabeskirche. Diese tolerante Politik ermöglichte es der christlichen Bevölkerung auf dem Balkan vermutlich überhaupt erst, sich während der Balkankriege als Staat erneut zu konstituieren.[5] Diese Politik zeigt sich auch im Umgang mit der Hagia Sophia, in welcher nach 5 Jahrhunderten (1935) der Putz über den Mosaiken entfernt wurde, nachdem die junge Republik Türkei „im Interesse der Kunst“ die Hagia Sophia weder zu einer Moschee noch zu einer Kirche, sondern zu einem Museum erklärt hatte. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung wurde die Hagia Sophia vom Osmanischen Reich nicht in kleine Stücke zerteilt. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Äußere und Innere der Kathedrale bei der Entfernung christlicher Symbole, dem Verputzen der Mosaiken und der Zerstörung der Ikonen große Schäden erlitten hat.

Interreligiöse Angelegenheiten

Das osmanische Reich hatte nicht nur in muslimisch-christlichen Angelegenheiten zu entscheiden, sondern besonders auch in Bezug auf christliche Sekten. Dadurch geriet es, vor allem in der Zeit seines Niedergangs, zwischen die Fronten der christlichen Kämpfe um die Vorherrschaft. Somit schuf das osmanische Reich Gesetze für religiöse Gemeinschaften, die nicht von diesen selbst erlassen wurden, jedoch war die Blüte des Reiches bereits vorüber.

So existierte über lange Zeit eine Regel, die es schismatischen Patriarchen erlaubte, der katholischen Religion nachzugehen. Ebenso wurde es der römischen Kirche erlaubt die Kommunikation mit den Griechen, Armeniern und Syriern aufrechtzuerhalten, als Vorwand diese zu unterweisen. Nachdem es eine Niederlage im Krieg gegen Russland und Österreich (1737-1739) einstecken musste, versuchte das Reich Unterstützung durch Frankreich zu erhalten. Frankreich wiederum war nur bereit Hilfe zu gewähren, wenn das osmanische Reich explizit das Recht des französischen Protektorats bestätigte und zumindest implizit die Freiheit des katholischen Apostolats garantierte. Entsprechend erklärte Sultan Mahmud I. am 28. Mai 1740:

„… die Bischöfe und Gläubigen des Königs von Frankreich, die im Reich leben, sollen vor Verfolgungen geschützt werden, vorausgesetzt sie beschränken sich auf die Ausübung ihres Mandats, und niemand soll sie an der Ausübung ihrer Riten nach den Bräuchen in ihren Kirchen unter ihrer Kontrolle hindern, als auch an den anderen Orten die sie bewohnen; [6]

Mahmud I.

Während Frankreich ab 1840 Ressourcen in das Reich einschleuste, um seinen dortigen Einfluss auszubauen, kam es im Kontext der Konflikte von 1847 zu Spannungen zwischen katholischen und orthodoxen Mönchen in Palästina. So gelangten Sekten in den Besitz von Schlüsseln zu den Tempeln, als diese repariert wurden. Aufzeichnungen hierüber wurden von den Protektoren, einschließlich der Franzosen, über den ottomanischen Gouverneur an die osmanische Hauptstadt gegeben. Der ottomanische Gouverneur wurde später verurteilt, da er zum Schutz der Grabeskirche in ihrem Inneren Soldaten stationierte, während er alle Veränderungen an den Schlüsseln aktiv beseitigte. Verschiedenen christlichen Gruppen wurde vorrangiger Zugang zu den heiligen Stätten Jerusalems, um die sie konkurrierten, durch Edikte der folgenden Regierungen gewährt.[7]

Religiöse Verfolgung

Das osmanische Rechtssystem folgte der Idee einer "Religiösen Gemeinschaft". Dennoch versuchten die Osmanen den Personen eine weitgehend freie Wahl ihrer Religion zu überlassen und sie nicht erzwungen einzuteilen. Muslime, Juden und Christen sollten ihre Ansichten den jeweils anderen nicht aufzwingen, wenngleich es graue Bereiche gab, in denen diese Kreise sich schnitten.

Es wurde verfügt, dass Menschen aus verschiedenen Millets spezifische Farben tragen sollten, beispielsweise bei ihren Turbanen oder Schuhen. Diese Politik befolgten jedoch nicht immer alle osmanischen Bürger.[8]

Staatlich-religiöses Recht

Moderne Rechtssysteme haben den Anspruch, objektiv und säkular zu sein. Dieser strengen Einstellung folgte die Praxis im osmanischen Reich bis zur Einführung der Verfassung 1878 nicht, sondern war alles andere als säkulär. Sie ging sogar vielmehr davon aus, dass das Recht innerhalb der religiösen Überzeugungen der Bürger angewandt werden sollte, womit es das religiöse Recht als Rechtsprechungssystem wählte. Zur Ausbalancierung zentraler und lokaler Autoritäten war das gesamte Reicht in Form eines Systems lokaler Rechtsprechung organisiert.[9] Macht drehte sich dabei in der Regel um die Verwaltung von Grundstücksanrechten, durch welche lokale Autoritäten den Raum erhielten, den Bedürfnissen des lokalen Millets entsprechend zu handeln.[9] Das Ziel der Integration kulturell und religiös unterschiedlicher Gruppen führte dann zur Komplexität der Justiz im Reich.[9] Diese bestand im Wesentleichen aus drei Gerichtssystemen: einem für Muslime, einem für Nicht-Muslime, einschließlich der Juden und Christen, die über ihre jeweiligen religiösen Gemeinschaften entschieden, sowie dem „Handels-Gericht“. Fälle, die keine anderen religiösen Gruppen betrafen, ferner keine Kapitalverbrechen oder Gefahren für die öffentliche Ordnung darstellten, von den Dhimmi vor eigene Gerichte bringen, bei denen auch eigene Rechtssysteme befolgt wurden. Im 18. und 19. Jahrhundert bemühten Dhimmi dennoch regelmäßig muslimische Gerichte. Auch Christen waren vor nicht-christlichen Gerichten in bestimmten, klar definierten Fällen, haftbar. Solche Fälle umfassten z. B. Streit in Handelsfragen oder die Ermordung eines Moslems.

Dhimmi besuchten die muslimischen Gerichte beispielsweise, wenn ihr Erscheinen obligatorisch war (z. B. wenn Muslime einen Fall gegen sie vorbrachten), zur Erfassung ihres Eigentums oder geschäftlicher Transaktionen innerhalb ihrer eigenen Gemeinden. Dort wurden von ihnen Verhandlungen gegen Muslime, andere Dhimmi oder sogar gegen eigene Familienmitglieder angestrengt. Die muslimischen Gerichte entschieden hier stets nach der Scharia. Von den Dhimmi geschworene Eide waren teilweise dieselben Eide, die auch von Muslimen gesprochen wurde, teilweise aber auch auf den Glauben der Dhimmi zugeschnittene.[10] Einige christliche Quellen zeigen, dass obwohl Christen keine Muslime sind, einige Instanzen sie nach der Scharia behandelten.[11] Laut einigen westlichen Quellen, „wurde das Zeugnis eines Christen vor dem muslimischen Gericht als nicht so valide angesehen als das Zeugnis eines Moslem“. In einem muslimischen Gericht hatte ein christlicher Zeuge Probleme seine Glaubwürdigkeit durch Eid zu zeigen. So wurde es von einem muslimischen Gericht als Meineid angesehen, wenn ein Christ einen muslimischen Eid auf den Koran schwor („Gott ist Allah und es gibt keinen anderen Gott“). Es war sinnvoll für einen Christen vor einem muslimischen Gericht muslimische Zeugen zu finden, da nur Muslime einen muslimischen Eid über den Koran schwören können.

Umbau und Zerstörung von Kirchen

Als herrschende Institution schuf das osmanische Reich auch Regularien, wie die Städte gebaut werden und wie die Architektur aussehen sollte.

Es wurden spezielle Einschränkungen für die Konstruktion, Renovierung, die Größe und den Klang von Glocken in orthodoxen Kirchen auferlegt. So sollte eine orthodoxe Kirche beispielsweise nicht größer als eine Moschee sein. Viele große Kathedralen wurden zerstört (z. B. die Apostelkirche in Konstantinopel), in Moscheen umgewandelt, ihr Inneres und Äußeres entweiht (insbesondere die Hagia Sophia, Chora-Kirche, der Galeriusbogen und Hagios Demetrios) oder als Waffenlager für die Janitscharen verwendet (z. B. Hagia Irene).

Konversion

Hauptartikel: Mission (Christentum) und Dhimma

Freiwillige Konversion zum Islam wurde von den osmanischen Autoritäten begrüßt. So war es kein Geheimnis, dass muslimische osmanische Autoritäten des Islam als höhere, fortschrittlichere und richtigere Form des Glaubens ansahen, was mit der Begrüßung einherging. Negative Zuschreibungen gegenüber Dhimmi existierten durchaus bei osmanischen Gouverneuren – teilweise wegen der „normalen“ Gefühle einer vorherrschenden Gruppe gegenüber unterlegenen Gruppen, teilweise wegen der Verachtung derjenigen durch Muslime, von denen sie wahrnahmen, dass sie sich willentlich weigern die Wahrheit zu akzeptieren (zum Islam zu Konvertieren), obwohl sie die Möglichkeit dazu hätten, und zum Teil aber auch aufgrund von spezifischen Vorurteilen und Beschämungen. Diese negativen Zuschreibungen hatten zunächst jedoch kaum eine ethnische oder rassistische Komponente.[12] Wenn ein Christ Moslem wurde, teilte er/sie dieselben Regeln, die für jeden anderen Muslim galten.

Unter der osmanischen Herrschaft war es Dhimmi erlaubt „ihre Religion unter bestimmten Bedingungen zu praktizieren und eine Menge kommunaler Autonomie zu genießen“, außerdem wurde ihnen zumindest ihre persönliche Sicherheit und die Sicherheit ihres Besitzes garantiert, als Gegenleistung für Tributzahlungen an Muslime und die Anerkennung der muslimischen Oberherrschaft.[13]. Bezüglich der „Konversion begleitet von Privilegien“: Eine soziale Gruppe oder ein Millet wie „christliche Konvertiden - Muslimisches Recht“ oder „christliche Konvertiden - muslimische Privilegien“, die für eine spezifische Politik der Konversion hätte angewandt werden können, existierte nicht.

Sozialer Status

Den niedrigeren Status von Dhimmi unter islamischer Herrschaft wahrnehmend betonte Bernard Lewis, emeritierter Professor für Nahoststudien an der Princeton University, dass in den meisten Punkten ihre Position dennoch „viel leichter war als die von nicht-Christen oder sogar häretischen Christen im Europa des Mittelalters.“[14][15] Beispielsweise würden, anders als die genannten Gruppen im mittelalterlichen Europa, Dhimmi selten einem Martyrium oder Exil ausgesetzt oder gezwungen ihre Religion zu ändern und mit wenigen Ausnahmen seien sie in ihrer Wahl des Wohnortes und Berufes frei. [16]

Lewis und Cohen weisen darauf hin, dass bis in relativ moderne Zeiten, Toleranz im Umgang mit Ungläubigen, zumindest nach westlichem Verständnis nach John Locke, weder bewertet, noch das Fehlen von Glauben bei Muslimen oder Christen verurteilt wurde.[17]

Bildung

Hauptartikel: Knabenlese

Im osmanischen Reich nutzten alle Millets (Muslime, Juden und Christen) ihre Ausbildungseinrichtungen weiter.

Zur Ausbildung für staatliche Funktionen richtete das osmanische Reich die Enderun Schule ein. Wie Murad I. im 17. Jahrhundert setzte auch der osmanische Staat die Devşirme (دوشيرم, türk. "Knabenlese") ein, eine Strategie, die Schüler für die Enderun-Schule sammelte, die später höhere Ränge in der osmanischen Armee oder im Verwaltungssystem einnehmen sollte, indem sie kleine christliche Jungen gewaltsam aus ihren Familien nahmen und sammelten und zur Ausbildung in die Hauptstadt brachten, was mit der Möglichkeit einer Karriere im Janitscharen-Korps oder für die begabtesten im osmanischen Verwaltungsapparat verbunden war. Die meisten dieser eingesamellten Kinder kamen aus den Balkangebieten des Reiches, wo das Devşirme-System ebenso belegt ist wie die „Blutsteuer“. Wenn die Kinder wegen des Milieus, in dem sie aufwuchsten, schließlich den Islam annahmen, wurde jedes von ihnen als freier Moslem angesehen.[18]

Steuern

Steuern aus der Sicht der Dhimmi, die unter Muslimische Herrschaft gerieten, waren „eine konkrete Fortführung der Steuern, die sie an frühere Regime schon gezahlt hatten“[19] (jetzt jedoch niedriger unter der muslimischen Herrschaft)[20] und aus Perspektive der muslimischen Eroberer waren sie ein materieller Beweis für die Unterwerfung der Dhimmi.[19]

Es ist erwiesen, dass sich das osmanische Reich während seines Niedergangs und in Zeiten der Auflösung auch in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befand. Die Behauptung, das muslimische Millet hätte ökonomisch besser dagestanden als das christliche Millet ist jedoch höchst fragwürdig. Die muslimischen Staaten, die sich aus der Auflösung retten konnten, hatten keinen besseren sozio-ökonomischen Status als die übrigen. Alle gegenläufigen Behauptungen gelten demnach also höchst fragwürdig. Dass wirtschaftliche Anreize für Konversationen genutzt wurden ist, selbst wenn einige westliche Quellen dies behaupten, ist keine gesicherte Tatsache. Dass die Planung der Wirtschaftspolitik auf Konversionen ausgerichtet gewesen sei ist ebenfalls fraglich, so wie in dieser Erklärung:

„Die schwierige wirtschaftliche Situation der christlichen Untertanen des Sultans, als auch die Bedürfnisse des osmanischen Reiches während seiner Expansion, hatten die Einführung des Zehnten zur Folge, was viele orthodoxe Landwirte zur Konversion zum Islam zwang.“

Der Zehnte und die Ausnahme vom Brauch der Janitscharen. Die Behauptung, es gab kein einziges Millet außer dem christlichen oder muslimischen, das von einer speziellen Politik für „christlich-konvertierte muslimische Millets“ sprach, entbehrt jeglicher Grundlage. Freiwillige Konversion zum Islam wurde von den osmanischen Autoritäten begrüßt und war mit Privilegien verbunden. Freiwillige Konversion vom Islam zum Christentum hingegen wurde mit dem Tode bestraft.[21]

Protektorat der Mission

Ottomanischer Staat und Religion haben eine weitere Dimension, die mit den Kapitulationen des Osmanischen Reiches begannen; Verträge zwischen dem osmanischen Reich und Europäischen Mächten, die religiöse Rechte im Osmanischen Reich sicherten. Die Russen wurden 1774 offizielle Beschützer der östlichen orthodoxen Gruppen, die Franzosen für die Katholiken und die Britien für die Juden und andere Gruppen. Russland und England konkurrierten um den EInfluss auf die Armenier und nahmen gemeinsam die Amerikaner mit ihren protestantischen Kirchen, die im 1. Weltkrieg über 100 Missionen in Anatolien eingerichtet hatten, als Schwächung ihrer eigenen östlich-orthodoxen Lehre wahr.

Literatur

  • Arnakis, Georgiades: The Greek Church of Constantinople and the Ottoman Empire. In: The Journal of Modern History (3/24). Chicago : University of Chicago Press, 1952.
  • Benton, Lauren: Law and Colonial Cultures : Legal Regimes in World History ; 1400-1900. Cambridge : Cambridge University Press, 2001. - ISBN 0-521-00926-X.
  • Cahen, Cl.: Jizya. In: Bosworth, Clifford E. (Hrsg.): Encyclopedia Of Islam. o. O. : Brill Academic Publishers, 2004. - ISBN 90-04-14115-4.
  • Cohen, Amnon: A World Within : Jewish Life As Reflected in Muslim Court Documents from the Sijill of Jerusalem. o. O. : Center for Judaic Studies University of Penns, 2005. - ISBN 0-9602686-8-5.
  • Crampton, Richard J.: A Concise History of Bulgaria. Cambridge : Cambridge University Press, 2005. - ISBN 0-521-61637-9.
  • Elhadj, Elie: The Islamic Shield : Arab Resistance to Democratic and Religious Reforms. o. O. : Brown Walker Press, 2006. - ISBN 1-59942-411-8.
  • Esposito, John L.: Islam : The Straight Path. 3. Aufl. Oxford : Oxford University Press, 1998. - ISBN 0-19-511234-2.
  • Jackh, Ernest: The Rising Crescent : Turkey yesterday, today, and tomorrow. o. O. : Goemaere Press, 2007. - ISBN 1-4067-4978-8.
  • Kjeilen, Tore: Devsirme. URL: http://lexicorient.com/e.o/devsirme.htm. Encyclopaedia of the Orient (Stand: 7. August 2009).
  • Kuruvilla, S. J.: Arab Nationalism and Christianity in the Levant. URL: http://www.psa.ac.uk/2006/pps/Kuruvilla.pdf [o. J.].(diese Onlineressource ist nicht mehr verfügbar)
  • Lesaffer, Randall: Peace Treaties and International Law in European History : from the late Middle Ages to World War One. Camebridge : Camebridge University Press, 2004. - ISBN 0-521-10378-9.
  • Lewis, Bernard: The Arabs in History. Oxford : Oxford University Press, 2002. - ISBN 0-19-280310-7.
  • Lewis, Bernard: The Jews of Islam. Princeton : Princeton University Press, 1984. - ISBN 0-691-00807-8.
  • Mansel, Philip: Constantinople : City of the World’s Desire ; 1453-1924. o. O. : John Murray Publishers Ltd, 2008. - ISBN 0-7195-6880-3 .
  • Peretz, Don: The Middle East Today. o. O. : Praeger Paperback, 1971. - ISBN 0-275-94576-6.

Einzelnachweise

  1. Lesaffer, Randall (2004): 357.
  2. Peretz, Don (1971): 79.
  3. Lesaffer, Randall (2004): 357.
  4. ARNAKIS, Georgiades (1952): 235. - Textauszug. Originalzitat: „one may be led into thinking that [the Ottomans'] much-spoken-of policy of religious toleration was of an erratic, haphazard nature and was conveniently ignored when new circumstances seems to suggest a different course of action“ […] […] one may regard the recurrent oppressive measures taken against the Greek church as a deviation from generally established practice — a deviation that was occasioned by the corruption and intrigue of officials and less frequently by outbursts of fanaticism or by imperial disfavor. As elsewhere, here, too, one might expect to find a gap between established policy and its practical application."
  5. JACKH, Ernest (2007): 75.
  6. Originalzitat: … „The bishops and religious subjects of the King of France living in the Empire shall be protected from persecution provided that they confine themselves to the exercise of their office, and no one may prevent them from practicing their rite according to their customs in the churches of their possession, as well as in the other places they inhabit; and, when our tributary subjects and the French hold for purposes of selling, buying, and other business, no one may bother them for this sake in violation of the sacred laws.“
  7. KURUVILLA, S. J. [o. J.].
  8. MANSEL (2008): 20–21.
  9. a b c BENTON, Lauren A. (2001):109-110.
  10. AL-QATTAN (1999): Seitenangabe fehlt.
  11. CRAMPTON, Richard J. (2005): 31.
  12. LEWIS, Bernard (1984): 32–33.
  13. LEWIS, Bernard (1984): 10, 20.
  14. LEWIS, Bernard (1984): 26. - Originalzitat: "was very much easier than that of non-Christians or even of heretical Christians in medieval Europe"
  15. LEWIS, Bernard (1984): 62; COHEN, Amnon (1995): XVII.
  16. LEWIS, Bernard (1999): 131.
  17. LEWIS, Bernard (1995): 211; COHEN, Amnon (1995): XIX.
  18. KJELEN, Tore: Devsirme.
  19. a b CAHEN, Cl. (2004): Seitenangabe fehlt.
  20. ESPOSITO, John (1998): Seitenangabe fehlt.
  21. ELHADJ, Elie (2006): 49.

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