- Kollateralschaden
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Der militärische Fachbegriff Begleitschaden oder Kollateralschaden (von englisch collateral damage; aus dem Lateinischen collateralis für seitlich oder benachbart) bezeichnet in der räumlichen Umgebung eines Ziels entstehende Schäden aller Art durch ungenauen oder überdimensionierten Waffeneinsatz bei nicht-zivilen Aktionen. Beabsichtigte Schädigungen werden im Gegensatz zu Begleitschäden der militärischen Zieldefinition zugeordnet.
Inhaltsverzeichnis
Rechtliche Einordnung
Nach dem humanitären Völkerrecht ist stets darauf zu achten, dass die Zivilbevölkerung, Zivilpersonen und zivile Objekte vor Begleitschäden verschont bleiben. Ein Angriff, mit dem ein Begleitschaden einhergeht, ist völkerrechtswidrig, wenn der Begleitschaden vorhersehbar war und:
- wenn er durch die Anwendung praktisch möglicher Vorsichtsmaßnahmen bei der Wahl der Angriffsmittel und -methoden vermeidbar gewesen wäre oder
- wenn die mit ihm verbundenen Verluste unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen.
Demnach kann die bewusste Inkaufnahme eines Begleitschadens völkerrechtsgemäß sein, wenn er sich nur durch einen Verzicht auf den Angriff vermeiden ließe und wenn der Angriff einen entsprechend gewichtigen militärischen Vorteil erwarten lässt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert hier unter Umständen eine Abwägung von Menschenleben, gegebenenfalls in größerer Zahl, gegenüber dem prognostizierten militärischen Vorteil.
Auch bei nicht völkerrechtswidrigen Angriffen, durch welche die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen werden kann, muss eine wirksame Warnung vorausgehen, wenn die gegebenen Umstände dies erlauben.
Diese Grundsätze sind in Art. 51 und 57 des Zusatzprotokolls I zu den Genfer Abkommen niedergelegt.
Ein vorsätzlicher Angriff in Kenntnis eines damit einhergehenden Begleitschadens ist gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Nr. iv des Rom-Statuts ein Kriegsverbrechen, wenn er nach den angeführten Kriterien völkerrechtswidrig ist und wenn außerdem "eindeutig" ist, dass er in keinem Verhältnis zu dem militärischen Vorteil steht.
Folgen von Begleitschäden
Es ist Ziel der meisten modernen Streitkräfte, Begleitschäden möglichst ganz auszuschließen, weil sie dem eigenen Ansehen schaden, den geplanten Fortgang der eigenen Militäraktion behindern oder einer ins Auge gefassten späteren Politik im Wege stehen könnten.
Begleitschäden werden häufig durch die eigene politische Propaganda vertuscht oder als gering und unvermeidbar dargestellt, während die gegnerische Propaganda solche übermäßig herausstellt, übertreibt oder gar erfindet.
Schwerwiegende Begleitschäden führen zur Bildung eines Feindbildes, das einen Konflikt verlängern kann, dienen der gegnerischen Propaganda, und bringen die Bevölkerung im Zielgebiet weiter gegen den Gegner auf.
Die häufige Aussage, Begleitschäden an zivilen Einrichtungen seien gewollt, ist deshalb meistens nicht haltbar. Im Gegenteil können sie sogar eine kriegerische Aktion endgültig zum Scheitern verurteilen, wie z. B. während der UN-Intervention in Somalia; nach einigen Begleitschäden wurden UN-Soldaten, vor allem die der USA, nicht mehr als neutral, sondern als Gegner wahrgenommen und angegriffen.
In Kriegen seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich auch immer wieder bewiesen, dass eine Terrorstrategie nicht zur Einschüchterung und Aufgabe des Gegners führt, sondern im Gegenteil den Gegner nochmals zusammenschweißt und aufbringt.
Begleitschäden in mehr oder weniger kritischer Form gibt es in fast jeder kriegerischen Auseinandersetzung. Beispiele, bei denen Begleitschäden einen Konflikt besonders verschärfen, sind unter anderem die Liquidierungsaktionen gegen palästinensische Terroristen in Israel und Palästina, bei denen häufig viele Unbeteiligte ihr Leben verlieren. Weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehen dagegen die Begleitschäden, zu denen es durch "Konflikte" zwischen den Palästinensern (Bürgerkrieg zwischen Hamas und Fatah) kommt, auch wenn die Opferzahlen um ein Vielfaches größer sind.
Gebrauch des Begriffes
Die Anwendung des Begriffes wird allerdings problematisch, wenn anstelle der konkreten Bezeichnung von schwerwiegenden Folgen (Tote und/oder Verletzte, gravierende Schäden an zivilem Eigentum etc...) der Begriff Kollateralschaden oder Begleitschaden eingesetzt wird. Diese aus militärischem Fachvokabular stammenden Begriffe werden von politischen Führungen gezielt eingesetzt, um für die Öffentlichkeit eine Art der Zensur zu erreichen und um die Schäden (Tod von Zivilisten, die Zerstörung deren Hab und Gutes etc...) nicht beim Namen nennen zu müssen, in der Hoffnung, dass diese nicht als solche wahrgenommen werden.
Durch gezielte Wortwahl entsteht ein Euphemismus, bei dem man niemandem vorwerfen kann, Fehlinformationen verbreitet zu haben. Während des Kosovo-Kriegs wurde der Begriff vor allem durch den NATO-Pressesprecher Jamie Shea geprägt.
Im umgangssprachlichen Gebrauch wird der Begriff Kollateralschaden auch oft in Situationen verwendet, die zwar keine Toten oder Verletzen fordern, jedoch Unschuldige in irgendeiner Weise „stören“: Wenn „Kollektiv-Maßnahmen“ nötig werden, um mögliche Vergehen aufzudecken und/oder präventiv zu wirken; z. B. Alkoholkontrollen im Straßenverkehr, in welchen auch nicht straffällige Personen betroffen sind.
Unwort des Jahres
"Kollateralschaden" wurde zum Unwort des Jahres 1999[1][2] gewählt. Zur Begründung[2][3] nannte die Jury gleich zwei Argumentationsstränge: zum einen habe die Übernahme der Medien dieses "nur halb übersetzte[n]"[3] Wortes (vgl. Anglizismus) aus der NATO-Berichterstattung über Interventionen der NATO in Ex-Jugoslawien ("Kosovo-Krieg"[3]) durch die schwere Verständlichkeit eine imponierende Wirkung, die vom wahren Inhalt des Begriffes ablenke; zum zweiten verharmlose die Verwendung dieses Wortes (gerade wenn man es wörtlich übersetze) "militärisch[e] Verbrechen"[3] als unwichtige Nebensache.
Siehe auch
- Agent Orange (im Vietnamkrieg 1967)
- Friendly Fire
Quellen
- ↑ Unwörter des Jahres. Gesellschaft für deutsche Sprache e. V.. Abgerufen am 6. Dezember 2008. (HTML)
- ↑ a b Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres: Unwörter des Jahres seit 1991. Horst Dieter Schlosser (Sprecher der Jury).: „"Verharmlosung der Tötung Unschuldiger als Nebensächlichkeit; NATO-offizieller Terminus im Kosovo-Krieg"“. Abgerufen am 6. Dezember 2008. (HTML, Frame verlinkt, Hauptseite ist http://www.unwortdesjahres.org/)
- ↑ a b c d Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres: Unwort des Jahres 1999 - Kollateralschaden. Horst Dieter Schlosser (Sprecher der Jury). Abgerufen am 6. Dezember 2008. (HTML, Die entsprechende, detaillierte Begründung - Frame verlinkt, Hauptseite ist http://www.unwortdesjahres.org/)
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