Kommissariat für Volksbildung

Kommissariat für Volksbildung

Das Volkskommissariat für Bildungswesen (russisch Народный комиссариат просвещения; Transkription: Narodny Kommissariat Prosweschtschenija; kurz: Наркомпрос; Transkription: Narkompros) war ein staatliches Organ der Sowjetunion. Es entspricht einem heutigen Ministerium und wurde 1917 gegründet. In den 1920er und 30er Jahren kontrollierte es faktisch alle Kulturbereiche in der Sowjetunion: Bildung, Bibliothekswesen, Verlagswesen, Museen, Theater und Kino, Kulturhäuser, Kulturparks, Erholungsparks, den Schutz von Architektur- und Kulturdenkmälern, Künstlervereinigungen, die internationalen kulturellen Verbindungen der Sowjetunion und andere.

Diese Aufgaben werden in der heutigen Russischen Föderation vom Ministerium für Bildung und Wissenschaft (Russland) und vom Ministerium für Kultur und Massenkommunikation (Russland) wahrgenommen.

Geschichte

Einen Tag nach dem Zweiten Allrussischen Kongress der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte wurde am 9. November 1917 (27. Oktober nach dem Julianischen Kalender) durch ein gemeinsames Dekret des Allrussischen Zentralen Exekutivkomitees (russ. ВЦИК) und des Rates des Volkskommissare die Staatliche Kommission für Bildung gegründet. Diese Staatliche Kommission für Bildung hatte die Aufgabe das gesamte System der Volksbildung und der Kultur zu leiten.

Als Vorsitzender der Kommission wurde Anatoli Lunatscharski berufen; die weiteren Mitglieder der Kommission waren unter anderem Nadeschda Krupskaja, Michail Pokrowski und Panteleimon Lepeschinski.

Im Dekret vom 9. November 1917 wurde festgelegt, dass alle Angelegenheiten bezüglich der Volksbildung vorläufig durch das bereits bestehende Ministerium für Volksbildung des Russischen Reiches erledigt werden sollen. Es wurde zu einem ausführenden Organ der Staatlichen Kommission. So wurde die Rolle des Ministeriums für Volksbildung als ein Leitungsorgan mit staatlichen Funktionen beendet und es wurde in ein ausführendes Organ, in einen technischen Apparat, umgewandelt. Das Ministerium für Volksbildung wurde in den nächsten Wochen nach der Oktoberrevolution ganz abgeschafft, nachdem die Anordnungen der Staatlichen Kommission fast von allen Angestellten und Spezialisten des Ministeriums boykottiert wurden.

Am 26. Juni 1918 (13. Juni) wurde mit Lenins Unterschrift vom Rat der Volkskommissare „Das Dekret über die Organisation der Volksbildung in der Russischen Republik“ erlassen, in dem die Aufgaben der Staatlichen Kommission für Bildung detaillierter festgelegt wurden. Die Kommission hatte die Aufgabe die Angelegenheiten der Volksbildung zu leiten und die allgemeinen Prinzipien der Volksbildung festzulegen, staatliche Bildungspläne zu erlassen und andere prinzipielle Fragen zu klären. Mit diesem Dekret wurde auch die Zusammensetzung der Kommission grundlegend geändert. Die Kommission umfasste nun neben dem Leitungsgremium des Volkskommissariats für Bildungswesen auch Vertreter aus dem Allrussischen Zentralen Exekutivkomitee, den Gewerkschaften, dem Obersten Sowjet für die Volkswirtschaft (ВСНХ), dem Volkskommissariat für Nationalitätenfragen und anderen zentralen Einrichtungen und Organisationen.

Die grundlegenden Leitungsaufgaben auf dem Gebiet der Volksbildung und Kultur wurden dem Volkskommissariat für Bildungswesen der RSFSR übertragen, das am 18. Juni 1918 gebildet wurde. Das Volkskommissariat wurde von Anatoli Lunatscharski geleitet, sein Stellvertreter war Michail Pokrowski.

Im Januar 1918 wurde im Volkskommissariat für Bildungswesen der RSFSR die Theaterabteilung gebildet und im August 1919 mit Lenins Unterschrift unter das „Dekret über die Vereinigung der Theaterarbeit“ offiziell bestätigt. Mit dieser Theaterabteilung wurde die Arbeit der Theater vollständig einer zentralen Leitung unterstellt. Es wurden neue Revolutionstheater gegründet und neue Stücke in das Repertoire aufgenommen, um sich im Rahmen der neuen herrschenden Ideologie das kulturelle Erbe anzueignen. In der Theaterabteilung gab es je ein Sektion für Repertoire, Regie, Pädagogik und Geschichte/Theorie.

Vor der Revolution gab es in Russland 82 Theater, nach der Revolution gab es allein in Moskau 150 Theater der Roten Armee.

Die Theaterabteilung organisierte Vorlesungen und Diskussionen, versandte Empfehlungslisten für Spielpläne, verwaltete die Theaterbibliotheken, Museen und Sammlungen.

Auf Lenins Weisung hin wurde das Theatermuseum „Bachruschin“ in Moskau im Februar 1919 der Theaterabteilung unterstellt, ebenso 1920 die Schule für Kunstgeschichte (russ. Институт истории искусств) in Petrograd.

Leiter der Theaterabteilung waren unter anderem Lunatscharski und Wsewolod Meyerhold. Meyerhold kleidete sich zur Zarenzeit mit Frack und weißen Handschuhen. Als Mitarbeiter des Volkskommissariats trug er eine Kossoworotka, das typisch russische volkstümliche Langhemd, und statt weißen Handschuhen hatte er Schwarzes unter den Fingernägeln.

Die Theaterabteilung wurde 1920 umstrukturiert. Einen Teil ihrer Aufgaben übernahm die Abteilung für akademische Theater, die von Jelena Malinowskaja geleitet wurde, einen anderen Teil der Aufgaben übernahm die Hauptabteilung für politische Bildung (russ. Главполитпросвет).

Die Tätigkeit des Volkskommissariats für Bildungswesen war sehr chaotisch. Es wurden sehr viele Weisungen vom Volkskommissariat erteilt, die oft auch unklar waren. Das war den Umständen der Zeit kurz nach der Oktoberrevolution geschuldet und der mangelnden Erfahrung. Das Volkskommissariat für Bildungswesen hatte einen riesigen Verwaltungsapparat mit über 400 Verwaltungsstrukturen, was auch zu dem Chaos beitrug. Wegen der wichtigen Aufgaben widmete die Kommunistische Partei Russlands [RKP(B)] und Lenin persönlich viel Aufmerksamkeit auf die Arbeit dieses Volkskommissariats.

Eine Reihe von Parteiversammlungen (Oktober 1920 bis Januar 1921) zu Fragen des Volksbildung verabschiedete einige wichtige Beschlüsse zur Gründung von Hochschulen, zu Reformen an den Hochschulen, zu Arbeiterfakultäten, zu Dozenten an Hochschulen für Gesellschaftswissenschaften und auch zur Umstrukturierung des Volkskommissariats für Bildungswesen. Die Umstrukturierung des Volkskommissariats für Bildungswesen wurde mit Dekret des Rates der Volkskommissare vom 11. Februar 1921 und mit Beschluss des Plenums des ZK der RKP(B) bestätigt; Lenin leitete die Kommission des Plenums.

Lunatscharski wurde 1929 als Volkskommissar für Bildungswesen abgesetzt. Diesen Posten bekam Andrei Bubnow, der einen strengen administrativen Kurs führte.

Unterabteilungen des Volkskommissariats

Entsprechend dem Dekret vom 11. Februar 1921 hatte das Volkskommissariat für Bildungswesen folgende Unterabteilungen:

  • Akademisches Zentrum (mit der wissenschaftlichen und künstlerischen Sektion, der Hauptabteilung für Archive und der Hauptabteilung für Museen)
  • Organisationszentrum (Hauptabteilung für soziale Erziehung und polytechnische Bildung; russ. Главпрофобр = Главное управление профессионального образования)
  • Hauptabteilung für politische Bildung (Hauptabteilung für außerschulische Angelegenheiten)
  • Hauptabteilung für Verlagswesen
  • Rat für die Volksbildung der nationale nMinderheiten
  • Theaterabteilung (ab August 1919)

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