Kongoakte

Kongoakte
Zeitgenössischer Stich der Konferenzteilnehmer

Die Kongokonferenz fand vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 auf Einladung des deutschen Reichskanzlers Bismarck in Berlin statt und sollte die Handelsfreiheit am Kongo und am Niger regeln. Sie wird, vor allem im englischen Sprachraum, auch als Berliner Konferenz bezeichnet (allerdings nicht zu verwechseln mit dem Berliner Kongress 1878). Ihr Schlussdokument, die Kongoakte, bildete die Grundlage für die Aufteilung Afrikas in Kolonien.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Kolonialzeit

Seit den "Entdeckungs"-Fahrten des 15. Jahrhunderts hatten zunächst Portugal und Spanien, später auch Frankreich und England, zeitweise sogar Brandenburg, Stützpunkte an den Küsten Afrikas sowie vorgelagerte Inseln in Besitz genommen. Diese dienten hauptsächlich dem Handel, insbesondere mit Sklaven, aber auch mit Elfenbein, Tropenholz und anderen Produkten Afrikas. Vorstöße ins Innere Afrikas wurden keine unternommen, Afrika blieb der "dunkle Kontinent" in den Köpfen der Europäer.

Die tropischen Gebiete Afrikas wurden durch die Erfindung der Dampfmaschine wirtschaftlich uninteressanter für Europa, da die Sklaverei unattraktiv geworden war und der Sklavenhandel in Folge bekämpft wurde. Mit zunehmender Industrialisierung wurden jedoch Pflanzenfette wie Erdnusskerne und Palmöl zur Seifenherstellung interessant.

Nach dem Verlust der amerikanischen Kolonien begannen die Briten, sich neben Australien nach anderen neuen Gebieten umzusehen. Mungo Park war 1795 der erste einer im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer größeren Zahl europäischer Afrikaforscher, die das Innere des Kontinents erkundeten. Die meisten Forscher hatten wissenschaftliche Ziele, später wurden diese mit wirtschaftlichen und politischen Interessen ihrer Auftraggeber verbunden.

Die ersten Kolonialisierungsversuche begannen in den gemäßigten Gebieten im Süden und Norden. Im Kapland hatten sich seit 1652 niederländische Siedler niedergelassen, die nach der Besetzung des Landes durch Großbritannien (1806, 1815 endgültig britisch) ins Landesinnere auswichen (Großer Treck 1835). Im Norden besetzte Frankreich 1830 Algerien und brachte das Land bis 1857 weitgehend unter seine Kontrolle. Auch Algerien wurde Siedlungskolonie für Europäer.

In Liberia entstand 1822 eine Siedlungskolonie freigelassener US-amerikanischer Sklaven, die sich 1847 als Staat konstituierte. In Südafrika wurden 1843, 1852 und 1854 die Burenstaaten Natal, Transvaal und Oranje-Freistaat gegründet. Im Innern Afrikas bildeten sich unter europäischem Einfluss zahlreiche neue Reiche, die in Westafrika meist von islamischen Dynastien regiert wurden. 1859 bis 1869 wurde der Suezkanal gebaut und rückte damit Ostafrika näher an Europa heran.

Vorgeschichte der Konferenz

Anfang der 1880er Jahre nahm das europäische Interesse an Afrika stark zu. Henry Morton Stanley hatte mit der Erforschung des Kongobeckens 1874 bis 1877 den letzten großen weißen Fleck von der Landkarte Afrikas beseitigt. 1878 wurde er von Leopold II. eingeladen, dem König von Belgien, der bereits 1876 eine Internationale Afrikanische Gesellschaft mit dem Ziel der Erforschung und Zivilisierung Afrikas gegründet hatte. 1878 wurde die Internationale Kongo-Gesellschaft gegründet, die wirtschaftliche Ziele verfolgen sollte, mit der Internationalen Afrikanischen Gesellschaft aber eng verknüpft war. Leopold kaufte die fremden Anteile der Kongogesellschaft heimlich auf, die philanthropische Afrikanische Gesellschaft diente hauptsächlich zur Kaschierung der imperialistischen Ziele der Kongogesellschaft.

Von 1879 bis 1884 reiste Stanley erneut an den Kongo, diesmal nicht als Reporter, sondern als Abgesandter Leopolds mit dem geheimen Auftrag, den Kongostaat zu organisieren. Gleichzeitig reiste der französische Marineoffizier Pierre Savorgnan de Brazza im westlichen Kongobecken und hisste im neu gegründeten Brazzaville 1881 die französische Flagge. Portugal, das aus alten Verträgen mit dem einheimischen Kongo-Reich ebenfalls Ansprüche auf das Gebiet herleitete, schloss am 26. Februar 1884 mit Großbritannien einen Vertrag, der vorsah, der Kongogesellschaft den Zugang zum Atlantik zu versperren.

Zur gleichen Zeit drangen mehrere europäische Staaten nach Afrika vor und es begann der "Wettlauf um Afrika": Frankreich besetzte 1881 Tunesien und die heutige Republik Kongo, 1884 Guinea, Großbritannien besetzte 1882 das nominell osmanisch bleibende Ägypten, das wiederum über den Sudan und Teile Somalias geherrscht hatte. Italien nahm 1870 und 1882 erste Teile Eritreas in Besitz. Deutschland unterstellte 1884 Togo, Kamerun und Südwestafrika, später Deutsch-Südwestafrika genannt, seinem Schutz.

Die Konferenz

Leopold II. von Belgien gelang es, Frankreich und Deutschland davon zu überzeugen, dass ein gemeinsames Handeln in Afrika in ihrem Interesse sei. Otto von Bismarck, der deutsche Reichskanzler, lud die Vertreter der USA, des Osmanischen Reiches und der europäischen Mächte Österreich-Ungarn, Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Portugal, Russland, Spanien und Schweden-Norwegen (bis 1905 Personalunion) zu einer Konferenz nach Berlin ein.

Die Konferenz trat am 15. November 1884 im Reichskanzlerpalais in der Wilhelmstraße zusammen. Stanley nahm als technischer Berater der amerikanischen Delegation teil, hatte aber wenig Einfluss. Die Konferenz endete am 26. Februar 1885 mit der Unterzeichnung der Kongoakte durch die beteiligten Staaten. Leopold II. hatte einen großen Triumph erzielt, da er seinen Privatstaat bekam.

Der Kongo, das rohstoffreichste Gebiet Afrikas, war nicht in den Besitz einer Großmacht übergegangen, sondern faktisch an Belgien, welches für die europäische Kontinentalpolitik kaum von Bedeutung war. Außerdem hatte sich herausgestellt, dass die Interessen Englands und Frankreichs, was die Kolonialpolitik betraf, miteinander unvereinbar waren. Bismarck hatte sich einmal mehr als "ehrlicher Makler" bewährt, sein Interesse an der Kolonialpolitik blieb dominiert von innenpolitischen und europäischen Überlegungen.

Die Kongoakte

Die Kongoakte regelte in 38 Artikeln folgende Punkte:

  • Der Kongofreistaat wurde als Privatbesitz der Kongogesellschaft bestätigt. Das Territorium der heutigen Demokratischen Republik Kongo mit mehr als zwei Millionen Quadratkilometern gehörte damit praktisch Leopold II.
  • Die 14 Signatarstaaten genossen Handelsfreiheit im gesamten Einzugsgebiet des Kongo sowie des Njassasees und östlich davon im Gebiet südlich des 5. nördlichen Breitengrades. Das umfasst die heutigen Staaten Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo, Uganda, Kenia, Ruanda, Burundi, Tansania und Malawi sowie den Großteil von Zentralafrika, den Süden von Somalia, den Norden von Mosambik und Angola sowie kleinere Teile von Gabun, Kamerun, Sudan, Äthiopien und Sambia.
  • Die Flüsse Niger und Kongo wurden für die Schifffahrt freigegeben.
  • Das Verbot des Sklavenhandels wurde international festgelegt.
  • Der Grundsatz wurde festgeschrieben, dass nur jene Macht das Recht auf Erwerb einer Kolonie haben sollte, welche sie tatsächlich in Besitz nahm (Prinzip der Effektivität).
  • Für den Fall bewaffneter Konflikte zwischen Vertragsstaaten wurde die Möglichkeit der Neutralität der "im konventionellen Kongobecken einbegriffenen Gebiete" vorgesehen (Artikel 10-11). Die Begrenzung des Gültigkeitsbereiches ist im Artikel 1 genau geregelt.

Folgen

Kolonien in Afrika (1914)

Der Wettlauf um Afrika nahm an Tempo zu. Innerhalb weniger Jahre war Afrika südlich der Sahara zumindest nominell aufgeteilt, bis 1895 waren neben Abessinien (Äthiopien) nur noch die Siedlungskolonien Liberia, Oranje-Freistaat und Transvaal unabhängig. Der größte Teil der Sahara wurde französisch, der Sudan nach der Niederschlagung des Mahdi-Aufstandes und der Beilegung der Faschodakrise britisch-ägyptisches Kondominium.

Die Burenstaaten wurden im Burenkrieg 1899 bis 1902 von Großbritannien erobert. Marokko teilten sich Frankreich und Spanien 1911, Libyen wurde 1912 von Italien erobert. Die offizielle Annexion Ägyptens 1914 schloss die koloniale Aufteilung Afrikas ab. Außer Liberia und Äthiopien stand ganz Afrika unter europäischer Herrschaft.

Literatur

  • Helmut Bley: Künstliche Grenze, natürliches Afrika? Um die Berliner Kongokonferenz von 1884-1885 ranken sich allerhand Mythen. In: iz3w (Informationszentrum 3. Welt) 282 (Januar/Februar 2005), S. 280-283.

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