Konzentrationslager Fuhlsbüttel

Konzentrationslager Fuhlsbüttel

Das Hamburgische KZ Fuhlsbüttel, auch Kola-Fu genannt, bestand förmlich vom 3. September 1933 bis Mitte 1936, als es in „Polizeigefängnis“ umbenannt und von da an unter Verwaltung der Gestapo bis Mitte April 1945 weiter genutzt wurde. Im Winter 1944/1945 war dort ein Außenlager des KZ Neuengamme.

Für das Konzentrationslager wurden einige Gebäude und Räume auf dem Gelände der heute noch in Hamburg bestehenden Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel genutzt. Seit 1987 gibt es im ehemaligen Torhaus am Suhrenkamp eine Gedenkstätte.

Inhaltsverzeichnis

Erste Nutzung

In der Nacht zum 6. März 1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Polizeigewalt in Hamburg. Die politischen Gegner wurden von SA-Hilfspolizisten in Schutzhaft genommen, im Stadthaus bei der Staatspolizei brutal misshandelt und verhört und aus Platzmangel provisorisch auf dem Dachboden des Untersuchungsgefängnisses untergebracht. Kommunisten wurden ab Ende März 1933 im KZ Wittmoor auf dem Gelände einer Torfverwertungsfabrik im Norden Hamburgs in Haft gehalten. Zum gleichen Zeitpunkt wurden 400 bis 600 Schutzhäftlinge in zwei leerstehenden Gebäuden der Strafanstalt Fuhlsbüttel untergebracht. Die Aufsicht führten altbewährte Strafvollzugsbeamte, so dass die politischen Gefangenen dort nicht misshandelt wurden. Im Oktober wurde das KZ Wittmoor aufgelöst; die verbliebenen 110 Häftlinge wurden nach Fuhlsbüttel verlegt.

September 1933 bis Juli 1934

Anfang August inspizierte Gauleiter Karl Kaufmann Fuhlsbüttel und setzte am 4. September 1933 seinen Adjutanten Paul Ellerhusen als Lagerkommandanten sowie Willi Dusenschön als Führer der Wachmannschaft über die Gebäudekomplexe ein, in denen sich Schutzhäftlinge befanden. Das Konzentrationslager – im Amtsgebrauch auch „Kola-Fu“ genannt – wurde im Oktober 1933 der Aufsicht der Justizbehörde entzogen und der Hamburger Staatspolizei unter Bruno Streckenbach unterstellt.

Zu diesem Zeitpunkt begann im Kola-Fu ein Regime des Terrors. Die Gefangenen wurden in drei Gruppen unterschiedlich strenger Haftbedingungen eingestuft, die bis zu Dunkelhaft in Einzelzellen reichte. Willkürliche Misshandlungen und Schikanen waren alltäglich. Das Hamburger Konzentrationslager war zu dieser Zeit eines der brutalsten Lager im Deutschen Reich.[1] Das Hamburger Landgericht stellte 1962 im Urteil gegen Dusenschön fest: „Die Häftlinge mussten stundenlang in strammer Haltung auf dem Hof stehen, sie wurden [...] ins Gesicht geschlagen oder ins Gesäß getreten. [...] Man ging aber auch dazu über, einzelne Häftlinge unter den entwürdigsten Umständen mit Peitschen, Ochsenziemern, Koppeln und Stuhlbeinen in viehischer Weise zu misshandeln, manchmal, bis sie bewusstlos zusammenbrachen. [...] Von sogenannten Rollkommandos wurden Gefangene nachts aus den Zellen geholt und dort wüst zusammengeschlagen...“ [2]

Bei einer Belegung zwischen 732 bis 820 Häftlingen, starben zehn Personen im letzten Quartal des Jahres 1933. Einige Schutzhäftlinge begingen Suizid. Von Fritz Solmitz, der als Redakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung Lübecker Volksbote gearbeitet hatte, sind die in seiner Taschenuhr verborgenen Aufzeichnungen erhalten, in denen er seine erlittenen Folterungen und seine Verzweiflung schildert.[3]

Die Zustände im Konzentrationslager blieben der Öffentlichkeit nicht verborgen. Ende 1933 erhielten Richter, Rechtsanwälte und Pastoren anonyme Rundschreiben zugestellt, in denen ein ehemaliger Häftling die Übergriffe schilderte.

Im März 1934 erstattete ein Arzt Anzeige, weil ein misshandeltes Opfer im Lazarett starb. Da es sich hier um einen Parteigenossen handelte, der wegen seiner Homosexualität inhaftiert worden war, konnte der Fall nicht leicht vertuscht werden. Das Verfahren wurde auf Geheiß des Gauleiters Karl Kaufmann im Herbst 1934 niedergeschlagen.[4] SS-Sturmführer Dusenschön ließ sich vorher versetzen und war später unter anderem bei der Wachmannschaft im KZ Esterwegen und KZ Sachsenhausen tätig.

Vom KZ zum Polizeigefängnis

Im Juli 1934 wurde Kriminalsekretär Johannes Rode als Lagerkommandant eingesetzt. Rode gehörte der Hamburger Politischen Polizei an, die später als Gestapo geführt wurde.

Unter Rode besserten sich die Verhältnisse im Lager zumindest für die politischen Schutzhäftlinge und Untersuchungsgefangenen sowie für die ab 1934 eingelieferten „Zeugen Jehovas“. Homosexuelle und Juden waren aber vor Übergriffen nicht sicher.[5] Ein Teil der Schutzhäftlinge wurde entlassen, andere nach Esterwegen oder andere Lager überführt, weitere politische Häftlinge nach Verurteilung in Gefängnisse eingeliefert. Die Anzahl der politischen Häftlinge ging zurück. Die Belegungszahl änderte sich in den Jahren bis 1936 von Monat zu Monat und pendelte zwischen 65 und über 700 Personen. Angeblich wurden im Tagesdurchschnitt fast 20 Häftlinge neu aufgenommen, die Fluktuation war außerordentlich hoch, jährlich gingen 7000 Personen durch das Lager. [6]

Als „Inspekteur der Konzentrationslager“ verfolgte Theodor Eicke das Ziel, eigenständige und abgeschirmte Konzentrationslager einzurichten. Dieses war auf dem Gelände der Hamburger Strafanstalt nicht zu verwirklichen. Eicke erklärte im Mai 1936, das Kola-Fu sei ein Ausnahmefall, nämlich „eine Art Polizeigefängnis zur Verwahrung der Schutzhäftlinge bis zur Zuführung an die Gerichte oder Überweisung an ein preußisches Konzentrationslager.“ [7] Zugleich drängte die Justizverwaltung auf Herausgabe der genutzten Gebäude, da die Anzahl der Strafgefangenen stieg.

Polizeigefängnis Fuhlsbüttel

Noch im Jahre 1936 – das genaue Datum ist nicht feststellbar - wurde das Kola-Fu umbenannt in „Polizeigefängnis Fuhlsbüttel“. Es unterstand der Gestapo. Nach den Novemberpogromen 1938 wurden hier 700 Juden aus Norddeutschland vor dem Weitertransport in Konzentrationslager zusammengeführt. Auch etwa 400 Verhaftete der Swing-Jugend durchliefen später das Polizeigefängnis.

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges änderte sich die Zusammensetzung der Häftlinge. Politische Häftlinge, die zu langfristiger Haft verurteilt worden waren, wurden in das KZ Neuengamme verlegt oder in andere Lager abgeschoben. Eingeliefert wurden deutsche Werftarbeiter und „Ostarbeiter“, die wegen „Bummelei“ und „Arbeitsvertragsbruch“ meist für zwei oder drei Wochen inhaftiert wurden.

Das Polizeigefängnis diente bis 1945 als Hauptexekutionsstätte der Stapoleitstelle.[8] Am 12. April 1945 mussten Häftlinge des Polizeigefängnisses einen Evakuierungsmarsch beginnen. Auf dem mehrtägigen Marsch, der zum Arbeitserziehungslager Nordmark in Kiel-Hassee führte, wurden mehrere Häftlinge erschossen. [9]

Außenlager des KZ Neuengamme

Zwischen dem 25. Oktober 1944 und dem 15. Februar 1945 wurden die Gebäude als Außenlager des KZ Neuengamme geführt. [10]Dabei wurden bis zu 1500 männliche Häftlinge für den Bau von Panzergräben und Aufräumarbeiten bei Raffinerien und Betrieben im Hafenbereich eingesetzt. [11]

Strafrechtliche Ahndung

Zwischen 1948 und 1952 standen außer dem Kommandanten Paul Ellerhusen weitere 19 von 80 Wachmännern vor deutschen Gerichten. Ellerhusen wurde im Januar 1950 noch nach den Bestimmungen des Kontrollratgesetzes Nr. 10 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. Bei weiteren Urteilen lag das Strafmaß zwischen 1 Jahr Gefängnis 10 Jahren Zuchthaus. Nach dem 31. August 1951 war die Anwendung des Kontrollratsgesetzes nicht mehr möglich. Dennoch führten Straftatbestände wie „vorsätzliche Körperverletzung im Amt“, „Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges“ oder Aussageerpressung zu vergleichbar hohen Strafen.

Gedenkstätte

Altes Torhaus - heute Gedenkstätte KolaFu

Das „Alte Torhaus“ war der gemeinsame Hauptzugang zum Gelände der Strafanstalt, zu dem im „Dritten Reich“ auch ein Gebäude gehörte, das von SS beziehungsweise Gestapo verwaltet wurde und als Konzentrationslager und später Polizeigefängnis diente. In den 1960er Jahren wurde ein neuer Haupteingang gebaut. Gegen den Abriss des nun ungenutzten Torhauses erhob der Denkmalschutz Einwände, da der Backsteinbau als architektonisches Beispiel wichtig sei.

1983 wurde am „Alten Torhaus“ eine provisorische Gedenktafel angebracht. Im März 1985 beschloss der Senat, dort eine Gedenkstätte einzurichten. Am 6. November 1987 wurde das frühere Torhaus mit Zugang von der Straße „Am Suhrenkamp“ zu einer Gedenkstätte umgestaltet. Im vergitterten Eingangsbereich befinden sich Tafeln mit Mahnung und den Namen von Opfern sowie eine Kranzablage. Im Stockwerk darüber, der ehemaligen Wachstube, befindet sich eine Ausstellung, die sonntags zugänglich ist.


Bis 1939 kamen im Konzentrationslager beziehungsweise dem Untersuchungsgefängnis der Gestapo mindestens 76 Häftlinge ums Leben.[12] Ein Gedenkbuch [13] geht von 250 Hinrichtungen bis Kriegsende aus, dabei handelt es sich vorwiegend um Widerstandskämpfer und Juden. Insgesamt kamen nahezu 500 Opfer ums Leben durch Misshandlung, Ermordung oder dadurch, dass sie in den Tod getrieben wurden.

An Ermordete im KZ Fuhlsbüttel erinnern im Hamburger Stadtgebiet auch einige Stolpersteine vor den letzten Wohnorten der Opfer.

Einzelnachweise

  1. Herbert Diercks: Hamburg-Fuhlsbüttel... München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S. 118
  2. Henning Timpke: Das KL Fuhlsbüttel. In: Martin Broszat (Hrsg.): Studien zur Geschichte der Konzentrationslager. Stuttgart 1970, S. 15/16
  3. abgedruckt bei Henning Timpke: Das KL Fuhlsbüttel. S. 26-28
  4. Lothar Gruchmann: Justiz im Dritten Reich. 3. verb. Aufl. München 2001, ISBN 3-486-53833-0, S. 374-379
  5. Henning Timpke: Das KL Fuhlsbüttel. S. 21/22
  6. Herbert Diercks: Hamburg-Fuhlsbüttel... München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S. 118
  7. Henning Timpke: Das KL Fuhlsbüttel. S. 24
  8. Gabriele Lotfi: KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich. fiTb15134, Frankfurt/M 2003, ISBN 3-596-15134-1, S.211
  9. Uwe Fentsahm: Der "Evakuierungsmarsch von Hamburg-Fuhlsbüttel nach Kiel-Hassee (12.-15. April 1945) In: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, Heft 44 Kiel 2004 - [1]
  10. Gedenkbuch „Kola-Fu“..., hrsg. v.d. KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Hamburg 1987
  11. Ulrich Bauche: Arbeit und Vernichtung. S. 208
  12. Ulrich Bauche u. a. (Hrsg.): Arbeit und Vernichtung. Hamburg 1986, ISBN 3-87975-356-3, S: 37
  13. Gedenkbuch Kola-Fu, S. 13

Literatur

  • Henning Timpke: Das KL Fuhlsbüttel. In: Martin Broszat (Hrsg.): Studien zur Geschichte der Konzentrationslager. Stuttgart 1970, S. 11-28 (grundlegend)
  • Herbert Diercks: Hamburg-Fuhlsbüttel. In: Wolfgang Benz / Barbara Distel (Hrsg): Der Ort des Terrors. Band 2: Frühe Lager. München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S. 112-119
  • Gedenkbuch „Kola-Fu“ für die Opfer aus dem Konzentrationslager, Gestapogefängnis und KZ-Außenlager Fuhlsbüttel, hrsg. von KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Hamburg 1987
  • Werner Johe: Neuengamme. Zur Geschichte der Konzentrationslager in Hamburg. 2. durchg. Aufl. Hamburg 1981
  • Herbert Diercks: Die Wachleute des KZ Fuhlsbüttel ab 1948 vor Gericht. In: Die frühen Nachkriegsprozesse. Hrsg.: KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland, H. 3, S. 75 - 92)Bremen 1997, ISBN 3-86108-322-1

Weblink

53.622510.0188888888897Koordinaten: 53° 37′ 21″ N, 10° 1′ 8″ O


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