- Angebotscharakter
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Angebotscharakter ist die von einem Gegenstand – offensichtlich vorhandene oder tatsächlich gegebene – angebotene Gebrauchseigenschaft für Subjekte (Mensch oder Tier). Ein Stuhl hat für Menschen den Angebotscharakter zum Sitzen oder Hinaufsteigen geeignet zu sein (nicht für einen Elefanten). Ein Schalter hat den Angebotscharakter, dass er in die jeweils andere Position umgelegt werden kann - gestreichelt zu werden gehört dagegen nicht zu seinem Angebotscharakter.
Für den Angebotscharakter der Gegenstände gibt es Begrenzungen, die sich aus physischen, physikalischen, logischen oder kulturellen Gründen ergeben. Beispiele hierfür:
- Ein drei Tonnen schwerer Hammer könnte von einem Menschen nicht benutzt werden um Nägel einzuschlagen (physisch).
- Ein Mauszeiger kann nicht über den Bildschirmrand hinaus bewegt werden (physikalisch).
- Bei einer Schalterleiste mit einem linken und einem rechten Schalter zur Ansteuerung zweier nebeneinanderstehender Geräte sollte der linke Schalter das links stehende und der rechte Schalter das rechtsstehende Gerät bedienen (logisch).
- Eine rote Ampel bedeutet „Stopp!“ (kulturell).
Der englische Usability-Begriff Affordance, der von Donald Norman als Übertragung eines ökologischen Ansatzes der Wahrnehmung von James Jerome Gibson (1904–1979) auf gestaltete Artefakte geschaffen wurde, lässt sich nicht problemlos ins Deutsche übertragen. Der eingedeutsche Ausdruck „Affordanz“ wird oft nicht verstanden. Es wird daher zumeist empfohlen, die Ausdrücke „Aufforderungscharakter“ oder genauer „Angebotscharakter“ zu verwenden.
Kritik
Gerade zu letzterem ist in jüngster Zeit der Versuch zu beobachten das Affordanzkonzept für die Interpretation des Mediengebrauchs, etwa in der Mediensoziologie, fruchtbar zu machen (vgl. Zillien, 2009). Allerdings ist gerade in Hinblick auf digitale Medien, die über digitale Artefakte kommunizieren, festzustellen, dass diese oft keinen eindeutigen Aufforderungscharakter haben. Ist es etwa kaum möglich mit einer Schaufel zu essen, so ist ein Computer eine unspezifische Maschine, die bspw. sowohl für Buchhaltung, als auch für Spiele, die Erzeugung von Wissen, für die Verfolgung privater Obsessionen, wie für gemeinschaftlicher Projekte eingesetzt werden kann. Der Affordanzcharakter liegt hier allenfalls in einer Ermunterung zur kontingenten (abweichenden, variierenden) Verwendung.
Literatur
- James Jerome Gibson: The ecological approach to visual perception. Houghton Mifflin, Boston 1979. Dt.: Wahrnehmung und Umwelt. Urban & Schwarzenberg, München 1982. ISBN 3-541-09931-3
- Harold S. Jenkins: Gibson's "Affordances": Evolution of a Pivotal Concept. Journal of Scientific Psychology, December 2008, (p. 34-45).
- Donald Norman: The Psychology of Everyday Things. Basic Books, New York 1988
- Reed, E./Jones, R. (Eds.) (1982): Reasons for Realism. Selected Essays of James J. Gibson. Lawrence Erlbaum, Hillsdale. ISBN 0-89859-207-0
- Nicole Zillien: "Die (Wieder-)Entdeckung der Medien - Das Affordanzkonzept in der Mediensoziologie." in: Socilogica Internationalis, Berlin 2009. S. 161-181
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