Krelle

Krelle

Wilhelm Krelle (* 24. Dezember 1916 in Magdeburg; † 23. Juni 2004 in Bonn) war ein deutscher Volkswirt, Mathematiker und Physiker.

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Leben

Krelle stammte aus einer alten Magdeburger Akademikerfamilie und war ein entfernter Neffe von Gustav Nachtigal und verwandt mit Johannes Scheyring. Nach Erreichen des Abiturs entschied sich Krelle zunächst für eine Offizierslaufbahn. Nach der Rückkehr aus dem Krieg studierte Krelle an den Universitäten Tübingen und Freiburg parallel Physik, Mathematik und Nationalökonomie.

1948 beendete Krelle sein Studium mit einer Promotion zum Dr. rer. pol. und konnte 1951 an der Universität Heidelberg bei Prof. Erich Preiser habilitieren. 1956 berief man Krelle – im Anschluss an verschiedentliche Forschungsaufenthalte an der Harvard University, am MIT und an der Chicago State University – zum a.o. Prof. für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an die Hochschule St. Gallen. Von 1958 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1982 wirkte er dort als o. Prof. für wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Universität Bonn. 1991/92 wurde Krelle reaktiviert, um als Gründungsdekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Humboldt-Universität zu Berlin zu fungieren.

Werk

Im Vordergrund der wissenschaftlichen Arbeiten von Krelle stand die Abbildung ökonomischer Probleme in mathematischen Modellen. Außer in der akademischen Forschung war Krelle unter anderem als Mitglied der Mitbestimmungskommission und der Wehrstrukturkommission, sowie als Mitglied der Sozialkammer der Evangelischen Kirche in Deutschland engagiert.

Ehrungen

Neben dem Bundesverdienstkreuz (1987) erhielt Krelle für seine wissenschaftlichen Arbeiten sechs Ehrendoktoren, u.a. von der Chicago State University und der Universität Münster. Außerdem wurde er zum Honorarprofessor an der Universität Wien ernannt.

"SS-Sturmbannführer Krelle" - Debatte um Tätigkeit Krelles in der NS-Zeit

Während Wilhelm Krelle in den alten Bundesländern bis heute hoch angesehen ist, war er an der Humboldt-Universität teilweise umstritten[1]. Er hatte als Gründungsdekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Humboldt-Universität, wie seine Kollegen an anderen Fakultäten auch, die Aufgabe, die Eignung des vorhandenen wissenschaftlichen Personals zu überprüfen, was in vielen Fällen zu massenweisen Entlassungen führte[2]. Einige Aussagen Krelles, unter anderem der ihm zugeschriebene Satz: "Kein Marxist wird seinen Fuß über die Schwelle dieses Hauses setzen, solange ich hier das Sagen habe."[3] ließ Kritiker daran zweifeln, dass er Personalentscheidungen nur nach fachlichen Kriterien fällte. In der Folge haben einige Studenten der Humboldt-Universität - alten Gerüchten um eine SS-Mitgliedschaft Krelles nachgehend - schließlich Befehle und andere Dokumente aus dem zweiten Weltkrieg an die Öffentlichkeit gebracht, die dieser mit "SS-Sturmbannführer Krelle" unterzeichnet hatte. Hierauf wurden Forderungen gestützt, Wilhelm Krelle die Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität wieder abzuerkennen. Diese Forderungen wurden vor allem von Medien des linken Spektrums, etwa vom Neuen Deutschland und von der Jungen Welt, aufgegriffen[4]. Untersuchungen anderer Studenten erwiesen diese Behauptungen als teilweise falsch[5]. Die Universität setzte schließlich eine Kommission zur Aufklärung der Vorwürfe gegen Krelle ein. Krelle selbst stellte der Kommission, wie auch schon zuvor seinen Kritikern, seine Tagebuchaufzeichnungen zur Verfügung. Die Kommission kam zu einem Schluss, der sich im wesentlichen Krelles Argumentation deckte: er habe zwar eine SS-Division befehligt und den SS-Dienstgrad aus Autoritätsgründen verwendet, sei aber niemals Mitglied der Waffen-SS und im Übrigen auch niemals Mitglied der NSDAP gewesen. Auf Empfehlung der Kommission hielt die Universität an der Ehrendoktorwürde fest. Im Jahre 2004, kurz vor Krelles Tod, wurden weitere Dokumente gefunden, die zwar wiederum keine SS-Mitgliedschaft Krelles beweisen, wohl aber nach Meinung mancher Kritiker eine fanatische, nationalsozialistische Gesinnung bis in die letzten Tage des Krieges hinein belegen sollen. Bekannt sind allerdings auch Tagebuchaufzeichnungen Krelles, in denen er sich kritisch mit der Militärführung des Nationalsozialismus auseinandersetzt[6]. Wilhelm Krelle und andere Beobachter hielten dies für eine Kampagne jener SED-Kader, die Krelle an der Humboldt-Universität entlassen hatte; dieser Sichtweise folgen auch gemäßigte Medien[7]. Ein persönliches Fehlverhalten, etwa die Beteiligung an Kriegsverbrechen, wurde Krelle von keiner Seite jemals vorgeworfen.

Werke (Auswahl)

  • Theorie wirtschaftlicher Verhaltensweisen. 1953.
  • Preistheorie. 1961.
  • Verteilungstheorie. 1962.
  • Präferenz- und Entscheidungstheorie. 1968.
  • Wachstumstheorie. 1972 (zusammen mit Günter Gabisch).
  • Mitbestimmung und marktwirtschaftliche Ordnung. 1978.
  • Theorie des wirtschaftlichen Wachstums. 1985.
  • The future of the world economy. 1989.
  • Weltwirtschaft und Sicherheit. 1994.
  • Wirtschaftswissenschaft in christlicher Verantwortung. 1997.
  • Ökonomische Grundlagen der Ethik. 1998.

Weblinks

  1. zu diesem Abschnitt siehe die Artikel "Grenzen der Erinnerung", Berliner Zeitung vom 13.05.2004 und "Schiefer Vergleich", Freitag, 16/2007
  2. http://www.derhermes.de/index.html?/23/h23_10.html
  3. s. "Schiefer Vergleich", Freitag, 16/2007
  4. http://www.zeit.de/1996/08/Zweierlei_Vergangenheit
  5. http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1996/0214/none/0007/index.html
  6. https://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1996/0214/none/0007/index.html
  7. http://www.zeit.de/1996/08/Zweierlei_Vergangenheit

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