Kriegslok

Kriegslok
Baureihe 52, die bekannteste Kriegslokomotive, auf einer Drehscheibe im Eisenbahnmuseum Bw Dresden-Altstadt

Unter Kriegslokomotiven versteht man Lokomotiven, deren Konstruktion speziell auf die wirtschaftlichen Bedingungen eines Krieges, wie Materialknappheit, Güterverkehr (Nachschubtransport), einfachste Wartung unter schwierigen Bedingungen, Unempfindlichkeit gegenüber extremen Witterungsbedingungen, begrenzte Lebensdauer sowie schnelle und kostengünstige Produktion in großen Stückzahlen ausgerichtet war. Um diesen Forderungen gerecht zu werden, mussten wirtschaftliche Nachteile, zum Beispiel ein relativ hoher Brennstoffverbrauch, in Kauf genommen werden.

Kriegslokomotiven waren technisch so einfach wie möglich gehalten, und es wurde weitgehend auf Importwerkstoffe (in Deutschland insbesondere Kupfer) verzichtet, beispielsweise erhielten die deutschen Elektrolokomotiven Aluminiumwicklungen in den Fahrmotoren und im Trafo und die Dampfloks Feuerbüchsen aus Stahl, daher der Begriff Heimstofflok.

Die Fertigung von Elektroloks als Kriegslokomotiven muss allerdings als Sonderfall angesehen werden, da sie nur im Kernnetz unter der Voraussetzung einer funktionsfähigen Fahrstromversorgung (Kraftwerke, Fernleitungen, Umspannwerke und Fahrleitungen) einsatzfähig sind. In der Regel werden eher Konstruktionen bevorzugt, die möglichst unabhängig von zusätzlicher Infrastruktur sind.

Inhaltsverzeichnis

Deutschland

In Deutschland versteht man unter Kriegslokomotiven die von der Deutschen Reichsbahn und anderen Abnehmern (Industrie, Heeresfeldbahn) während des Zweiten Weltkrieges beschafften Lokomotiven folgender Baureihen:

  • Baureihe 52 (Kriegsdampflokomotive [KDL 1])
  • Baureihe 42 (Kriegsdampflokomotive [KDL 2])
  • HF 160 D (Kriegsdampflokomotive 11 [KDL 11])
  • HF 70 C (Kriegsdampflokomotive 12 [KDL 12])
  • Henschel Baulokomotive Typ „Riesa“ in entfeinerter Version (Kriegsdampflokomotive 13 [KDL 13])
  • WR 360 C 14 (Kriegsmotorlokomotive 1 [KML 1])
  • Köf II (Kriegsmotorlokomotive 2 [KML 2])
  • HF 130 C (Kriegsmotorlokomotive 3 [KML 3])
  • HF 50 B (Kriegsmotorlokomotive 4 [KML 4])
  • O&K MD 2 (Kriegsmotorlokomotive 5 [KML 5])
  • zweiachsige Grubenlokomotiven (Kriegsmotorlokomotive 6 und 7 [KML 6, KML 7])
  • Baureihe E 44 (Kriegselektrolokomotive 1 [KEL 1])
  • Baureihe E 94 (Kriegselektrolokomotive 2 [KEL 2])

Eingeleitet wurde diese Konstruktionslinie Anfang 1942 von der Güterzuglokomotive der Baureihe 50, deren laufende Produktion in mehreren Stufen vereinfacht wurde (offizieller Begriff: Entfeinerung) und von der Baureihe 50 ÜK (Übergangs-Kriegslokomotive) zur Baureihe 52 überleitete. Auch von den Baureihen 44 und 86 wurden ÜK-Varianten in größeren Stückzahlen gebaut.

Konstruktionstechnisch ist bedeutend, dass mit den Kriegsloks erstmals im deutschen Lokomotivbau in großem Umfang Schweißtechnik angewandt wurde - zuvor war noch die veraltete Niettechnik üblich. Darüber hinaus wurden auch die übrigen Produktionsabläufe von der bisherigen Einzelfertigung auf eine Großserienproduktion umgestellt. Viele Bauteile, wie Treib- und Kuppelstangen, mussten bislang aus Vollmaterial mit hohem Fertigungsaufwand gefräst werden. Die großen Stückzahlen machten es nun möglich, hierfür das Gesenkschmiedeverfahren einzuführen, mit dem der Nachbearbeitungsaufwand deutlich reduziert werden konnte.

Nach dem Krieg wurden diese Baureihen, insbesondere die Baureihen 52, 42 und 44 ÜK in vielen Ländern Europas weiter eingesetzt und sogar noch in kleinerer Zahl weiter beschafft, wobei aber einige der kriegsbedingten Vereinfachungen und Mängel beseitigt wurden.

Erst mit dieser kriegsbedingten Produktion - beginnend mit der Baureihe 50 bis zu den Baureihen 52 und 42 - stiegen die Beschaffungszahlen der Lokomotiven der Deutschen Reichsbahn von 1939 bis 1943 erheblich an und sorgten dafür, dass mit diesen Baureihen die bisherige Dominanz der Länderbahnlokomotiven im Lokomotivbestand aufgehoben wurde.

Für die Produktion wurden sämtliche geeigneten Lokomotivfabriken in Deutschland und den besetzten Gebieten sowie Zwangsarbeiter in großem Umfang herangezogen.

Von der Baureihe 52 wurden über 6000 Exemplare gebaut. Bemerkenswert ist die Variante mit Kondensationstender, die in Gebieten mit schlechter Wasserversorgung eingesetzt werden konnte und außerdem wegen der fehlenden Abdampfwolke für Angreifer aus der Luft schwerer auszumachen war.

Auch heute noch sind zahlreiche betriebsfähige Exemplare vorhanden, überwiegend in Form der Variante 52.80, die in den 60er Jahren in der DDR als „Rekonstruktion“ (eine umfassende Modernisierung) entstand. Bei der Bundesbahn hingegen waren die Baureihen 52 und 42 bereits Ende der 50er Jahre vollständig ausgemustert.

„Baureihe 53“

Der Höhepunkt der Planung war eine dritte Baureihe von Kriegsdampflokomotiven, die 1943 begonnen wurde. Geplant war eine überschwere Lokomotive, die 1700 t auf 8 Promille Steigung noch mit 20 km/h ziehen und 80 km/h Höchstgeschwindigkeit vorwärts wie rückwärts fahren sollte. Sie war für die besetzten Gebiete in Russland vorgesehen. Dafür entstanden 17 Entwürfe.

Der Entwurf Borsig 1 erreichte später durch ein Modell der Firma Märklin unter der Bezeichnung „Baureihe 53“ einen größeren Bekanntheitsgrad. Es war eine Mallet-Gelenklokomotive mit der seltenen, weil unsymmetrischen Achsfolge (1'C)D. Als Beleg für den Baubeginn der Lokomotive erschien im Märklin Katalog 1988/89 eine Reportage, in der ein Zeitzeuge die Situation in den Jahren 1943/44 bei der Firma Borsig schildert:[1] Er habe mit „eigenen Augen … den Bau … in den Anfängen gesehen“. Teile und Unterlagen über die Fertigung der Lok konnten nach dem Krieg allerdings nicht mehr aufgefunden werden. [2]

Vereinigte Staaten

Zur Unterstützung der Truppentransporte im Ersten Weltkrieg entwickelte die Baldwin auf der Basis einer britischen Lokomotive die Klasse 1'D Pershing.

Während des Zweiten Weltkriegs wurden im Auftrag des United States Army Transportation Corps (USATC) Kriegslokomotiven für verschiedene Spurweiten gebaut, die z. T. weltweite Verbreitung gefunden haben. Zu ihnen gehören unter anderem folgende Klassen:

Diese Lokomotiven wurden nicht nur in den eroberten Gebieten in Europa und Asien eingesetzt (z. B. die Klasse S 160 in Frankreich), sondern auch an die Verbündeten (z. B. an Großbritannien und an die Sowjetunion) geliefert. Ein Teil der Lokomotiven wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg ausgeliefert.

Nach dem Krieg wurde speziell für den Einsatz bei den Streitkräften die Diesellokomotiven ALCO MRS-1 und EMD MRS-1 entworfen.

Literatur

  • Alfred B. Gottwaldt: Deutsche Kriegslokomotiven 1939 - 1945, Transpress, ISBN 3-344-71032-X
  • Alfred B. Gottwaldt: Deutsche Eisenbahnen im Zweiten Weltkrieg / Rüstung, Krieg und Eisenbahn (1939 - 1945), Kosmos, ISBN 3-440-05161-7

Einzelnachweise

  1. Märklin H0-Katalog 1988/89 S.12/13 Die Lok, die doch gebaut wurde
  2. Märklin Magazin 1/89 Borsigs Reichsbahn Mallet Entwurf.

Weblinks

Eine Zusammenstellung über das Projekt Baureihe 53


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