- Kugelblitz
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Als Kugelblitz bezeichnet man eine seltene, kugelförmige Leuchterscheinung meist in der Nähe eines Gewitters. Dem von Augenzeugen widersprüchlich beschriebenen Phänomen[1] – belastbare fotografische Belege gibt es nicht – kommen Modelle und Demonstrationsexperimente aus dem Bereich der Physik nur in Teilaspekten nahe.[2][3] Erklärungsversuche schließen Sinnestäuschungen ein.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Experten und Laien sammeln seit langem Augenzeugenberichte und werten sie aus. Stets treten die seltenen Erscheinungen plötzlich auf, im Freien und auch in geschlossenen Räumen, überwiegend in Bodennähe. Die Phänomene werden als schwebende, selbstleuchtende und undurchsichtige Lichtobjekte beschrieben. Sie strahlen keine Wärme ab und treten in zahlreichen Farben und Größen auf. Die Form wird als sphärisch (kugelförmig), eiförmig oder stabähnlich beschrieben.
Charakteristisch ist die Beweglichkeit dieser Erscheinungen. Innerhalb von zwei bis acht, maximal 30 Sekunden ändern sie oft ihre Richtung, offenbar nicht vom Wind getragen, sondern orientiert an sichtbaren Objekten. Dabei durchdringen sie auch feste Hindernisse unverändert und oft ohne Spuren zu hinterlassen, Regen fällt unbeeinflusst hindurch. Manche Zeugen berichten von Funkenschlag oder von einem Ende mit lautem Knall, der teilweise auch Verletzungen und Beschädigungen verursacht haben soll.
Manche Beschreibungen ähneln sehr stark denen von anderen Phänomenen wie zum Beispiel von UFOs oder Foo-Fightern. Eine weitere Gemeinsamkeit mit diesen Phänomenen: Fotos oder Filmaufnahmen zeigen etwas anderes oder sind gar bewusste Fälschungen.
Ursachen und Experimente
Stand der Forschung
Es wurde trotz Bemühungen von Experten verschiedener Fachrichtungen, wie Meteorologen, Elektrotechnikern, Physikern und Chemikern, kein Mechanismus gefunden, der die Beobachtungen zu vereinen weiß. Eine besondere Herausforderung ist, die für das anhaltende Leuchten notwendige Speicherung von Energie mit der Leichtigkeit der Bewegung zu verbinden. Auch sollte die Form der Energiezufuhr etwas mit Gewittern zu tun haben.
Experimente mit künstlich erzeugten Blitzen
Nikola Tesla hat als erster energiereiche künstliche Blitze erzeugt und berichtet in seinen Aufzeichnungen von Kugelblitzen in seinem Labor.[4] Spätere Experimentatoren haben aber mit Blitzen nichts erzeugen können, was besondere Ähnlichkeit mit dem laut Augenzeugenberichten erwarteten Verhalten hatte.
Silicium-Wolken
Eine im Jahr 2000 von John Abrahamson und James Dinniss in Neuseeland vorgestellte Hypothese postuliert, dass Kugelblitze nichtelektrischer Natur sind, jedoch durch Blitzeinschlag ins Erdreich entstehen. Dabei werde Siliciumdioxid (Sand, Kieselerde) in Silizium und Sauerstoff zerlegt. Während der Sauerstoff im Erdreich mit Kohlenstoff (organischem Material) reagiere, trete das Silizium als Dampf oder Aerosol aus dem Blitzkanal aus und werde durch Luftsauerstoff langsam oxidiert, wodurch es leuchtet. Die Siliciumpartikelwolke sei durch Selbstorganisation aufgrund ihrer Ladung in der Lage, eine kugelähnliche Form anzunehmen, und es sei daher auch möglich, dass sie sich nach Durchdringen einer kleinen Öffnung wieder zusammenfindet.[5]
Diese Hypothese wurde in Brasilien an der Universidade Federal de Pernambuco von Antônio Pavão und Gerson Paiva nachgeprüft, indem Siliciumplättchen elektrisch verdampft und die Silicium-Luft-Mischung per Funkenentladung entzündet wurde. Farbe, Temperatur und Lebensdauer (8 Sekunden) der tischtennisballgroßen Siliciumdampfbälle entsprachen dabei den Zeugenaussagen, soweit diese bei einem seltenen Kurzzeitphänomen exakt sind.[6][7] Ein wissenschaftlicher Bericht dazu ist 2007 in den Physical Review Letters erschienen.[8]
Einschlag in Wasserpfützen
Eine andere Hypothese stammt vom deutschen Plasmaphysiker Gerd Fußmann von der Berliner Humboldt-Universität. Er hat 2008 mit einem recht einfachen Versuchsaufbau eine Leuchterscheinung erzeugt, die den Beschreibungen eines Kugelblitzes ähnelt. Dabei füllte er ein Gefäß mit Wasser, setzte zwei Elektroden ein und legte für den Bruchteil einer Sekunde eine Spannung von 5 kV an. Für etwa eine halbe Sekunde entstand dabei ein Gebilde, das er als Kugelblitz deutete. Daraus schloss er, dass Kugelblitze in der Natur durch normale Blitzeinschläge in Wasserpfützen entstehen könnten.[9] [10]
Seine Arbeit basiert auf derjenigen, an der er im Jahre 2006 als Leiter der gemeinsamen Arbeitsgruppe Plasmaphysik des Garchinger Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) und der Berliner Humboldt-Universität (HUB) beteiligt war. Damals erzeugten die Wissenschaftler über einer Wasseroberfläche leuchtende, kugelblitzähnliche Plasmabälle, die Lebensdauern von knapp einer halben Sekunde und Durchmesser von 10 cm bis 20 cm besaßen. Dabei ragten in ein mit Salzwasser gefülltes Becherglas zwei Elektroden, wobei eine Elektrode durch ein Tonröhrchen, das etwas aus der Wasseroberfläche herausschaute, vom umgebenden Wasser isoliert war. Wurde über eine Kondensatorbatterie von 0,5 mF eine Hochspannung von 5 kV angelegt, so floss für 0,15 Sekunden ein bis zu 60 Ampere starker Strom durch das Wasser. Durch einen Überschlag vom Wasser aus gelangte der Strom in das Tonröhrchen, wobei das dort enthaltene Wasser verdampfte. Nach dem Stromimpuls zeigte sich ein leuchtendes Plasmoid aus ionisierten Wassermolekülen.[11]
Stehende Wellen und Maser
Eine wichtige Hypothese wurde 1955 vom russischen Physiker Pjotr Kapiza aufgestellt. Er rechnete die Lebensdauer einer nuklearen Explosionswolke auf die von Kugelblitzen angenommenen Dimensionen herunter und erhielt für einen Feuerball von 10 cm Durchmesser eine Lebensdauer von weniger als 10 Millisekunden. Da Kugelblitze meist mehrere Sekunden lang beobachtet werden, kam er zu dem Schluss, dass sie extern gespeist werden müssen und eine intern ablaufende Reaktion, gleich welcher Art, für den Energiebedarf nicht ausreicht. Darauf entwickelte er die Hypothese, dass sich während eines Gewitters stehende elektromagnetische Wellen zwischen Himmel und Erde ausbilden und an den Schwingungsbäuchen Kugelblitze entstehen.[12] Kapiza ging jedoch nicht auf die Problematik ein, dass es eine Reihe von Schwingungsbäuchen gibt (siehe Stehende Welle) und welche Bedingungen einen bestimmten Schwingungsbauch zum Kugelblitz werden lassen. Um einen Ort bevorzugter Energieabgabe zu bilden, muss das sich dort befindliche Gas im Vergleich zur Umgebungsluft zumindest schwach ionisiert (leitfähig) sein, und es ist unklar, wie sich eine solche Anfangsionisation ausbilden kann. Als theoretisches Beispiel sei eine heiße Luftblase genannt, denn die Ionisierung von Luft steigt mit der Temperatur an. Wenn eine solche Luftblase dadurch mehr Energie erhielte, führte das zu einem weiteren Anstieg der Temperatur und damit zu einem sich selbst aufschaukelnden Prozess.
Peter Handel hat die Hypothese mit dem Vorschlag eines atmosphärischen Masers ausgebaut. Wenn das Volumen eines Masers groß genug ist (mehrere Kubikkilometer), könnten durch alleiniges Pumpen (was bei kleinen Masern normalerweise zur sofortigen Dissipation der Energie führt) genügend Moleküle in einen angeregten Zustand versetzt werden. Handel hat gezeigt, dass es Solitonlösungen innerhalb des Masers gibt, das heißt, eine stabile stehende Welle im nichtlinearen Medium, deren Energie vom Maser eine Zeitlang aufrechterhalten wird.[13]
Die Entstehung und die Bewegung der Kugelblitze ist damit an den Ort der Energieabgabe gebunden, deshalb steigen sie im Gegensatz zum gewöhnlichen Plasma nicht auf und sind gegen Wind unempfindlich. Sofern Baustoffe von Gebäuden für Mikrowellen durchlässig sind, was zumeist der Fall ist, können Kugelblitze diese durchaus durchdringen.
Die von Ohtsuki und Ofuruton durchgeführten Experimente konnten dies bestätigen. Die Plasmabälle hatten vergleichbare Dimensionen und Lebensdauern, sie konnten sich gegen Wind bewegen und eine 3 cm dicke Keramikplatte durchdringen.
Elektromagnetischer Knoten
A. F. Ranada (Madrid) geht von einem topologischen Modell, einem sogenannten elektromagnetischen Knoten aus. Ein elektromagnetischer Knoten ist definiert als Vakuum-Lösung der Maxwellschen Gleichungen mit der Eigenschaft, dass alle elektrischen und magnetischen Feldlinien geschlossen sind. Entsprechend dieser Hypothese besteht das Volumen des Kugelblitzes nicht vollständig aus Plasma, sondern aus ineinanderhängenden Plasma-Schläuchen, die sich gegenseitig magnetisch und hydrodynamisch stabilisieren und Eigenschaften von etwa 10 s Lebensdauer sowie eine Netto-Abstrahlung von etwa 100 W bei einer Gesamtenergie von etwa 20 kJ ohne externe Energiezufuhr zulassen, wie durch entsprechende elektrodynamische Modellrechnungen auf der Grundlage der Alfvén- und Maxwellschen Gleichungen gezeigt werden konnte. Dabei werde der Hauptteil der Energie nicht durch das Plasma der Blitzentladung, sondern in Form der magnetischen Feldenergie gespeichert, wobei magnetische Flussdichten von 0,5 T bis 2 T angenommen werden.
Weitere physikalische Hypothesen
Es gibt viele weitere Hypothesen: Hochstromentladungen, bei denen kleine (< 1 cm) hüpfende Feuerbälle entstehen, die Bildung anderer zündfähiger Gase oder Aerosole (sogenannte diffusive Verbrennung) oder Zuhilfenahme esoterischer Energiequellen.
Unklar und unbewiesen bleibt bei allen geschilderten Experimenten, ob die erzeugten kugelförmigen Gebilde irgendetwas mit den von Augenzeugen beschriebenen Kugelblitzen zu tun haben.
Physiologische Erklärungsansätze
Es gibt Forscher, die der Meinung sind, die beobachteten Kugelblitze seien nur eine optische Täuschung. Wird das Auge kurzzeitig stark geblendet, so sieht man noch einige Sekunden einen Lichteffekt. Bewegt man die Augen, kann der Eindruck entstehen, eine Lichtkugel fliege durch den Raum. Dieser Annahme widersprechen häufige Berichte, dass Kugelblitze nicht überaus hell waren und für Lichteffekte untypisch lange beobachtbar waren.
Wissenschaftler der Universität Innsbruck vermuten, dass es sich bei den beschriebenen Kugelblitzen um vom Gehirn erzeugte Eindrücke (sogenannte Phosphene) handelt. Diese Halluzinationen sollen durch die elektromagnetischen Felder bei Blitzeinschlägen entstehen können, indem die Neuronen im Gehirn angeregt werden.[14]
Künstliche Effekte
Eindrucksvolle Effekte lassen sich mit einer etwas wirklichkeitsfremden permanenten Energiezufuhr durch Mikrowellen erzeugen. Besonders spektakuläre Vorführungen[15] gelangen japanischen Forschern: Sie kreuzten die Strahlen von leistungsstarken Magnetrons (2,45 GHz, 5 kW), um in freier Luft, abseits der Quellen, also scheinbar schwebend, eine elektrische Feldstärke zu erzeugen, die ausreichte, eine Gasentladung zu zünden. Dieser Plasmaball hatte eine passende Größe und Lichtemission und konnte scheinbar eine Keramikplatte durchdringen, ohne diese zu beschädigen. Tatsächlich durchdrangen lediglich die Mikrowellen die Platte und zündeten dahinter erneut eine Entladung. Das Plasma erlosch sofort nach Abschalten der Mikrowelle.[16]
Quellenangaben
- ↑ Beispiel in Rolf Froböse: Wenn Frösche vom Himmel fallen, Wiley-VCH, 2007, S. 43: [1]
- ↑ WDR-Sendung Quarks vom 30. Juni 2009 [2]
- ↑ http://www.newscientist.com/article/dn1720
- ↑ Nikola Tesla, Colorado Springs Notes, S. 368–370
- ↑ John Abrahamson, James Dinniss: Ball lightning caused by oxidation of nanoparticle networks from normal lightning strikes on soil, Nature 403, S. 519–521, 3. Februar 2000 Abstract. Siehe auch wissenschaft.de zur Hypothese von Abrahamson und Dinniss
- ↑ wissenschaft.de - Wie man Kugelblitze macht, zum experimentellen Nachweis von Siliciumdampfbällen, Wissenschaft.de 11. Januar 2007
- ↑ 3sat.de/nano - Künstliche Kugelblitze irrlichtern für Sekunden im Labor, Bildbericht, Nano TV, 3sat, 12. Januar 2007
- ↑ Production of ball-lightning-like luminous balls by electrical discharges in silicon, Paiva et al., Phys. Rev. Lett. 98(2007)048501.
- ↑ SPIEGEL Online: Feuerball aus der Pfütze, 11. August 2008
- ↑ WELT online: Geheimnisvolle Kugelblitze existieren wirklich, 12. August 2008
- ↑ ipp.mpg.de - Kugelblitze im Labor. Bericht der IPP-Arbeitsgruppe Plasmaphysik
- ↑ Kapitza, P. L.: On the nature of ball-lightning (Übersetzung aus dem Russischen). In: Collected Papers of Kapitza (Vol. 2). Pergamon Press, London 1965, S. 776–780
- ↑ P. H. Handel: Maser-Caviton Ball Lightning Mechanism, Proc. VIII Int. Conf. on Atmospheric Electricity, Institute of High Voltage Research, Uppsala University Press, Uppsala, Sweden, 1988, S. 177–182
- ↑ Peer, J. & Kendl, A. (2010): Transcranial stimulability of phosphenes by long lightning electromagnetic pulses. Physics Letters A, doi:10.1016/j.physletb.2003.10.071, Artikel derzeit im Druck.PDF
- ↑ Harald Pokieser, Manfred Christ: "UNIVERSUM: Die Waffen der Götter", ORF 1995, 50 Minuten.
- ↑ Y. H. Ohtsuki und H. Ofuruton: Plasma fireballs formed by microwave interference in air. In: Nature 350, 1991, S. 139–141
Literatur
- Max Toepler: Ueber die Abhängigkeit des Charakters elektrischer Dauerentladung in atmosphärischer Luft von der dem Entladungsraume continuirlich zugeführten Elektricitätsmenge, nebst einem Anhange zur Kenntnis der Kugelblitze, Annalen der Physik 307 (7), 1900, S. 560–635
- K. Berger: Kugelblitz und Blitzforschung, Naturwissenschaften 60 (11), 1973, S. 485–492, ISSN 0028-1042
- Mark Stenhoff: Ball Lightning: An Unsolved Problem in Atmospheric Physics, Springer, 1999.
- A. Kendl: Kugelblitze: ein Phänomen zwischen Physik und Folklore Skeptiker 14, 2/2001, S.65-69, ISSN 0936-9244
- U. Ebert: Kugelblitz ohne Plasma? Physik Journal 6, 2007, S. 18–19, ISSN 1617-9439
Weblinks
Wiktionary: Kugelblitz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenCommons: Kugelblitz – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- Brennender Sand? – Rätsel um Kugelblitze möglicherweise gelöst Telepolis
- Faktensammlung und Bilder zu Kugelblitzen von Alexander Keul
- Bibliographie wissenschaftlicher Literatur bis 1999
- Volker Mrasek: Luftfahrt-Sicherheit: Forscher legen Kugelblitzstatistik vor auf Spiegel Online vom 16. April 2009
- Neue These: Irrtümer des Sehzentrums im Gehirn auf wissenschaft.de vom 18. Mai 2010
- Kugelblitzen mit Experimenten auf der Spur auf WeltDerPhysik.de, 8. Juli 2008
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