Kundalini

Kundalini

Kundalini (Sanskrit, f., कुण्डलिनी, kuṇḍalinī, Shakti, eine Form der Devi, Kundalini-Schlange, Schlangenkraft) bezeichnet eine in tantrischen Schriften beschriebene ätherische Kraft im Menschen.

Inhaltsverzeichnis

Die Kundalini-Kraft

Nach der tantrischen Lehre wohnt in jedem Menschen eine Kraft, die Kundalini genannt wird [1]. Diese befindet sich ruhend am unteren Ende der Wirbelsäule und wird symbolisch als eine im untersten Chakra schlafende zusammengerollte Schlange (Sanskrit: kundala „gerollt, gewunden'“) dargestellt. Sie ist die der Materie nächststehende Kraft im Menschen. Durch yogische Praktiken kann sie erweckt werden und steigt dann auf, wobei die transformierenden Hauptenergiezentren oder Chakren durchstoßen werden (Satchakrabedha „Sechschakrendurchstechen“). Erreicht sie das oberste Chakra, vereinigt sie sich mit der kosmischen Seele und der Mensch erlangt höchstes Glück [2]. Erst hier vereinigt sie sich in ihrer transformierten Form mit den kosmisch-spirituellen Kräften. Da das Aufsteigen der Energie nach den klassischen Lehren auch Gefahren in sich birgt, sind eine gute Vorbereitung und ein innerer Reinigungsprozess entscheidend, weshalb viele Schulen zuerst das Herzzentrum entwickeln. In Begleitung eines Menschen, der die Kundalini-Kraft bewusst lenken kann, werden mögliche Begleiterscheinungen des Prozesses, wie Visionen oder Erfahrungen in der Astralwelt, verständlich. Es gibt immer wieder Fälle, die Tantriker als „spontanes Erwachen“ der Kundalini interpretieren [3]. Das einfachste Beispiel für spontanes Erwachen sind Fieberschübe, bei denen im Innern, entlang der Wirbelsäule große Wärme spürbar wird. Dieser Zustand wird mit Hören von Stimmen oder intensiven Visionen in Verbindung gebracht. Aus Sicht von Menschen, die an die Kundalini glauben, wäre es wünschenswert, Menschen mit diesen Symptomen, die sich in psychiatrische Behandlung begeben, auf eine Kundalini-Erfahrung hin zu prüfen und gegebenenfalls den richtigen Umgang mit dem Energiefluss zu lehren.

Auch einige Vertreter der frühen westlichen Psychologie beschäftigten sich mit dem Kundalini-Phänomen, allen voran der Schweizer Psychologe Carl Gustav Jung [4].

Der Kundalini-Prozess

Um diese „physopsychische“ ätherische Energie zu aktivieren, wurden mehrere Methoden entwickelt, wie Kundalini-Yoga. In einer ersten Stufe versucht der Adept Lebensweise, Ernährung, Verhalten und Charakter mittels Meditation und ähnlicher Praktiken zu schulen und zu reinigen, die je nach Tradition sehr unterschiedlich sein können. Manchmal kündet das Höhere Selbst mittels Träumen das Erwachen der Kundalini an [5]. Das Sich-Regen der zuvor schlafenden Kundalini führt zu erhöhter Körpertemperatur, die aber nicht mit hohem Fieber zu vergleichen ist. Einmal aktiviert, entwickelt der Kundalini-Prozess eine gewisse Eigendynamik, die zu steuern durch weiteres sorgfältiges Training gelernt werden muss. In der Regel hat der Prozess starke Auswirkungen auf die Befindlichkeit der betreffenden Person und kann selbst zu unangenehmen und unerwünschten Nebeneffekten führen.

Das Aufsteigen der Kundalini folgt in der Regel stufenweise und sie kann sich sogar wieder zurückziehen, wird das dritte Energiezentrum in der Nabelgegend nicht erreicht. Nur selten steigt sie bis zum Kronenchakra, wo sich nach tantrischer Auffassung das „reine Bewusstsein“ (bzw. Shiva) befindet. Dann beginnt nach Auffassung einiger Richtungen der eigentliche Kundaliniprozess, der als ein Wechsel von aufsteigendem, warmen und absteigendem, kühlen Energiefluss beschrieben wird.

Die verschiedensten Yoga-Richtungen befassen sich mit dem Thema Kundalini. Die meisten Yoga-Asanas dienen allerdings nicht direkt der Erweckung der Kundalini. Manche Yoga-Schulen beschäftigen sich ausdrücklich mit der Kundalini und wollen mit ihren Übungen den Körper auf den heiklen Prozess der emporsteigenden Kundalini vorbereiten. Dabei wird darauf geachtet, dass die Chakren gereinigt und „durchlässig“ werden, damit die Kundalini ungehindert aufsteigen kann.

Beispiele verschiedener Yoga-Richtungen

Beim Kundalini-Yoga ist schon am Namen der starke Bezug auf die Kundalini-Kraft erkennbar. Wie beim Yoga insgesamt gibt es auch innerhalb des Kundalini-Yoga wiederum unterschiedliche Schulen oder Richtungen.
Typisch für die Yoga-Praxis der von Yogi Bhajan im Westen bekannt gemachten Richtung sind körperlich fordernde Übungen mit schnellen Bewegungsabläufen, kombiniert mit Ruhephasen und Meditation.
Auch im Kriya Yoga werden bestimmte Übungen zur Erweckung und Chakras und die sogenannten Kriyas (Reinigungsübungen) gelehrt. Sie sollen der Vorbereitung des Körpers und der systematischen Erweckung der Kundalini dienen.

Im Sahaja Yoga soll die Kundalini spontan und sanft erweckt werden. Im Gegensatz zu den beschriebenen schmerzhaften Erfahrungen, soll die Erweckung der Kundalini hier als freudvolles Gefühl und in Form von spürbaren kühlen Vibrationen auf den Händen und über dem Kopf erfahren werden.

Begleiterscheinungen

Als Begleiterscheinung der aufsteigenden Kundalini werden körperliche Auswirkungen beschrieben, die durch den heftigen Energiefluss verursacht werden sollen. Zu ihnen gehören Hitzewallungen, d.h. ein Gefühl anflutender Wärme, Kälteschübe, Zuckungen (unwillkürliches Schütteln, Zittern, plötzliche Nickbewegungen des Kopfes), chronische und zeitweilige Schmerzen im ganzen Körper, die sich diagnostisch schwer erfassen lassen, Stechen (wie ein Biss) im großen Zeh und am ganzen Leib, Taubheitsgefühl der Hände und Füße, Schwankungen des Sexualtriebs, plötzliche Lautäußerungen (Lachen, Weinen), ekstatische Glückseligkeit, innere Bilder und Visionen [6].

Das körperliche Symptom der „Erhitzung“ wird von einigen Schulen des tibetischen Buddhismus durch bestimmte Techniken gezielt hervorgerufen. Eine klassische Methode, das Tummo, besteht darin, im Winter in Eiswasser getränkte Wolldecken auf dem nackten Körper zu trocknen. Auf diese Weise soll die Beherrschung der Körpertemperatur unter extremen Bedingungen geübt werden.

Siehe auch

Literatur

  • Gopi Krishna: Kundalini - Erweckung der geistigen Kraft im Menschen, 1983, ISBN 3-502-62364-3
  • Laue, Thorsten: Kundalini Yoga, Yogi Tee und das Wassermannzeitalter. Religionswissenschaftliche Einblicke in die Healthy, Happy, Holy Organization (3HO) des Yogi Bhajan, Münster: LIT, 2007. ISBN 3825801403
  • Reinelt, Dr. Joachim: Das große Kundalini Buch, 2006, ISBN 3-89427-315-1
  • Sir John Woodroffe: The Serpent Power, Madras: Ganesh & Co., 1978

Quellen

  1. B. K. S. Iyengar: Licht auf Yoga; Barth Verlag (2005). ISBN 3-502-61166-1
  2. Arthur Avalon/Sir John Woodroffe: The Serpent Power (1918)
  3. Sivananda Radha (Swami): Kundalini-Yoga im Alltag, Darmstadt (2006); ISBN 3-89767-501-3
  4. Carl Gustav Jung: Die Psychologie des Kundalini-Yoga, Übersetzung aus dem Englischen. Zürich 1998. ISBN 3-530-40684-8
  5. Swami Sivananda Radha: Kundalini-Yoga im Alltag, Darmstadt (2006); ISBN 3-89767-501-3
  6. Bonnie Greenwell: Kundalini; Lübbe Verlag (1998); ISBN 3-7857-0915-3

Weblinks


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