Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord

Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord
Von links nach rechts: Kurt von Hammerstein- Equord, Prinz Oskar von Preußen, Otto Hasse, Erich Raeder bei der Enthüllung eines Denkmals vor dem Haupteingang zum Neuen Friedhof in Potsdam für im Ersten Weltkrieg gefallenen Sanitäter.

Kurt Gebhard Adolf Philipp Freiherr von Hammerstein-Equord (* 26. September 1878 in Hinrichshagen, Mecklenburg-Strelitz; † 24. April 1943 in Berlin) war ein deutscher General, Ehrenritter des Johanniterordens und gehörte zum weiteren Kreis des militärischen Widerstands gegen Adolf Hitler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Auszeichnungen

Hammerstein-Equord entstammte altem Adel, der bereits einige bekannte Offiziere hervorgebracht hatte. Seine Eltern waren der Großherzoglich Mecklenburg-Strelitzische Oberförster Heino Hammerstein und Ida von Gustedt. Nach seiner schulischen Ausbildung trat Hammerstein-Equord mit zehn Jahren (1888) in das Kadettenkorps in Plön ein und kam über die Hauptkadettenanstalt Lichterfelde (Eintritt 1893) zum 3. Garde-Regiment zu Fuß, wo er am 15. März 1898 zum Secondelieutenant befördert wurde.

In dieser Einheit diente zu dieser Zeit auch der spätere Reichskanzler Kurt von Schleicher (1882–1934), und die beiden Männer standen sich bald sehr freundschaftlich gegenüber. In diesem Zeitraum heiratete Hammerstein Maria, die Tochter des Generals Walther von Lüttwitz (1859–1942). Aus der gemischt konfessionellen Ehe sollten vier Töchter (Marie Luise, Maria Therese, Hildur, Helga) und drei Söhne (Kunrat, Ludwig und Franz) hervorgehen. Von 1905 bis 1907 war er in Kassel eingesetzt. Von 1907 bis 1910 besuchte Hammerstein die Preußische Kriegsakademie und wurde 1911 in der Aufmarschabteilung des Großen Generalstabes eingesetzt. 1909 war er zum Oberleutnant befördert worden. 1913 diente er als Hauptmann im Generalstab[1]. Während des Ersten Weltkriegs (1914–1918) diente er zuerst als Adjutant des Generalquartiermeisters und danach als Generalstabsoffizier in verschiedenen Truppenteilen (1915 Ia im Generalstab des VIII.Reservekorps, 1916 im Großen Generalstab, 1918 Ia im Generalstab der Generalkommandos[1]). Dabei verfasste er 1914 die ersten Heeresberichte aus dem Großen Hauptquartier. Zwischenzeitlich (1914) führte er eine Kompanie in Flandern und wurde in dieser Funktion mit dem Eisernem Kreuz ausgezeichnet. 1917 wurde er zum Major befördert.[1]

In der Weimarer Republik wurde Hammerstein in die Reichswehr übernommen. 1919 diente er im Generalstab des Korps Lüttwitz. 1920 wurde er zum Oberstleutnant befördert. Im selben Jahr wurde er Chef des Stabes des Gruppenkommandos II in Kassel.[1] Er übernahm 1922 eine Stelle als Bataillonskommandeur im Raum München. Im Jahre 1924 erfolgte seine Versetzung zum Stab des Wehrkreis III (Berlin). Nach einer kurzen Verwendung im Gruppenkommando I (1929) wurde er am 1. Oktober 1929 als Generalleutnant zum Chef des Truppenamtes ernannt. Das Truppenamt fungierte als Nachfolger des von den Alliierten im Versailler Vertrag verbotenen Großen Generalstabs. In dieser Funktion erarbeitete er taktische Konzepte für die Reichswehr, die bei einem gegnerischen Angriff eine hinhaltende Verteidigung vorsahen, bis der Völkerbund eingreifen würde. Im Jahre 1930 entstand unter seiner Leitung der erste theoretische Mobilmachungsplan seit 1923, der die Verdreifachung der sieben Infanterie-Divisionen auf 21 vorsah.

Als der Chef der Heeresleitung, Generaloberst Wilhelm Heye, altershalber aus dem Amt schied, setzten Staatssekretär Kurt von Schleicher und Reichswehrminister Wilhelm Groener mit Unterstützung von Reichskanzler Heinrich Brüning die Ernennung Hammersteins zu seinem Nachfolger durch. Am 1. November 1930 trat er unter gleichzeitiger Beförderung zum General der Infanterie diesen neuen Posten an. Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers war es Hammersteins Ziel, eine politisch unabhängige Reichswehr zu erhalten. Schon Anfang Februar 1933 versuchte Hitler bei einem Zusammentreffen zwischen ihm und höchsten Vertretern der Reichswehr im Hause Hammersteins, die Generalität von seinen Plänen zu überzeugen. Später schrieb Hitler, bei dieser Gelegenheit habe er das Gefühl gehabt, gegen eine Wand zu reden. Hammersteins Position wurde immer schwieriger, da inzwischen General Werner von Blomberg als neuer Reichswehrminister immer wieder in die Belange der Heeresleitung eingriff. Unter Blomberg wurden die Truppen der Reichswehr systematisch mit nationalsozialistischem Gedankengut indoktriniert. Hammerstein fand keine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, schließlich resignierte er: Am 27. Dezember 1933 reichte er sein Entlassungsgesuch ein und wurde am 1. Februar 1934 durch Generalleutnant Werner Freiherr von Fritsch abgelöst. Er schied damit im Rang eines Generalobersten aus der Reichswehr aus. In die Zeit der Führung des Heeres durch Hammerstein fiel 1930 die Organisation des ersten Aufrüstungsprogramms der Reichswehr, das die Aufstellung von mindestens 42 Divisionen vorsah. Ebenfalls wurde er schon 1933 von Blomberg damit beauftragt, Pläne für die Wiedereinführung der Wehrpflicht zu erstellen, die allerdings erst 1935 umgesetzt wurden.

Nach seinem Ausscheiden verhängte General von Blomberg einen inoffiziellen Boykott über Hammerstein: Kein Abteilungschef des Reichswehrministeriums durfte ihn besuchen, ohne Gefahr zu laufen, Repressalien zu erleiden. Hammerstein hielt sich in den folgenden Jahren aus der Politik heraus, knüpfte allerdings Kontakte zum militärischen Widerstand gegen Hitler innerhalb der Wehrmacht. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Hammerstein reaktiviert. Während der Großteil der Wehrmacht im Polenfeldzug gebunden war, kommandierte er seit dem 9. September 1939 die Armeeabteilung A an der deutschen Westgrenze, die den Auftrag hatte, einen Vorstoß der West-Alliierten auf das Reichsgebiet zu verhindern. Die alliierte Offensive blieb aus, und schon am 24. September wurde Hammerstein wieder in den Ruhestand versetzt. Es gibt Spekulationen, Hammerstein habe während dieser Zeit einen Anschlag auf Hitler vorbereitet, der bei einem Frontbesuch stattfinden sollte. Der Besuch Hitlers entfiel jedoch. Diese Spekulationen beruhen ausschließlich auf der sehr widersprüchlichen Aussage eines einzigen britischen Agenten, der diese später in einem Buch veröffentlichte. Über Nikolaus Christoph von Halem blieb Hammerstein-Equord trotzdem mit dem Widerstand in Verbindung, bis er am 24. April 1943 in Berlin an Krebs starb. Die Beisetzung fand auf dem Familienfriedhof im niedersächsischen Steinhorst statt. Die Beisetzung auf dem Invalidenfriedhof lehnte die Familie ab, da dies bedeutet hätte, dass der Sarg mit der Reichskriegsflagge mit dem Hakenkreuz bedeckt worden wäre. Hitler ließ einen Kranz mit Schleife zusenden, der jedoch von den Angehörigen versehentlich in der U-Bahn „vergessen“ wurde.[1] Zwei seiner Söhne, Kunrat und Ludwig, waren jedoch am 20. Juli 1944 aktiv am Putschversuch gegen Adolf Hitler beteiligt.

Hammerstein-Equord im Urteil der Historiker

Von den meisten Zeitgenossen wurde Hammerstein als kluger und begabter Generalstäbler beschrieben, der jedoch auf seine Mitmenschen skeptisch, spöttisch, kühl und überlegen wirkte. Er machte keinen Hehl daraus, dass ihn das Militärisch-Handwerkliche wenig interessierte, was nicht bedeutete, dass er nicht talentiert war. Einem Adjutanten erklärte er seinen Führungsstil einmal so:

„Machen Sie sich frei von Kleinarbeit. Dazu halten Sie sich einige wenige kluge Leute. Lassen Sie sich aber viel Zeit, sich Gedanken zu machen und sich vor sich selbst ganz klar zu werden. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Gedanken ausgeführt werden. Nur so können Sie richtig führen.[1]

Und zur Beurteilung der ihm unterstellten Offiziere meinte er:

„Ich unterscheide vier Arten. Es gibt kluge, fleißige, dumme und faule Offiziere. Meist treffen zwei Eigenschaften zusammen. Die einen sind klug und fleißig, die müssen in den Generalstab. Die nächsten sind dumm und faul; sie machen in jeder Armee 90% aus und sind für Routineaufgaben geeignet. Wer klug ist und gleichzeitig faul, qualifiziert sich für die höchsten Führungsaufgaben, denn er bringt die geistige Klarheit und die Nervenstärke für schwere Entscheidungen mit. Hüten muss man sich vor dem, der gleichzeitig dumm und fleißig ist; dem darf man keine Verantwortung übertragen, denn er wird immer nur Unheil anrichten.[1]

In politischer Hinsicht war er ein Gegner aller radikalen Richtungen. Dies brachte ihn schon früh in Gegensatz zum Nationalsozialismus, dessen entschiedener Gegner er wurde. Schon anlässlich des nationalsozialistischen Putschversuches im Jahre 1923 äußerte er: „In München ist ein Gefreiter Hitler verrückt geworden.“ Sogar nach der „Machtergreifung“ sprach er vor fremden Offizieren während der Herbstmanöver im Jahre 1933 von den Nationalsozialisten als „Verbrecherbande und Schweinigels“. Gerade diese Einstellung war es, die Groener und Brüning 1930 veranlasst hatte, ihn zum Chef der Heeresleitung zu ernennen. Angeblich wollte Hammerstein auch sofort nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler seinen Abschied einreichen, wovon ihn sein Freund Kurt von Schleicher jedoch abhielt. Er hätte in der Folgezeit ein Gegengewicht zur pro-nationalsozialistischen Reichswehrspitze (Werner von Blomberg und Walter von Reichenau) bilden können, aber dies geschah nicht. Die von vielen Zeitzeugen beschriebene Bequemlichkeit und das mangelnde Interesse an organisatorischer Tätigkeit ließen Hammerstein passiv bleiben. Auf diese Art isolierte er sich mehr und mehr und konnte seine Position bald nicht mehr behaupten.

Weblinks

Literatur

  • Walter Görlitz: Geschichte des deutschen Generalstabs von 1650–1945. Augsburg 1997.
  • Ludwig von Hammerstein-Equord: Kurt von Hammerstein-Equord. (ungedrucktes Manuskript).
  • Klaus-Jürgen Müller: Das Heer und Hitler. Stuttgart 1969.
  • Reinhard Müller: Hitlers Rede vor der Reichswehrführung 1933. Eine neue Moskauer Überlieferung, in: Mittelweg 36, 10. Jg., 2001, H.1, S. 73-90.
  • Reinhard von Plessen: Über das Widerstehen – Hammerstein – Eine Familie gegen den Nationalsozialismus. In: Information für die Truppe. 7 (Juli 1994), S.40–47.
  • Rainer Wohlfeil: Reichswehr und Politik 1918–1933. Deutsche Militärgeschichte VI München 1983.
  • Hans Magnus Enzensberger: Hammerstein oder der Eigensinn. Eine deutsche Geschichte. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2008. ISBN 978-3-518-41960-1

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Enzensberger: Hammerstein oder der Eigensinn.

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