- Annales Bertiniani
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Als Annalen von St. Bertin (Annales Bertiniani) bezeichnet die Forschung seit dem 19. Jahrhundert ein Geschichtswerk, das im 9. Jahrhundert im westfränkischen Reich als Fortsetzung der sogenannten karolingischen Reichsannalen entstanden ist. Berichtet wird über den Zeitraum zwischen 741 und 882; die Annalen gelten als die wichtigste Quelle für die Zeit der westfränkischen Herrscher Karl des Kahlen, Ludwig des Stammlers, Ludwig III. und Karlmann.
Die Benennung nach dem Kloster St. Bertin geht auf die älteste erhaltene Handschrift zurück, die aus dem 10. oder 11. Jahrhundert stammt. Vielleicht noch älter ist eine Reimser Abschrift, die allerdings nur durch eine späte Kopie des 17. Jahrhunderts bekannt ist.
Unterschieden werden können drei Teile. Der erste umfasst den Berichtszeitraum zwischen 741 und 835. Die Darstellung der Jahre bis 829 ist im Wesentlichen eine Kopie der Reichsannalen mit einigen Ergänzungen; erst ab 830 berichtet der Verfasser eigenständig. Der Erzkaplan Fulko, Abt des Klosters Saint-Hilaire-de-Poitiers, dürfte der Initiator dieses Teils gewesen sein.
Im zweiten Teil wird über die Ereignisse zwischen 835 und 861 berichtet. Geschrieben wurde er von Prudentius, einem von der iberischen Halbinsel stammenden Geistlichen, der unter Ludwig dem Frommen Kapellan war und Mitte der vierziger Jahre des 9. Jahrhunderts zum Bischof von Troyes erhoben wurde. Aufgrund seiner Stellung hatte Prudentius gute Kenntnisse über die Vorgänge am Königshof und bietet daher aufschlussreiche Einsichten über die Politik dieser Zeit.
Der dritte Teil umfasst die Jahre zwischen 861 und 882. Sein Verfasser ist der Erzbischof Hinkmar von Reims. Hinkmar war spätestens nach dem Tod Karls des Kahlen (877) die führende politische Figur im Westfrankenreich und verfügte über umfangreiche Informationen über die politischen Ereignisse seiner Gegenwart. Dies macht seine ausführlichen Berichte zu einer vorzüglichen Quelle. Übersehen werden darf allerdings nicht, dass die Darstellung stark von Hinkmars persönlichen Urteilen geprägt ist.
Edition
- Annales de Saint-Bertin, hrsg. v. Félix Grat/Jeanne Vielliard/Suzanne Clémencet (mit Einführung von Léon Levillain), Paris 1964.
- Annales Bertiniani. In: Monumenta Germaniae Historica, Scriptores (in Folio) 1: Annales et chronica aevi Carolini. Herausgegeben von Georg Heinrich Pertz u. a. Hannover 1826, S. 419–515 (Digitalisat).
- Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 5: Annales Bertiniani. Herausgegeben von Georg Waitz. Hannover 1883 (Digitalisat).
Übersetzung
- Annales Bertiniani/Jahrbücher von St. Bertin, in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Teil 2, neu bearb. v. Reinhold Rau (Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 6), Darmstadt 1969, S. 11-287 (lateinisch/deutsch, ab 830).
- The Annals of St-Bertin (Ninth-Century Histories, Vol. 1), Manchester-New York 1991 (englisch).
Literatur
- Wilhelm Wattenbach/Wilhelm Levison, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger, 5. Heft, bearb. v. Heinz Löwe, Weimar 1953, S. 1501f., 520.
- Jan Prelog: Annalen v. St-Bertin, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München-Zürich 1980, Sp. 661.
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