Le canard enchaine

Le canard enchaine
Le Canard enchaîné
Beschreibung satirische französische Wochenzeitung
Verlag SA Les Editions Maréchal-Le Canard Enchaîné
Erstausgabe 10. September 1915
Erscheinungsweise wöchentlich mittwochs
Auflage
(Handelsblatt, 20. Sept. 2006, S. 12)
420.000 Exemplare
Chefredakteur Claude Angeli und Érik Emptaz
Herausgeber Michel Gaillard
Weblink lecanardenchaine.fr

Le Canard enchaîné ist die bedeutendste satirische Wochenzeitung Frankreichs. Sie erscheint mittwochs in einer Auflage von über 400.000 Exemplaren. 1915 gegründet, betreibt der 'Canard' seriösen investigativen Journalismus in einem in Europa einmaligen Stil[1].

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Zeitung wurde am 10. September 1915 von Maurice Maréchal, Jeanne Maréchal und Henri-Paul Deyvaux-Gassier gegründet. Georges Clemenceau benannte seine Zeitung L'Homme libre (der freie Mensch) nach Problemen mit der staatlichen Zensur in L'Homme enchaîné (der angekettete Mensch) um. In Anlehnung daran wurde der Name Le Canard enchaîné, „Die angekettete Ente“ gewählt. „Canard“ (Ente) ist in der französischen Sprache ein umgangssprachlicher Ausdruck für „Zeitung“ und hat nichts mit dem deutschen Begriff „Zeitungsente“ zu tun. Gegen die Zensur bedient sich das Blatt subtiler Paraden, wie etwa dem Dementi, von dem der Leser weiß, dass es das genaue Gegenteil aussagt. Das ist angesichts der pazifistischen Linie des Blattes notwendig, kann jedoch nicht immer verhindern, dass Artikelpassagen zensiert werden und weiß bleiben.

Bekannte Künstler wie Anatole France, Jean Galtier-Boissière, Paul Vaillant-Couturier, Raymond Radiguet[2], Tristan Bernard, Jean Cocteau, Pierre Mac Orlan, Lucien Descaves ou Roland Dorgelès zählen zu den Autoren.

Während der deutschen Besetzung Frankreichs im zweiten Weltkrieg erschien der Canard nicht. Sein erneutes Erscheinen am 6.September 1944 kurz nach dem Ende der Schlacht um Paris erlebt der 1942 verstorbene Gründer, Maurice Maréchal, nicht mehr. Seine Witwe, Jeanne Maréchal, übernimmt die Leitung der Zeitung.

Während des Algerienkriegs tritt die Zeitung für die Unabhängigkeit ein. Mehrere Ausgaben des Jahres 1958 werden daraufhin von der Zensur verboten.

Der Canard bezieht seine Informationen zum großen Teil von anonymen Informanten, die in Ministerien, Verwaltungen, bei der Armee oder in Chefetagen der Unternehmen arbeiten.[3]

Im Rahmen der Rechtschreibreform ist die Orthographie „enchainé“ auch möglich und von der Académie Française empfohlen. Die Zeitung ändert ihren Namen jedoch nicht.

Redaktionelle Linie

« La liberté de la presse ne s'use que quand on ne s'en sert pas  »

„Die Pressefreiheit verschleißt nur, wenn man sie nicht nutzt.“

Das Motto des Canard.

Antimilitaristisch, eher links und antiklerikal deckt das Blatt zahlreiche politische, juristische und Wirtschafts-Skandale auf. Es verfügt über ein weitverzweigtes Netz von Informanten, die oft direkt am Geschehen beteiligt sind und - beispielsweise aus moralischer Entrüstung - den Canard mit Material versorgen. Auch Journalisten, die eine Geschichte in der eigenen Redaktion nicht unterbringen können, finden hier ein offenes Ohr.

Unabhängigkeit

Der Canard erscheint zweifarbig (rot und schwarz) in Form einer achtseitigen, großformatigen Zeitung. Die dadurch relativ geringen Druckkosten ermöglichen bei einem Preis am Kiosk von 1,20 € (in Frankreich, 2,30 € in Deutschland) auf Werbung seit der Gründung vollständig zu verzichten. Dennoch ist die Zeitung finanziell erfolgreich: 1982 wurde auf Fotosatz und 1996 auf Ganzseitenumbruch umgestellt. Die Auflagenzahl der Zeitung entwickelt sich entgegen dem Trend auf dem französischen Markt positiv. 2005 stieg die Auflage um sechs Prozent auf 420 000. Damit konnte Le Canard enchaîné einen Nettogewinn von 5,9 Millionen Euro erwirtschaften.[4]

Um die redaktionelle Unabhängigkeit darüber hinaus sicherzustellen, gibt es einige Regeln für die Journalisten: Sie dürfen kein Börsen-Portefeuille besitzen, nicht als freie Mitarbeiter bei anderen Veröffentlichungen arbeiten und weder Geschenke noch Orden annehmen. So wurde z.B. der Journalist Pierre Scize 1933 entlassen, weil er einen Orden der Ehrenlegion angenommen hatte. Die Bilanz des Unternehmens, das im Besitz der Gründerfamilie und der Redaktion ist, wird jedes Jahr in der letzten August-Ausgabe veröffentlicht. Seit einem gescheiterten Übernahmeversuch durch das größte französische Medienkonsortium Hachette 1953 verfügen der Verlag und seine Mitarbeiter über 1 000 Aktien, die laut Redaktionsstatut unveräußerlich sind, um die redaktionelle Unabhängigkeit wahren zu können.[5]

Affären

Der Canard hat eine ganze Reihe von Skandalen aufgedeckt, hier nur eine kleine Auswahl:

  • Am 3. Dezember 1973 stellten zwei Canard-Mitarbeiter mehrere Beamte des Inlandsgeheimdienstes Direction de la surveillance du territoire (DST) die, als Klempner verkleidet, Abhörgeräte auf der Baustelle des neuen Redaktionsgebäude anbrachten. Der daraus entstandene Skandal veranlasste eine Kabinettsumbildung, nach der sich der verantwortliche Innenminister Raymond Marcellin als Landwirtschaftsminister wiederfand.
  • Insgesamt acht Affären Jacques Chiracs während seiner Bürgermeisterzeit in Paris (fiktive Arbeitsplätze im Rathaus, Finanzierung des RPR, HLM de Paris...) gingen nie vor Gericht, da Chirac sich als Staatspräsident auf seine immunité présidentielle berief.
  • Le Canard enchaîné war maßgeblich daran beteiligt, die Nazi-Vergangenheit des früheren Pariser Polizeichefs Maurice Papon aufzuklären.
  • Le Canard enchaîné enthüllte die Affäre um das luxuriöse, aus der Staatskasse bezahlte, Appartement des Finanzministers Hervé Gaymard, der daraufhin 2005 zurücktrat.
  • Im Februar 2007 enthüllte der Canard die dubiosen Umstände des Appartmentkaufs von Nicolas Sarkozy.

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. Laurent Martin, « Pourquoi lit-on Le Canard enchaîné », Vingtième Siècle. Revue d'histoire, vol 68(2000), p. 52. Vorlage:Lire en ligne
  2. Sein Erstlingswerk Galanterie française erschien im Canard enchaîné vom 6.Mai 1918 unter dem Pseudonym Rajky.
  3. „Heißer Draht zum Elysée. Frankreich und die Pressefreiheit“, Deutschlandfunk, 31. Mai 2008
  4. Handelsblatt, 20. Sept. 2006, S. 12
  5. „Tagebuch der Carla B., imaginär“, FAZ, 8. Juli 2008

ISSN: 0008-5405


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