Legale Marxisten

Legale Marxisten

Als Legale Marxisten wurden in Russland gegen Ende des 19. Jahrhunderts (1894-1899/1901) sozialwissenschaftliche Publizisten bezeichnet, die aus dem Marxismus ableiteten, dass Russland eine allmähliche kapitalistische Entwicklung bevorstehe. Da sie die Bewegung der Volkstümler ablehnten und tendenziell reformistisch orientiert waren, revolutionäre Marxisten sich im Exil befanden, und keine Bindung zu größeren Teilen der Bevölkerung bestand, wurde ihnen kurzzeitig die legale Veröffentlichung bestimmter marxistisch-argumentierender Werke im Zarismus ermöglicht, um die oppositionelle Bewegung der Volkstümler, die ebenfalls zum Teil von marxistischen Ideen beeinflusst war, zu schwächen. Tony Cliff schreibt diesbezüglich:

„Schon während der 1880er Jahre riet ein Agent der Geheimpolizei seine Vorgesetzten dazu, den Aufbau der marxistischen Kräfte als Gegenstück zu den gefährlicheren Volkstümlern zu erlauben. Da die meisten marxistischen Schriften irgendwie die Volkstümelei in Mißkredit brachten, vermuteten die Beamten, sie würden dabei helfen, die wichtigere Ideologie des Widerstands auszurotten. Von den Marxisten selbst erwartete die Regierung keine Probleme. In typischer Weise äußerte ein Polizeioberst aus Nishni-Nowgorod die Meinung, daß sie „zur Zeit nicht gefährlich sind“; und ein Petersburger Staatsanwalt betrachtete sie als „bislang bloß Theoretiker“.“[1]

Als bekanntester Vertreter der legalen Marxisten gilt Peter Struve. Seine Schrift „Kritische Notizen über die ökonomische Entwicklung Rußlands“ beinhaltete neben einer Kritik der Volkstümelei auch eine Rechtfertigung des Kapitalismus in Russland. Später neigten die legalen Marxisten politisch dem Liberalismus zu und lehnten die Machtergreifung Lenins im Oktober 1917 als kulturell und sozialökonomisch verfrüht ab.

Andere Marxisten in der Legalitätsphase

In den Jahrbüchern, Sammelbänden u.ä. der legalen Marxisten veröffentlichten anfangs auch Plechanow und Lenin, bis eigene Publikationen durch die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands entstanden. Lenin war aus dem Exil heraus ebenfalls die Veröffentlichung seines umfassenden Werkes „Die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland“ (1899) möglich. Lenin grenzte sich schon zu dieser Zeit ausdrücklich von anderen legal veröffentlichenden Texten die marxistische Theorien aufgriffen, ab. Bei Plechanov sind hingegen Sympathien mit bestimmten Standpunkten der legalen Marxisten ausmachbar.[1]

Werke während der legalen Phase in Russland von 1894-99

Einzelnachweise

  1. a b Tony Cliff: Lenin 1. Aufbau der Partei (1975).

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Liste marxistischer Theoretiker — Diese Liste marxistischer Theoretiker soll dazu dienen, Personen, die sich durch die Veröffentlichung bedeutender Schriften intensiv mit dem Marxismus befassten und ihn weiterentwickelten, nach ihren Hauptinteressengebieten sowie nach Strömungen… …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte des Marxismus — Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen und Entstehung 2 Marx und Engels 3 Marxismus in der deutschen Sozialdemokratie 4 Marxismus in der Sowjetunion …   Deutsch Wikipedia

  • Legaler Marxismus — Als Legale Marxisten wurden in Russland gegen Ende des 19. Jahrhunderts sozialwissenschaftliche Publizisten bezeichnet, die aus dem Marxismus ableiteten, dass Russland eine allmähliche kapitalistische Entwicklung bevorstehe. Deshalb lehnten sie… …   Deutsch Wikipedia

  • Ökonomisten — Die Ökonomisten waren eine Teilgruppe in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR), die vor allem ökonomisch gewerkschaftlichen Ziele betonte. Seit den 1890er Jahren bildeten sich neben den Kommunisten, wie sie Lenin oder… …   Deutsch Wikipedia

  • Kommunistische Partei — Hammer und Sichel auf rotem Grund – Symbol Kommunistischer Parteien Eine Kommunistische Partei (KP) ist eine politische Partei, die den Kommunismus (die klassenlose Gesellschaft) als Gesellschaftsordnung anstrebt. Die erste kommunistische Partei… …   Deutsch Wikipedia

  • Anarchismus — Das A im Kreis: Ein oft benutztes anarchistisches Symbol Anarchismus (abgeleitet von altgriech. ἀναρχία anarchia ‚Herrschaftslosigkeit‘; Derivation aus α privativum und ἀρχή arche ‚Herrschaft‘) …   Deutsch Wikipedia

  • Estado Nuevo — Als Franquismus (span. franquismo [fraŋˈkismo], dt. auch Franco Regime und Franco Diktatur) bezeichnet man das System und die ideologische Untermauerung der autoritären Diktatur Francisco Francos in Spanien von 1936 bis zu den ersten freien… …   Deutsch Wikipedia

  • Franco-Diktatur — Als Franquismus (span. franquismo [fraŋˈkismo], dt. auch Franco Regime und Franco Diktatur) bezeichnet man das System und die ideologische Untermauerung der autoritären Diktatur Francisco Francos in Spanien von 1936 bis zu den ersten freien… …   Deutsch Wikipedia

  • Franco-Herrschaft — Als Franquismus (span. franquismo [fraŋˈkismo], dt. auch Franco Regime und Franco Diktatur) bezeichnet man das System und die ideologische Untermauerung der autoritären Diktatur Francisco Francos in Spanien von 1936 bis zu den ersten freien… …   Deutsch Wikipedia

  • Franco-Regime — Als Franquismus (span. franquismo [fraŋˈkismo], dt. auch Franco Regime und Franco Diktatur) bezeichnet man das System und die ideologische Untermauerung der autoritären Diktatur Francisco Francos in Spanien von 1936 bis zu den ersten freien… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”