Leichenstein

Leichenstein
Antiker christlicher Grabstein (Rom, 3. Jahrhundert)

Grabsteine (veraltet: Leichenstein) sind bearbeitete, meistens beschriftete massive Natursteine, die auf Friedhöfen in der Regel am Kopfende eines Grabes freistehend aufgestellt sind. Dabei gehört meistens je ein Grabstein zu einem Grab. Grabsteine dienen in den meisten Kulturen und allen großen Religionen zum Totengedenken sowie zur oberirdischen Kennzeichnung einer Grabstelle.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In der Antike legte man vor den griechischen, griechisch-römischen und römischen Städten ganze Gräberstraßen an (Athen, Pompeji, Via Appia bei Rom), die neben kleinen Baulichkeiten, Tempeln und Monumenten mit zahlreichen Grabsteinen (Stelen) besetzt waren. Römische Grabsteine mit Inschriften und Reliefdarstellungen fanden sich überall dort, wohin sich die römische Herrschaft und Kolonisation erstreckte.

Die Christen übernahmen die römische Sitte, Grabsteine und Steinsarkophage vor den Toren zu errichten. Mit der aus der Reliquientranslation in die Kirchengebäude einhergehenden Suche nach dem fürbittenden Beistand der Heiligen daselbst entwickelte sich der Brauch, den geistlichen und weltlichen Adel, später auch wohlhabende, um die Kirche verdiente Bürger in Gewölben unter dem Fußboden der Kirchen, Kapellen und Kreuzgänge zu bestatten. Als äußeres Zeichen des Bestattungsortes wurden oberhalb des Fußbodens Grabplatten mit Inschriften und den Reliefbildnissen der Verstorbenen eingelassen. Diese Grabplatten wurden entweder aus Marmor, Sand- und Kalkstein, Granit, Schiefer etc. oder aus Metall (Messing, Bronze) gefertigt. Als der Fußboden der Kirchen nicht mehr ausreichte, befestigte man die Grabplatten an den Wänden und Pfeilern der Kirchenschiffe und Kapellen aufrecht. Später richtete man auch die in den Fußboden eingelassenen Grabplatten auf, um sie vor der Zerstörung durch Fußtritte zu schützen.

Die weniger bevorzugten Gemeindemitglieder bestattete man außerhalb der Kirche, aber in unmittelbar an dieselbe grenzendem Terrain (Kirchhof), wo man ihnen ebenfalls Grabsteine errichtete, die oft an den Kirchenmauern befestigt wurden.

Grabsteine in verschiedenen Kulturen

Bei Gräbern in christlichen Kulturen werden der Name des Verstorbenen und das Geburts- und Todesdatum (oder nur das Jahr) angegeben. Grabsteine werden oft mit biblischer Ornamentik, im evangelischen Raum auch mit Bibelsprüchen versehen, was auf Luthers Äußerung zurückgeht:

Wenn man auch sonst die Gräber wollte ehren, wäre es fein, an die Wände, wo sie da sind, Sprüche aus der Schrift darüber zu malen oder zu schreiben, dass sie vor Augen wären, denen, so zur Leiche oder au den Kirchhof gingen.[1]

In einigen Ländern sind auch Bilder der Verstorbenen üblich.

Osmanischer Grabstein (Istanbul, 19. Jahrhundert)
Unkonventioneller Grabstein im Friedhofspark der Freireligiösen Gemeinde in Berlin, Prenzlauer Berg

Jüdische Grabsteine heißen Mazewa und sind oft mit Symbolen versehen (zum Beispiel segnende Hände, Schofar), die auf die Bedeutung des Toten im Leben hinweisen sollen. Oft ist die Inschrift auf einer Seite hebräisch, auf der anderen in der Landessprache. Es ist üblich, dass die Hinterbliebenen bei einem Besuch des Grabes einen Kieselstein auf den Grabstein des Toten legen.

Im Islam kann ein Grab ein Jahr nach der Beisetzung mit einem Grabstein versehen werden, der nur den Namen des Verstorbenen und einen Koranvers tragen darf.

In Japan wird üblicherweise der Grabstein mit Grab der Familie xy beschriftet, die einzelnen beigesetzten Familienmitglieder werden, wenn überhaupt, nur auf der Rückseite aufgelistet. Die Familienzugehörigkeit wird patrilinear bestimmt. Bräuche und Pflege variieren, jedoch besuchen viele Familienangehörige die Gräber ihrer Familie zum Anlass des Obon-Festes.

Gestaltungsvorschriften

Größe und Aussehen von Grabsteinen unterliegen in Deutschland der jeweiligen Friedhofsordnung. Grabsteine werden aus Natursteinen aus aller Welt hergestellt.

Die Grundformen der Grabsteine sind:

  • Breitstein (meist für Doppelgrabstellen): Breite des Steins zirka 1,20 m und mehr, Höhe unterschiedlich ab 1,00 m
  • Reihenstein (meist für Einzelgrabstellen): Breite des Steins zirka 0,80 m, Höhe ab 0,80 m
  • Stele (meist Einzelgrabstellen) Als Grabstein gibt es menschenkörperhaft aufrecht gestellte Grabsteine, die Stele genannt werden
  • Urnenstein (Einzelgrabstelle oder Sammelgräber): Steinhöhe meist unter 0,60 m und quaderförmig
  • Kissenstein oder Liegestein (meist für Einzelgrabstellen): rechteckige bis quadratische Form (Größe variabel zirka 0,50 x 0,50 m), zirka 0,15 bis 0,20 m hoch

Daneben gibt es Grabsteine auf Grabfeldern auf Friedhöfen, sog. Gestaltungsfelder, in die Grabsteine aufgestellt werden können, die frei nach den Vorstellungen der Hinterbliebenen gestaltet sind. Zu einem Sonderfall der Grabsteinformen zählen die Grabplatten, die in Kolumbarien verbaut werden.

Die Friedhofsordnungen liegen in der Gestaltungshoheit von Kommunen oder Kirchen. Die Vorschriften befassen sich unter anderem mit der Farbe und Oberflächenbearbeitung des Grabsteins, mit eingravierten Schriftbuchstaben oder aufgesetzten Buchstaben aus Bronze oder Aluminium usw..

Grabsteine, die höher als 0,50 m sind, werden in regelmäßigen Zeitabständen zur Sicherung der Verkehrssicherheit einem Standfestigkeitstest unterzogen.

Herkunft von Grabsteinen und Kinderarbeit

Ein erheblicher Anteil (zwischen einem Drittel und zwei Dritteln[2]) der in Deutschland verwendeten Grabsteine und der zur Grabmalherstellung benutzten Steinblöcke wird aus Indien importiert. Mit einem Anteil von etwa einem Drittel an der Gesamtausfuhr ist Deutschland der größte Abnehmer indischer Grabmale. Die aus Indien stammenden Grabsteine werden häufig mit Hilfe von Kinderarbeit hergestellt, die gegen das Übereinkommen 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verstößt. Exakte Angaben über die Anzahl der in indischen Steinbrüchen arbeitenden Kinder liegen nicht vor, die indische Regierung geht jedoch allein für die Provinz Rajasthan von etwa 300.000 Kindern aus, von denen 60% in Schuldknechtschaft stünden[3].

Verschiedene Kommunen und Gemeinden in Deutschland änderten nach Kenntnis dieser Umstände ihre Friedhofssatzungen. In ihnen werden Grabsteine nur zugelassen, wenn sie unabhängig als nicht aus Kinderarbeit stammend zertifiziert sind. Solche Zertifizierung werden z.B. von der 2005 unter Beteiligung von Misereor gegründete Organisation XertifiX und von der Unternehmensberatung WiN=WiN – Agentur für globale Verantwortung durch das Siegel Fair Stone vergeben. Einige Steinproduzenten und Importeure weisen Berichte über Kinderarbeit als falsch zurück. Sie strengten mehrere Klagen gegen die Organisation XertifiX und die Stadt München an.

Bilder

Andere Bedeutungen

In der Schweiz ist Grabstein eine sehr gebräuchliche, umgangssprachliche Bezeichnung für die militärische Erkennungsmarke.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. WA 35, 479ff.
  2. Herkunft von Natursteinen, http://www.xertifix.de/naturstein/herkunft.shtml
  3. Government of India, Ministry of Labour and Employment: Report of the national commission on labour, Chapter VII: Unorganised sector, http://labour.nic.in/lcomm2/2nlc-pdfs/Chap-7finalA.pdf

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