Leon Ashkenasi

Leon Ashkenasi

Léon Yehouda Ashkénasi (* 1922 in Oran; † 1996 in Jerusalem), in Frankreich unter dem Spitznamen Manitou bekannt, war ein französischer Rabbiner. Er war eine der zentralen Persönlichkeiten des französischen Judentums nach dem zweiten Weltkrieg. Er hat in Frankreich die jüdische Philosophie, insbesondere das Gedankengut der Kabbala, wiederbelebt und gemeinsam mit Persönlichkeiten wie André Neher und Emmanuel Levinas zu neuer Blüte geführt.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Kindheit und Jugend in Algerien

Léon Ashkénasi ist eines von acht Kindern der Familie des letzten großen Stadtrabbiners von Oran. Seine Mutter entstammt einem angesehenen Familienreihe von sephardischen Rabbinern. Seine Kindheit unter dem Einfluss mehrerer Kulturen beschreibt er als glücklich. Er sieht sich als „algerischer Franzose jüdischer Religion“ („Français d'Algérie de religion juive“), „hebräisch betend, arabisch singend, französisch sprechend“. Seine Schulausbildung absolviert er an der französischen Schule. Die Familie lebt in einem jüdischen Stadtteil, der im Gegensatz zu den Judenvierteln in Marokko oder Tunesien jedoch nach außen offen ist. Antisemitismus ist für die Familie kein Anlass zu Besorgnis.

Der Krieg erschüttert diese scheinbar natürliche Ordnung der Dinge. Das Vichy-Regime erlässt Ausnahmegesetze gegen die Juden, die auch in Algerien gelten. Aus algerischen Franzosen jüdischer Religion werden nun einheimische algerische Juden. Diese Gesetze bleiben selbst nach dem Einmarsch der Alliierten in Algerien im Jahre 1942 in Kraft, weil sich die Alliierten zunächst auf die örtlichen Führungskader des Vichy-Regimes stützen. Die Mitglieder der Familie des Rabbiners, darunter Léon, finden sich an prominenter Stelle auf einer von Vertretern der örtlichen Verwaltung erstellten Liste möglicher Geiseln wieder. Erst mit dem Erscheinen von Charles de Gaulle in Algerien werden 1943 die Juden wieder in ihre früheren Bürgerrechte zurück versetzt.

1940 tritt Léon Ashkénasi der EEIF (Éclaireuses éclaireurs israélites de France - israelitische Kundschafterinnen und Kundschafter in Frankreich) bei, einer Bewegung, die sich im gleichen Jahr der Résistance anschließt. 1943 tritt er als Militärgeistlicher in die Fremdenlegion ein. Mit den afrikanisch-französischen Truppen nimmt er ab 1944 an den Befreiungskämpfen in Frankreich teil und wird 1945, wenige Wochen vor dem Sieg über Deutschland, verwundet.

In jener Zeit sieht er sich zum ersten Mal konfrontiert mit offener Ablehnung aus politisch begründetem Antisemitismus seiner französischen Landsleute. Er beginnt, sich der Besonderheit des Judentums, mit der Möglichkeit eines Lebens in der Diaspora und mit dem Zionismus zu beschäftigen, setzt seine Ideen jedoch zunächst noch nicht in die Tat um.

Nachkriegsjahre in Frankreich

Einem Aufruf von Robert Gamzon, genannt Castor, folgend, gründet Léon Ashkénasi mit gemeinsam mit ihm und einigen anderen Anführern der EEIF in Orsay eine Schule. Diese nennen sie école des cadres Gilbert Bloch (Kaderschule Gilbert Bloch), nach einem 1944 gefallenen jüdischen Résistance-Kämpfer. Ziele dieser Schule sind die Neubegründung des jüdischen Lebens in Frankreich sowie die Ausbildung von Führungskräften für die öffentliche Verwaltung. Eine große Zahl integrer Führungskräfte war während der deutschen Besatzung ermordet worden. Die Schule will dazu beitragen, diesen Verlust wettzumachen.

Er lernt dort seine spätere Frau Esther, genannt Bambi, kennen, eine Überlebende der Shoah. Er orientiert sich an den Lehren von Jacob Gordin, einem russisch-jüdischen Philosophen im Exil, und lässt sich von ihm in die tradierten Lehren der Aschkenasim einweisen. Von letzterem erhält er seinen Spitznamen Manitou. Obwohl Jacob Gordin bereits 1947 stirbt, hat er einen starken Einfluss darauf, dass Léon Ashkénasi an der École Gilbert Bloch bleibt und lehrt.

Als Robert Gamzon 1949 nach Israel auswandert, wird Léon Ashkénasi Leiter der Schule. Er wird Präsident der UEJF, Union des étudiants juifs de France (Vereinigung jüdischer Studenten in Frankreich). Von 1954 bis 1955 ist er Generalkommissar des EEIF. Er schließt seine Studien der Philosophie am Musée de l'Homme mit einem Diplom ab.

Er profiliert sich als Protagonist eines wiederbelebten, spezifisch jüdischen religiös-kulturellen Lebens. Den Versuch der Assimilation sieht er als gescheitert an, wendet sich gegen ein liberales Judentum, „verwässert von zwei Jahrhunderten Haskalah“ („affadi par deux siècles de Haskalah“), gegen das Reform-Judentum des Consistoire, und gegen den Rationalismus an den Universitäten, „der zwischen Gelehrtheit und Weisheit nicht unterscheidet und an die Dinge, von denen er spricht, nicht mehr glauben kann“ („qui confondant érudition et sagesse, ne sait plus croire aux choses dont il parle“). Gleichzeitig kritisiert er jedoch auch die Erstarrung im orthodoxen Judentum. Er engagiert sich im jüdisch-christlichen Dialog, lehnt jedoch die Idee einer Vermischung der beiden Glaubensrichtungen, einen judéo-christianisme, ab. Statt dessen betont er, dass das Judentum stolz auf seine Traditionen und Ursprünge sein kann und sich nicht vor anderen Weltanschauungen rechtfertigen muss.

Er betrachtet sich als „Rabbiner, der an den Hochschulen lehrt“ („rabbin qui enseigne aux universitaires“). 1957 präsentiert er der Weltvereinigung jüdischer Studenten eine Arbeit mit dem Titel l'héritage du judaïsme et l'université (Das Erbe des Judentums und die Universität). Darin kritisiert er sowohl die Universitäten als ungeeignet, eine sowohl moderne und als auch ihrer Traditionen bewusste jüdische Lehre zu vermitteln. In den folgenden Jahren veranstaltet er eine Reihe von Konferenzen in der gesamten französisch sprechenden Welt, um dem abzuhelfen. Er gründet eine Reihe von Studienzentren, unter ihnen das Centre universitaire d'études juives (Universitäres Zentrum für jüdische Studien).

Leben in Israel

1968, kurz nach dem Sechstagekrieg, wandert er nach Israel aus. Dort widmet er sich dem Studium der Lehren der Rabbiner Zvi Kook und Shlomo Ashlag. Er gründet die jüdischen Studienzentren Mayanot und Yaïr, die hauptsächlich von französisch sprechenden Juden in Israel besucht werden.

Er arbeitet in zahlreichen Regierungsgremien und anderen Vereinigungen, die sich der Ausbildung und den Beziehungen zu den außerhalb Israels lebenden Juden widmen. Er wirkt bei der Annäherung zwischen Israel und Kamerun mit und widmet sich in der Folge den Beziehungen mit weiteren afrikanischen Staaten.

Werk und Veröffentlichungen

In der französisch sprechenden Welt ist Léon Ashkénasi über seinen Tod hinaus als jüdischer Philosoph eine prominente Persönlichkeit, während er außerhalb dieser Sphäre kaum bekannt ist. Er ist vor allen Dingen als Redner hervorgetreten, es wurden jedoch auch einige Bücher mit Texten von ihm veröffentlicht:

  • Marcel Goldman (Herausgeber): La parole et l'écrit, (Die Rede und die Schrift) Sammlung von Artikeln von Léon Ashkénasi, Édition Albin Michel
    • Band 1: Penser la tradition juive aujourd'hui (Die jüdische Tradition in der heutigen Zeit denken.) , ISBN 2-226-10844-0
    • Band 2: Penser la vie juive aujourd'hui (Das jüdische Leben in der heutigen Zeit denken.), ISBN 2-226-15433-7
  • Michel Koginsky (Herausgeber): Un Hébreu d'origine juive. Hommage au rav Yéhouda Léon Askénazi, Manitou (Ein Hebräer jüdischen Ursprungs. Hommage an den Rabbi Yéhouda Léon Askénazi, Manitou), Textsammlung, Éditions Omaya, 1998
  • Ki Mitsion, Jerusalem, Fondation Manitou, 1997
    • Band 1 - Notes sur la Paracha
    • Band 2 - Moadim

Weblinks


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