Mosès

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Stéphane Mosès (* 1931 in Berlin; † 1. Dezember 2007 in Paris) war ein israelisch-französischer Literaturwissenschaftler.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Stéphane Mosès' Elternhaus gehört zum literarisch gebildeten jüdischen Bürgertum. Sein Großvater mütterlicherseits ist der Schriftsteller Heinrich Kurzig. 1937 flieht die Familie aus dem nationalsozialistischen Deutschland in das damals von Frankreich beherrschte Marokko. Die Familie integriert sich in die gehobene französische Gesellschaft. Mosès erhält ein Stipendium, absolviert die École Normale Supérieure und wird 1954 Dozent für deutsche Sprache und Literatur.

Ende der 1950er Jahre entwickelt sich unter den Juden in Frankreich ein verstärktes Interesse für die jüdische religiös-kulturelle Tradition. Unter dem Einfluss von Intellektuellen wie dem Philosophen Léon Ashkénasi und dem mit ihm befreundeten Biologen Henri Atlan entwickelt auch Stéphane Mosès ein starkes Interesse dafür. Er beschäftigt sich mit den bis dahin fast in Vergessenheit geratenen deutsch-jüdischen Philosophen Hermann Cohen, Martin Buber und Franz Rosenzweig. Ihnen widmet er seine Habilitationsschrift.

1961 wird er Meisterassistent (maître-assistent) für deutsche Sprache und Literatur an der Sorbonne, wechselt jedoch im gleichen Jahr als Hochschullehrer an die neu gegründete Universität von Nanterre. In den 1960er Jahren leitet er die Schule Gilbert-Bloch. In jener Zeit entwickelt sich die auch unter dem Namen Êcole d'Orsay bekannte Schule zu einem Schmelztiegel des kulturellen Lebens innerhalb der jüdischen Gemeinschaft in Frankreich. Dort lernt er auch seine Frau, die Malerin Liliane Klapisch, kennen. Aus der Ehe mit ihr gehen drei Kinder hervor.

1969, unter dem Eindruck des Sechs-Tage-Krieges, zieht die Familie nach Israel um. 1977 begründet Stéphane Mosès an der Hebräischen Universität Jerusalem den Lehrstuhl für Germanistik. Ebenfalls an der Hebräischen Universität gründet er 1990 das jüdisch-deutsche Forschungszentrum Franz Rosenzweig.

Nach seiner Emeritierung 1997 kehrt er nach Paris zurück und setzt dort seine Arbeit fort. In seinen letzten Lebensjahren ist er auch in Deutschland aktiv. 2004 erhält er die Ehrendoktorwürde der Universität Tübingen. Seine letzte große öffentliche Arbeit ist die Leitung der angesehenen jährlichen Étienne-Gilson-Konferenzen am katholischen Institut Paris 2006 und 2007.

Lebenswerk

Stéphane Mosès hat einen maßgeblichen Anteil daran, die deutsch-jüdische literarische Tradition, die durch den Nationalsozialismus abgebrochen wurde, ins Interesse der Öffentlichkeit zu rücken, insbesondere der französischen Öffentlichkeit. Mit seinem Werk L'Ange de l'histoire machte er den Philosophen Franz Rosenzweig in Frankreich bekannt. Auch an die Philosophen Walter Benjamin und Gershom Scholem und an die Dichter Franz Kafka und Paul Celan führte er das französische Publikum durch seine Studien heran.

Wichtige Veröffentlichungen

  • Une Affinité littéraire, Le Titan de Jean-Paul et Le Docteur Faustus de Thomas Mann (Eine literarische Verwandtschaft: Der Titan von Jean-Paul und der Doktor Faustus von Thomas Mann), Paris, Klincksieck, 1972.
  • Système et Révélation. La philosophie de Franz Rosenzweig (System und Offenbarung. Die Philosophie von Franz Rosenzweig), Paris, Éditions du Seuil, 1982.
  • Übersetzung von Franz Rosenzweigs Werk Der Stern der Erlösung ins Französische
    Französischer Titel: L'Étoile de la rédemption, Paris, Éditions du Seuil, 1982
  • Eros und Gesetz : neue Wege der jüdischen Hermeneutik, Rombach Verlag, Freiburg im Breisgau, 2001, ISBN 3-7930-9276-3
  • L'Ange de l'Histoire : Rosenzweig, Benjamin, Scholem (Der Engel der Geschichte. Rosenzweig, Benjamin, Scholem), Paris, Éditions du Seuil, 1992; Gallimard, 2006.
    Deutsche Ausgabe bei Jüdischer Verlag, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-633-54088-1.
  • Un Retour au Judaïsme (Zurück zum Judaismus) Paris, Seuil, ISBN 2020820935
  • Exégèse d'une légende : Lectures De Kafka (Exegese einer Legende: Vorlesungen über Kafka) Edition de l'Eclat, 2006, ISBN 2841621359
  • L’Éros et la Loi. Lectures bibliques, Paris, Éditions du Seuil, 1999, ISBN 978-2020245890
    • Spanische Übersetzung: El Eros y la Ley, Buenos Aires/Madrid, Katz editores S.A., 2007, ISBN 9788496859012)

Quelle

Nicolas Weill: Stéphane Mosès, Le Monde, 13. Dezember 2007, S. 23

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