Letten (Volk)

Letten (Volk)

Die Letten (Eigenbezeichnung: Latvieši) sind ein baltisches Volk. Sie sprechen die lettische Sprache der westlichen baltischen Sprachgruppe und sind zu zwei Dritteln Protestanten und zu gut einem Viertel Katholiken (Stamm der Lettgallen). Sie bilden mit nur 57,7 % der Bevölkerung das Staatsvolk des heutigen Lettlands, die nächstgrößere Bevölkerungsgruppe in Lettland sind die Russen mit 29,6 % (Volkszählung 2000).

Geschichte

Die baltischen Stämme der Lettgallen, Semgallen, Selen und die Kuren kamen im 1. Jahrhundert von Süden her über die Düna hinaus in die heutigen Gebiete der Letten. Sie wurden aber durch die Liven von der Küste des Rigaschen Meerbusen getrennt. Bereits zwischen 1400 und 1600 gingen Semgallen, Selen und Kuren in Letten und Litauer auf.

Albert von Buxhoeveden, Bischof von Livland und Bremer Domherr begann 1199 mit Hilfe des Schwertbrüderordens (später Deutschen Ordens) die Kolonisation des Gebietes. 1201 gründete er Riga. Die baltische Bevölkerung kam für 700 Jahre unter deutsche Vorherrschaft. 1561/62 konnte der livländische Ordensstaat dem russischen Druck nicht mehr standhalten und Ordensmeister Gotthard Kettler sicherte das Ordensland als polnisches Lehen (Herzogtum Kurland und Semgallen), während das überdünische Livland unmittelbar an Polen-Litauen ging. Von 1621 bis 1710 herrschten die Schweden über den größten Teil des Gebietes. Als die Livländische Ritterschaft sich Zar Peter dem Großen unterwerfen musste, sicherten die Verträge dem Land eine Sonderstellung im Russischen Reich zu. Unter ähnlichen Bedingungen unterwarf sich auch das Herzogtum Kurland Zarin Katharina II. im Jahr 1795. Das katholisch gebliebene Lettgallen war bereits durch die erste Teilung Polens an Russland gefallen, bis heute lebt dort die katholische Minderheit der Suiti.

Bis in das 19. Jahrhundert hinein lebten die Letten auf dem Land zumeist als Leibeigene deutsch-baltischer Rittergutsbesitzer. In den Städten dominierten die Deutschen. Erst durch die schrittweise Befreiung durch Agrarreformen und Bauernlandverkauf änderte sich die Situation ab der Mitte des 19. Jahrhundert. Es entstand eine kleine Schicht lettischer Großbauern. Mit der Industrialisierung wuchsen die Hafenstädte Riga und Libau und die Letten stellten nun auch in den Städten die Bevölkerungsmehrheit. Es entstanden ein lettisches Proletariat, ein lettischer Mittelstand und ein kleines lettisches Bildungsbürgertum, von dem erste Anzeichen eines nationalen Erwachens kam. Unter Zar Alexander III. kam es ab 1881 zu einer gezielten Russifizierung der baltischen Provinzen. Gegen diesen doppelten Druck durch Deutsch-Balten und Russen revoltierten die Letten 1905. Ende des Jahres waren Gutsbesitzer und russisches Militär nahezu vollständig vom flachen Land vertrieben. Die Lettische Revolution zielte auf die administrative Vereinigung der lettischen Gebiete, Einführung der Lettischen Sprache als Verwaltungs- und Schulsprache und Autonomie. Mit dem Sturz des Zaren 1917 wurden diese Forderungen wieder laut. Ein erster Erfolg war die Anerkennung eines demokratisch gewählten Landrats durch die russische provisorische Regierung. Jedoch war Kurland seit 1915 durch deutsche Truppen besetzt. 1918 rief ein lettischer Volksrat die unabhängige Republik Lettland aus, die sich in langwierigen Kämpfen auch gegen die erste Lettische Sowjetrepublik durchsetzen konnte. 1920 wurde Frieden mit der Sowjetunion und Deutschland geschlossen. 1934 kam ein faschistisches System an die Macht, dass unter dem Spruch „Lettland den Letten“ sich vor allem gegen die jüdische (1935: 4,8 % der Bevölkerung) und deutsche Minderheit (1935: 3,2 %) richtete.

Durch den Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt wurde Lettland der sowjetischen Interessensphäre zugeschlagen und 1940 von den Sowjets annektiert. 1941 bis 1944/45 besetzten die Deutschen Lettland. Über 150.000 Letten wurden von Stalin deportiert. Für gigantische Industrieunternehmen wanderten russische Arbeitskräfte ein. 1970 war der Anteil der lettischen Bevölkerung in Riga kleiner als der russische Anteil. Der Widerstand wuchs. 1988 wurde die Volksfront Lettlands (Latvijas Tautas Fronte) gegründet. Im Juli 1989 erklärte sich Lettland erneut für souverän, am 4. Mai 1990 wurde die unabhängige Republik Lettland wieder hergestellt und im August 1991 von der Sowjetunion anerkannt.

Siehe auch

Geschichte Lettlands


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