Liebigs Sammelbilder

Liebigs Sammelbilder
Italienisches Liebigbild um 1900

Liebigbilder sind Sammelbilder, beigefügt zu den Produktpackungen von Liebigs Fleischextrakt. Der Fleischextrakt wurde nach dem deutschen Chemiker Justus von Liebig (1803–1873) benannt.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Neben wesentlich bedeutenderen Entdeckungen hatte Liebig 1847 durch Eindampfen von Rindfleisch den Fleischextrakt entwickelt. Eine von dem Deutsch-Brasilianer Heinrich Georg Giebert 1862 in Antwerpen unter dem Namen Fray Bentos Compagnie Giebert gegründete Gesellschaft stellte den Extrakt ab 1864 in Fray Bentos in Uruguay industriell her. 1865 wurde die Firma in Liebig Extract of Meat Co., Ltd umbenannt und der Hauptsitz nach London verlagert. Mit geschickter Werbung, die teilweise die Strategien heutiger Markenartikelwerbung vorwegnahm, erlebte sie einen schnellen Aufstieg zur marktbeherrschenden Weltfirma. Justus von Liebig und seine Erben konnten daraus kaum einen Nutzen ziehen, denn er besaß nur 100 Aktien und das Recht, das Produkt auf gleichbleibende Qualität zu überprüfen.

Entstehungsgeschichte

Die ersten Liebigbilder erschienen um 1875 in Paris, als die Liebig Extract dort ein eigenes Werbebüro einrichtete. Ihre direkten Vorläufer sind sogenannte Stuhlbilder (ab 1874), kleine bunt bedruckte Quittungskärtchen mit dezentem Werbeaufdruck, die man erhielt, wenn man in den Pariser Parks einen gepachteten Stuhl oder eine Bank benutzte. Die frühesten Liebigbilder wurden zwar als Serien zu 3, 4, 5, 6, 8, 10, 12 und in einem Fall zu 24 Bildern gedruckt, aber zumeist einzeln abgegeben. Die geschlossene Abgabe ganzer Serien begann vermutlich ab 1880. Nun bestand eine Serie fast immer aus 6 Bildern im Format 105 bis 110 x 70 mm. Bis etwa 1930 durfte der weiße gläserne Extrakttopf mit dem Schriftzug Liebigs auf den Bildern nicht fehlen.

Sammlungen

Französisches Liebigbild von 1884

Unterstützt von eigens dafür angebotenen Sammelalben setzte um 1890 das systematische Sammeln der Bilder ein und führte hauptsächlich in den folgenden 20 Jahren zu einer fast epidemischen Sammelleidenschaft. Es gab erste Kataloge, spezielle Zeitschriften und Händler. Seltene Serien wurden mit bis zu 300 Goldmark bezahlt, es gab sogar Fälschungen. Viele Firmen ahmten die Art der Werbung der Liebig Company nach (auch hinsichtlich Themen, Format usw.) Weil Fleischextrakt relativ teuer war, wurden Liebigbilder seinerzeit vorwiegend vom städtischen Bürgertum, seltener von Arbeitern oder der Landbevölkerung gesammelt. Die Werbung mit den Bildern funktionierte hervorragend, wenn es auch zeitweilig für die Firma problematisch war, dass das Werbemittel, das von den Kaufleuten nach Belieben abgegeben wurde, begehrter war als das Produkt selbst.

Bis zum Ersten Weltkrieg wurden die Bilder als Chromolithografien gedruckt, anfangs ausschließlich in Pariser Druckereien, ab etwa 1885 mehr und mehr in deutschen. Später setzten sich unterschiedliche Offsetdruckverfahren durch. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bilder überwiegend in Italien gedruckt. Nur wenige der entwerfenden Künstler sind namentlich bekannt. Auch über die vermutlich hohen Auflagen weiß man nichts.

Darstellungen

Deutsches Liebigbild (1910)
oben: Zitadelle Bala Hissar; unten Chaiber-Pass

Künstlerisch anspruchsvoll waren die Liebigbilder nicht. Nur von wenigen Bildern sind die - oft fest angestellten - Graphiker bekannt, keine der Darstellungen ist signiert. In der ersten Zeit enthielten die Bilder humoristische Einzeldarstellungen mit kindlichen Motiven. Die Serien brachten dann zusammengehörige Bilder zu einer großen Vielfalt von Themen (von „Afghanistan“ bis „Zwölf Arbeiten des Herkules“). Ab 1900 gab es erklärende Texte auf den Rückseiten, die mit der Zeit kompaktes Wissen in enzyklopädischer Form vermittelten. Die einfache Art der Wissensvermittlung, die Farbenpracht, die hohe Wertschätzung und die lange Aufbewahrungsdauer führten dazu, dass die Bilder zur Schulbuch-Ergänzung wurden und das Weltbild vieler junger Menschen vermutlich in beträchtlichem Maße prägten.

Da viele Liebigbilder in mehreren Ländern und Sprachen erschienen, waren sie im Allgemeinen politisch und konfessionell neutral. Im Vergleich zu anderen Sammelbildern findet man fast keine nationalistischen Motive (erst ab 1933 einige Serien, die nur in Deutschland verteilt wurden). Im Zeitraum von etwa 100 Jahren sind 1870 Serien mit etwa 11500 Bildern in 12 Sprachen ausgegeben worden. In Deutschland wurde die Abgabe 1940 eingestellt, in Belgien 1962 und in Italien 1975.

Literatur

  • Der Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen (Hrsg.): Justus Liebig (1803–1873). Seine Zeit und unsere Zeit Ausstellungskatalog. Gießen 2003, S. 55–58, ISBN 3-9808949-1-6
  • Hartmut L Köberich: Reklame- und Sammelbilder. Katalog mit Bewertung der Sammelalben und Liebigbilder aus der Zeit 1872–1945. Lumdatal Verlag, Rabenau 2003, ISBN 978-3-9802680-3-5
  • Christa Pieske, Konrad Vanja u. a.: Das ABC des Luxuspapiers. Herstellung, Verarbeitung und Gebrauch 1860–1930. Ausstellungskatalog. Museum für Deutsche Volkskunde, Berlin 1983. S. 232–236, ISBN 3-88609-123-6
  • Detlef Lorenz: Reklamekunst um 1900. Künstlerlexikon für Sammelbilder. Reimer, Berlin 2000, ISBN 3-496-01220-X
  • Bernd Jussen (Hrsg.): Liebig’s Sammelbilder. Vollständige Ausgabe der Serien 1 bis 1138. Berlin, 2002 (Atlas historischen Bildwissens 1) (Sämtliche deutschsprachigen Bilderserien auf zwei CD-ROM), ISBN 3-936122-15-6

Weblinks


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