Liga der Nationen

Liga der Nationen

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Mitgliedstaaten (grün) und neutrale Beobachter (hellgrün) des Völkerbundes
Amtssprachen Englisch, Französisch, Spanisch
Generalsekretäre James Eric Drummond (1920–1933), Joseph Avenol (1933–1940), Seán Lester (1940–1946)
Mitgliedstaaten 58
Gründung 10. Januar 1920
Sitz Genf (Schweiz)
Auflösung 18. April 1946
Gustav Stresemann auf dem Weg zur Völkerbundtagung in Lugano 1928

Der Völkerbund (französisch: Société des Nations, englisch: League of Nations) war eine Internationale Organisation mit Sitz in Genf (Schweiz). Er nahm am 10. Januar 1920, kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges, seine Arbeit auf, um den Frieden dauerhaft zu sichern und wurde am 18. April 1946 in Paris, kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges, wieder aufgelöst.

Der Ausdruck „Völkerrecht als Bund in einer Staatengemeinschaft“ wurde erstmals von Hugo Grotius und Immanuel Kant benutzt.

Aufgrund seines Tagungs- und Sitzortes erhielt der Völkerbund auch den Namen Genfer Liga. Er gilt als indirekter, zeitgeschichtlicher Vorläufer der Vereinten Nationen (UNO).

Der Völkerbund sollte sowohl die internationale Kooperation fördern, in Konfliktfällen vermitteln, als auch die Einhaltung von Friedensverträgen überwachen. Im Gegensatz zur UNO enthielt seine Satzung eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, im Falle eines kriegerischen Aktes eines Staates gegen einen Mitgliedstaat sofort und direkt, d. h. ohne vorherigen Beschluss eines Gremiums, dem betroffenen Staat militärisch zu Hilfe zu eilen. Der hauptsächliche Grund des letztlichen Scheiterns des Völkerbundes wird in der Nichtteilnahme der Vereinigten Staaten gesehen, sekundär auch im mangelnden Willen der Mitgliedstaaten, den vorgenannten Sanktionsartikel konsequent anzuwenden.

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Die Idee als Völkerbund wurde erstmals 1625 vom niederländischen Rechtsgelehrten Hugo Grotius in seinem Buch De iure belli ac pacis („Über das Recht des Krieges und des Friedens“) als „Grundlagen für das Völkerrecht“ dargestellt. Der Königsberger Philosoph Immanuel Kant forderte 1795 in seinem Buch Zum ewigen Frieden das Völkerrecht ein, wobei die Idee einer „durchgängig friedlichen Gemeinschaft der Völker“ erstmals ausführlich beschrieben wurde. Die Ideen der Aufklärung brachten bereits im 19. Jahrhundert eine internationale Friedensbewegung hervor und führten 1899 und 1907 zur Zusammenkunft der Haager Friedenskonferenzen. Der „Haager Staatenverband“, wie der Neo-Kantianer Walther Schücking die Einrichtung nannte, scheiterte vor allem an Deutschland in der Frage der obligatorischen internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.

Ein vergleichsweise konkretes Programm zur Umsetzung der Kant’schen Forderung fand sich, ausgelöst durch die Schrecken des Ersten Weltkriegs, im 14-Punkte-Programm des US-Präsidenten Thomas Woodrow Wilson von 1918.

Die Satzung des Völkerbundes war Teil der Pariser Vorortverträge, maßgeblich initiiert von Lord Robert Cecil, und somit auch des Versailler Vertrages. Die Satzung des Völkerbundes[1] wurde am 28. April 1919 von der Vollversammlung der Friedenskonferenz von Versailles angenommen. Integraler Bestandteil der Statuten war die Monroe-Doktrin, die später auch in die Charta der Vereinten Nationen aufgenommen wurde. Mit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags am 28. Juni 1919 unterzeichneten die beteiligten Staaten auch die Satzung des Völkerbunds – der Bund war Teil des Versailler Vertrags geworden. Mit seiner Ratifizierung am 10. Januar wurde auch der Völkerbund offiziell gegründet und trat am 15. November 1920 zum ersten Mal zusammen. Lord Robert Cecil wurde 1923 Präsident des Völkerbundes und blieb dies bis zur Auflösung 1946.

Organisationsstruktur

Der Völkerbund-Sitzungssaal in Genf

Die Organisation des Völkerbundes nahm in Grundzügen bereits die Organisation der Vereinten Nationen vorweg. Der größte Unterschied zu heute bestand zum einen in der wesentlich kleineren Zahl an hauptamtlichen Mitarbeitern, zum anderen darin, dass fast alle Beschlüsse einstimmig gefasst werden mussten. Die Handlungsfähigkeit des Völkerbundes war demzufolge stark eingeschränkt.

  • Die Völkerbundversammlung. Diese tagte einmal jährlich, jedes Mitgliedsland hatte eine Stimme, die meisten Beschlüsse erforderten Einstimmigkeit.
  • Der Völkerbundsrat. Dieser hatte ständige Mitglieder: Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Deutsches Reich (1926–1933), UdSSR (1934–1939) sowie zwölf nichtständige Mitglieder. Entscheidungen mussten einstimmig gefällt werden, beteiligte Konfliktparteien hatten in der entsprechenden Abstimmung kein Stimmrecht.
  • Das ständige Generalsekretariat und einen Generalsekretär.

Die Generalsekretäre des Völkerbundes waren:

Entwicklung

Schlusssitzung des Völkerbundrates in Genf 1926
Sitzung des Völkerbundes in Lugano 1928

Da der US-Senat die Ratifizierung des Versailler Vertrages ablehnte, waren die Vereinigten Staaten nie Mitglied des Völkerbundes. Dies geschah, da sich der Senat in seiner Autorität von Woodrow Wilson übergangen fühlte, der die Ratifizierung der Satzung des Völkerbundes eigenmächtig (ohne vorherige Rücksprache mit dem Senat) vorantrieb. Die Weimarer Republik wurde erst am 8. September 1926 Mitglied des Völkerbundes; das „Dritte Reich“ trat am 14. Oktober 1933 auf Veranlassung Adolf Hitlers wieder aus.

Anfangs hatte der Völkerbund einige Erfolge bei der Lösung kleiner Konflikte, beispielsweise um Spitzbergen, die Åland-Inseln und Korfu. Die großen Streitfälle wie der Ruhrkonflikt, der Spanische Bürgerkrieg und die Sudetenkrise wurden außerhalb des Völkerbundes ausgetragen. Eine Vorreiterrolle spielte er aber bei der Dekolonisation, der Hungerbekämpfung und der Betreuung von Flüchtlingen, außerdem sammelte man Erfahrung bei der Konsensfindung. Umstritten war das Nichteingreifen des Völkerbundes beim japanischen Angriff auf China im Jahre 1931. Endgültig demonstrierte er 1935 seine Machtlosigkeit beim italienischen Angriff auf Abessinien: Obwohl der Bund als stärkste Maßnahme Sanktionen verhängte, blieben diese wirkungslos; sowohl die USA (Öl) als auch das Deutsche Reich (Kohle) belieferten Italien weiterhin und führten dadurch die Ohnmacht des Gremiums vor. Die Sowjetunion, seit 1934 Mitglied, wurde 1939 wegen des Angriffs auf Finnland („Winterkrieg“) wieder ausgeschlossen.

Auf die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs hatte der Bund keinen maßgeblichen Einfluss. Die Bemühungen, das Deutsche Reich durch Verhandlungen in seine Schranken zu weisen, als es den Versailler Vertrag seit 1933 zunehmend aushebelte, hatten keinen Erfolg. Der spätere Diplomat der Bundesrepublik, Walter Truckenbrodt, schilderte diesen Prozess 1941 aus der Sicht des „Dritten Reiches“ und nannte den Bund „platonisch“, da er keine reale Machtbasis besaß.[2] Auch der Staatsrechtler Carl Schmitt nannte die Genfer Liga 1936 eine bloße „Etikette“, also eine Fassade, hinter der sich die politischen Inhalte regelmäßig änderten.[3] Der Völkerbund verfügte über keine eigenen militärischen Truppen, mit denen er in Krisenregionen hätte eingreifen können. Ein theoretischer Beschluss zu militärischen Aktionen hätte zwar vom Völkerbund getroffen werden können, die Entsendung der Truppen wäre jedoch durch die Mitglieder in einzelstaatlicher Organisation vor sich gegangen wie zwischen 25. und 28. Oktober 1925 beim Konflikt an der griechisch-bulgarischen Grenzen der Fall war. Nachdem die bulgarische Regierung den Generalsekretär des Völkerbunds nach Artikel 11 Abs.1 der Völkerbundsatzung anruft, werden zur Konfliktsicherung und Kontrolle französische, britische und italienische Offiziere in die Region gesandt.

Auf Initiative der Außenminister Chinas, Großbritanniens, der UdSSR und der USA wurden 1945 die Vereinten Nationen als faktische Nachfolgeorganisation des Völkerbundes gegründet. Offiziell löste sich der Völkerbund am 18. April 1946 auf seiner 21. Bundesversammlung selbst auf.
Indem der Völkerbund aber einige Zeit neben den Vereinten Nationen, d. h. der UNO existierte, sollte hingegen dokumentiert werden, dass letztere keine Nachfolgeorganisation ist.

Probleme und Kritik

Für das Scheitern des Völkerbundes sind verschiedene Gründe verantwortlich:

Ein Grund ist, dass ihm zu keiner Zeit alle Groß- und Mittelmächte dauerhaft angehörten (so die USA nie; das Deutsche Reich, Italien, die Sowjetunion und Japan nur zeitweise).

Ein weiteres Problem bestand darin, dass die Satzung kein absolutes Kriegsverbot analog dem Briand-Kellogg-Pakt vorsah. Die internationale Abrüstung wurde durch einen Konflikt mit dem Deutschen Reich behindert. Nachdem das Reich die durch den Versailler Vertrag auferlegte Abrüstung durchgeführt hatte, weigerte es sich, den vom Völkerbund geforderten weiter reichenden Abrüstungsanstrengungen nachzukommen. Das Deutsche Reich wollte, dass ihm seine Abrüstungsmaßnahmen aufgrund des Versailler Vertrages für die allgemeine Abrüstung angerechnet werden, was der Völkerbund aber ablehnte. Das Resultat dieses Konflikts war, dass die Abrüstung nicht fortgesetzt wurde.

Ein großes Problem stellte die Umsetzung von Beschlüssen dar, häufig wurden sie aus Eigeninteresse von den Mitgliedern blockiert. Insbesondere die beiden damaligen Großmächte Frankreich und Großbritannien, die den größten Einfluss auf den Völkerbund und seine Mitglieder hatten, verhielten sich so. Beide Staaten machten bei Konflikten, an denen andere Mittelmächte beteiligt waren, diesen häufig Zugeständnisse, um zu verhindern, in die Konflikte mit hineingezogen zu werden. Dieses Verhalten lässt sich in der Mandschurei-Krise, im Italienisch-Äthiopischen Krieg und im Spanischen Bürgerkrieg finden; bei diesen Konflikten machte der Völkerbund viele Zugeständnisse an die Aggressoren Japan, Italien und des Deutschen Reichs.[4]

Die Hauptursache für das Scheitern des Völkerbundes war aber die generelle Zurückhaltung der Mitglieder, die oft im Eigeninteresse handelten. Dies wurde schon 1924 von Hans Wehberger erkannt: „Es ist jedoch eindringlich davor zu warnen von einer Fortbildung der Form des Völkerbundes allein irgend etwas Erhebliches zu erwarten. Die Zukunft des Völkerbundes hängt letzten Endes von der Stärke der moralischen Kräfte ab, die hinter ihm stehen. Auch ohne erhebliche Fortbildung des Völkerbundes wird der Bund Großes leisten können, wenn er anders als bisher, vom Geiste der Gerechtigkeit und Humanität beseelt wird.“[5]

Mitglieder und Nichtmitglieder

Mitglieder und Nichtmitglieder des Völkerbundes

Gründungsmitglieder

Die Gründungsmitglieder des Völkerbundes waren 32 alliierte Staaten, nämlich die Siegermächte des Ersten Weltkrieges, die den Versailler Vertrag unterzeichneten. Hierzu zählte neben den britischen Dominions sowie Indien auch die eigentlich erst nach dem Krieg gebildete Tschechoslowakei.

Eingeladene Mitglieder

Schon 1920 wurden 13 im Krieg neutrale Staaten eingeladen, dem Völkerbund beizutreten.

Spätere Mitglieder

Viele Staaten wurden erst später zugelassen oder traten erst später bei, die ersten schon Ende 1920.

Nichtmitglieder

Einige unabhängige Staaten blieben dem Völkerbund völlig fern.

Völkerbundsmandate

Der Völkerbund war gemäß dem Versailler Vertrag (Art. 45 bis 50) für die Verwaltung des vom Deutschen Reich als Reparationsleistung abgetrennten Saargebietes zuständig. Dem Völkerbund wurden die bisher deutschen Kolonien und die von der Türkei abgetrennten arabischen Gebiete übertragen. Die 1911 von Frankreich an Deutschland abgetretenen Teile von Französisch-Äquatorialafrika wurden allerdings wieder an dieses angeschlossen. Der Völkerbund vergab diese Gebiete wiederum als Mandate an Mitgliedsstaaten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie als UN-Treuhandgebiete verwaltet. Im einzelnen waren dies:

Freie Stadt Fiume

  • Fiume (Rijeka), bis 1920 freie Stadt, 1921 Ausrufung der Republik Fiume, Besetzung durch Italien

Ehemals osmanische Gebiete

siehe: Vertrag von Sèvres (Osmanisches Reich)

Ehemals deutsche Gebiete

Einzelnachweise

  1. Woodrow Wilson, mit seinem Einverständnis erarbeitet von Hamilton Foley: Woodrow Wilson’s Case for the League of Nations, Princeton University Press, Princeton 1923. Rezension
  2. Vgl.: Truckenbrodt, Walter: Deutschland und der Völkerbund. Die Behandlung reichsdeutscher Angelegenheiten im Völkerbundsrat von 1920–1939. Veröffentlichungen des Deutschen Instituts für Aussenpolitische Forschung, Bd. 9. Essen: Essener Verlagsanstalt 1941.
  3. Vgl.: Schmitt, Carl: Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles. 1923–1939. Duncker & Humblot 1988.
  4. Hermann Weber: Vom Völkerbund zu den Vereinten Nationen. Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Bonn 1987.
  5. Walter Poeggel: Der Völkerbund als zwischenstaatliche Organisation für den Weltfrieden und die Haltung Deutschlands. Zum 75. Jahrestag der Gründung des Völkerbundes. Rosa-Luxemburg-Verein, Leipzig 1995, S.62, ISBN 3-929994-47-X

Siehe auch

Literatur

  • The Essential Facts About the League of Nations, published in Geneva, with ten editions between 1933 and 1940.
  • Bassett, John Spencer (1930): The League of Nations: A Chapter in World Politics.
  • Egerton, George W. (1978): Great Britain and the Creation of the League of Nations: Strategy, Politics, and International Organization, 1914–1919 University of North Carolina Press.
  • Gill, George (1996): The League of Nations from 1929 to 1946: From 1929 to 1946 . Avery Publishing Group. ISBN 0-89529-637-3
  • Kelly, Nigel and Lacey, Greg (2001) "Modern World History" Heinemann Educational Publishers, Oxford
  • Kennedy, David "The Move to Institutions" 8 Cardozo Law Review, 841 (1987). Reprinted in Klabbers, J. (ed.) International Organization Ashgate Publishing Limited (2006). online
  • Kennedy, Paul (2006): The Parliament of Man: The Past, Present, and Future of the United Nations
  • Kuehl, Warren F. and Lynne K. Dunn (1997): Keeping the Covenant: American Internationalists and the League of Nations, 1920–1939.
  • League of Nations chronology, Retrieved 2006.
  • Malin, James C. The United States after the World War 1930. pp 5–82. online
  • Marbeau, M. (2001): "La Société des Nations". Presses Universitaires de France. ISBN 2-13-051635-1
  • Minor, Raleigh C. (2005): "A Republic Of Nations: A Study Of The Organization Of A Federal League Of Nations" Lawbook Exchange. Ltd ISBN 1584775009
  • Northedge, F. S. (1986):. The League of Nations: Its Life and Times, 1920–1946 Holmes & Meier.
  • Pfeil, A (1976): "Der Völkerbund".
  • Walters, F. P. (1952): A History of the League of Nations 2 vol Oxford University Press.
  • Walsh, Ben (1997): Modern World History. John Murray (Publishers) Ltd.. ISBN 0-7195-7231-2.
  • Woodrow Wilson, compiled with his approval by Hamilton Foley: Woodrow Wilson's Case for the Legue of Nations, Princeton University Press, Princeton 1923, Rezension
  • Zimmern, Alfred (1936): The League of Nations and the Rule of Law, 1918–1935.

Weblinks


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