Limeskastell Oberflorstadt

Limeskastell Oberflorstadt
Kastell Ober-Florstadt
ORL 19
Limesabschnitt Obergermanischer Limes,
Strecke 4
(Wetteraustrecke)
Datierung (Belegung) um 90 n. Chr.
bis zum Limesfall
Typ Kohortenkastell
Einheit cohors XXXII voluntariorum c.R.
Größe 183 × 155 m = 2,8 ha
Bauweise Steinkastell
Erhaltungszustand Bodendenkmal
Ort Florstadt-Ober-Florstadt
Geographische Lage 50° 19′ 25″ N, 8° 52′ 34,9″ O50.3236018.876352134Koordinaten: 50° 19′ 25″ N, 8° 52′ 34,9″ O
Höhe 134 m ü. NHN
Vorhergehend Kleinkastell Staden
(östlich)
Anschließend Kleinkastell Stammheim
(südöstlich)
Ansicht des Kastellgeländes mit Schautafel.
Plan des Kastells nach den Grabungen der RLK 1903.

Das Kastell Ober-Florstadt (auch Kastell Oberflorstadt) ist ein ehemaliges römisches Kastell an der Wetteraulinie des Obergermanisch-Rätischen Limes. Es befindet sich bei Florstadt-Ober-Florstadt im hessischen Wetteraukreis. Von der Anlage ist heute nichts mehr sichtbar.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Kastell Ober-Florstadt befindet sich auf einer Anhöhe südlich der Nidda in 2,5 km Entfernung zum Limes. Der Flurname „Auf der Warte“ weist auf einen mittelalterlichen Beobachtungsposten hin. Von hier konnte man einen großen Teil der Nidda- und Horloff-Senke sowie einen großen Teil des anschließenden Limesgebiets einsehen. Das Kastellgelände liegt etwa 400 bis 500 m oberhalb der Mündung der Horloff in die Nidda.

Kastell

Erforschung

Das Kastell wurde durch den Streckenkommissar der Reichs-Limes-Kommission (RLK), Friedrich Kofler, entdeckt und in den Jahren 1886, 1888 und 1893 ausgegraben. Das weitgehend unüberbaute Areal konnte flächig untersucht werden, weshalb später keine planmäßigen Ausgrabungen am Kastell selbst stattfanden. Schon Kofler konnte vielfach nur noch die Ausbruchsgruben der Mauern feststellen, da offensichtlich ein Großteil der Mauern dem Steinraub zum Opfer fiel. Baumaßnahmen des Jahres 1974, welche die Zivilsiedlung berührten, konnten nur mit kleineren Untersuchungen begleitet werden. Viele Funde wurden von ehrenamtlichen Helfern eingesammelt, besonders das Kastell wurde häufig von Raubgräbern aufgesucht. Aus den vorgenannten Gründen dürften Grabungen im Kastellareal heute wenig aufschlussreich sein.

Eine weitere Untersuchung einiger Streifenhäuser der Zivilsiedlung wurde 2006 durch das Institut für Archäologische Wissenschaften der Universität Frankfurt durchgeführt.[1]

Befund

Kofler konnte ein 183 × 155 m großes Kastell mit abgerundeten Ecken ausgraben. Es war nach ONO auf den Limes hin ausgerichtet und besaß zwei sechs Meter breite, umlaufende Spitzgräben, die an den Toren unterbrochen waren. Die Kastellmauer, die weder Zwischen- noch Ecktürme besaß, konnte mit einer Breite von 1,75 m nachgewiesen werden. Das Fundament war teilweise nur 30–40 cm in den Untergrund eingetieft, üblicherweise aber zwischen einem und 1,20 Metern. Der Unterschied erklärt sich aus der unterschiedlichen Verwitterung des anstehenden Blasenbasalts. Die Mauer war nur noch in geringen Teilen erhalten und vielfach von Landwirten ausgebrochen. Sie bestand aus Gussmauerwerk, dessen Verkleidung im Fundamentbereich aus geglätteten Sand- und Basaltsteinen, oberhalb aus sorgfältiger behauenen Sandsteinen mit einer Länge von 26–30 cm und einer Höhe von 10–20 cm ausgeführt war.[2]

Besonders zahlreich konnte die Innenbebauung des Kastells nachgewiesen werden. Dazu gehörten die principia (Stabsgebäude) in der Mitte des Kastells sowie ein Gebäudekomplex mit einem hypokaustierten Raum, vermutlich die Wohnung des Kommandanten (praetorium). Ein weiteres stark fundamentiertes Gebäude könnte ein Getreidespeicher (horreum) gewesen sein.

Eine Besonderheit für Kastelle am obergermanischen Limes stellen die Mannschaftsbaracken dar, die heute noch in Luftbildern erkennbar sind. Die Fundamentierung dieser üblicherweise in Holz- oder Fachwerkbauweise errichteten Gebäude aus Stein ist am Limes recht selten.[3]

Kastellbad

Etwa 45 Meter nördlich der aus der porta praetoria (östlich des Kastells) führenden Straße fand Kofler das Badegebäude. Der Innenraum war stark gestört und es ließen sich Reste von etwa 60 Hypokaustpfeilern, Wandbemalung und Estrichböden feststellen. Der stark von den Zentralbädern der späteren Limeskastelle abweichende Grundriss wirft Fragen auf. Kofler glaubte, darin ein Doppelbad zu erkennen, das möglicherweise auch von den Bewohnern der Zivilsiedlung (Vicus) mitbenutzt wurde, und führte Vergleiche mit den Kastellbädern von Eining und Osterburken an.[4] Die Deutung des Gebäudes als Kastellbad wird in neueren Forschungen meist nur als wahrscheinlich angegeben.

Kastellvicus

Größere Teile der Zivilsiedlung wurden im Ortsbereich von Ober-Florstadt nachgewiesen. Sie erstreckte sich nordwestlich des Kastells. Wie Luftbilder zeigen, war der vicus von einem Verteidigungsgraben umgeben, der sich an das Kastell anschloss unf bis hinunter an die Nidda reichte.[3] Neben diversen Einzeluntersuchungen[5] gelang 2006 die Aufdeckung von mindestens vier, wahrscheinlich sieben Streifenhäusern.[6] Bei der geringen Parzellenbreite von 4,50 m wiesen die Grundstücke eine Länge von 45–50 m auf.

Die Bebauung des Kastellvicus setzte wahrscheinlich bald nach der Kastellgründung um 90 n. Chr. ein.[6] Funde des dritten Jahrhunderts sind aber rar,[7] was für einen Rückgang der Besiedlung spricht. Für einen von Wagner vermuteten Zerstörungshorizont gegen Ende des 2. Jahrhunderts konnten bei den neueren Untersuchungen keine Hinweise gefunden werden.

Zu den besonders auffälligen Strukturen des vicus gehört der Fund eines Mithräums nördlich des Kastells durch Kofler 1888. Es war, wie für diese Gebäude üblich, in den Boden eingetieft und die dreischiffige cella deshalb gut erhalten. Das zu erwartende Kultrelief fehlte zwar, es fand sich jedoch die steinerne Skulptur eines Dadophoren sowie gegenüberliegend die Basis seines Gegenstücks. Das Gebäude war innen farbenprächtig ausgemalt. Im Kultraum fanden sich Reste von über 20 Tonlampen sowie einige Weihealtäre.[8]

Datierung

Die Anfangsdatierung des Kastells schwankt etwas zwischen domitianischer und trajanischer Zeit, wird meist um oder kurz vor dem Jahre 100 n. Chr. angegeben. Ein vielfach vermuteter Vorgängerbau der domitianischen Zeit ist bislang nicht durch ausgegrabene Befunde gesichert, zeichnet sich aber möglicherweise im Luftbild ab. Die Zusammensetzung der Ziegelstempel weist große Ähnlichkeiten zum Kastell Stockstadt auf. Besonders auffällig ist eine Gruppe früher Ziegelstempel der Legio XXII Primigenia aus Mainz mit dem Schriftzug in tabulae ansatae.

Als Besatzung des Kastells wird ebenfalls aufgrund von Ziegelfunden die cohors XXXII voluntariorum civium Romanorum (32. Freiwilligen-Kohorte römischer Bürger) angenommen. Die Ziegelstempel der Einheit sind andernorts selten, so dass sie im Wesentlichen für eigene Baumaßnahmen produziert haben dürfte. Die Einheit befand sich zuvor in Nida-Heddernheim und verblieb wahrscheinlich bis zum Ende des Limes um 260 n. Chr. in Ober-Florstadt.

Der Münzschatz von Ober-Florstadt

Münzschatz von Ober-Florstadt, Ausstellung im Wetterau-Museum in Friedberg.

Der bedeutendste Fund aus dem Kastell besteht in einem Münzhort, der 1984 nahe der Westecke im Innenbereich des Kastells geborgen wurde. Er bestand aus 1.136 Denaren und war mitsamt dem umgebenden Keramikgefäß ausgepflügt worden. Der Fund wird heute im Wetterau-Museum in Friedberg ausgestellt.

Die Münzen, die zeitlich von der römischen Republik bis zu Severus Alexander reichen, stellen mehr als das Eineinhalbfache des Jahresverdienstes eines Auxiliarsoldaten (750 Denare) in dieser Zeit dar. Die Zusammensetzung entspricht weitgehend dem zu dieser Zeit in Obergermanien im Umlauf befindlichen Geld, obwohl Antoniniane, die seit 214/5 geprägt wurden, nicht darin enthalten sind. Es dürfte sich deshalb eher um die Ersparnisse eines oder mehrerer Soldaten gehandelt haben, da in der Truppenkasse mit erheblich mehr frisch geprägten Münzen zu rechnen gewesen wäre. Eine Vergrabung angesichts von Ereignissen, die mit dem Germaneneinfall von 233 in Verbindung stehen, liegt nahe. Der oder die Besitzer sind dabei anscheinend ums Leben gekommen und haben den vergrabenen Hort nicht mehr gehoben.[9]

Limesbauwerke in der Nähe des Kastells Ober-Florstadt

Das rückwärtige Kastell dürfte im Wesentlichen die Kleinkastelle Staden und Stammheim direkt am Limes unterhalten haben. Vom Limes selbst ist in der stark landwirtschaftlich genutzten Region wenig erhalten. Ein kurzer sichtbarer Abschnitt befindet sich südlich von Stammheim, größere erhaltene Teile nordöstlich der benachbarten Kastelle Echzell oder südlich des Kastell Altenstadt.

Denkmalschutz

Das Kastell und die erwähnten Anlagen sind als Teil des Obergermanisch-Rätischen Limes seit 2005 Teil des UNESCO-Welterbes. Außerdem sind es Bodendenkmäler nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz. Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.

Siehe auch

Literatur

  • Eduard Anthes, Friedrich Kofler und Wilhelm Soldan: Strecken 4 und 5 (Die Wetteraulinie vom Köppener Tal bei der Saalburg bis zum Main bei Gross-Krotzenburg). Die Streckenbeschreibung. In: Ernst Fabricius, Friedrich Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Römerreiches/Abt. A, Bd. 2 Strecken 4 und 5 (Die Wetteraulinie vom Köppener Tal bei der Saalburg bis zum Main bei Gross-Krotzenburg), 1936, S. 141–143.
  • Dietwulf Baatz, in: D. Baatz und Fritz-Rudolf Herrmann (Hrsg.): Die Römer in Hessen. 3. Auflage. 1989. Lizenzausgabe Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-58-9, S. 274f.
  • Alexander Heising, Jörg Lindenthal, Alexander Reis: In Nachbarschaft des Mithräums – Einblicke in die Struktur des Lagerdorfs von Florstadt–Ober-Florstadt. In: hessenARCHÄOLOGIE 2006, S. 79–82.
  • Friedrich Kofler: Das Kastell Florstadt. In: Ernst Fabricius, Friedrich Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): ORL B IIa Nr. 19 (1903).
  • Helmut Schubert: Der Denarschatz von Ober-Florstadt. Ein römischer Münzschatz aus dem Kohortenkastell am östlichen Wetteraulimes. Wiesbaden 1994 (Archäologische Denkmäler in Hessen 118).
  • Paul Wagner: Der Nordwestvicus des Kastells Ober-Florstadt. In: Vera Rupp (Hrsg.): Archäologie der Wetterau. Aspekte der Forschung. Friedberg 1991 (Wetterauer Geschichtsblätter, Band 40), ISBN 3-87076-064-8, S. 245–247.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heising/ Lindenthal/ Reis 2006, Internet-Quelle.
  2. Alle Angaben nach Kofler, ORL B (siehe Literaturliste).
  3. a b Baatz 1989, S. 274.
  4. Kofler, ORL B S. 7.
  5. Wagner 1991
  6. a b Heising/Lindenthal/Reis 2006. S. 80.
  7. Wagner 1991, S. 246f.
  8. Etwa AE 1903, 00380 oder CIL 13, 07425.
  9. Zum Münzschatz siehe Schubert 1994.

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