Litauische Wirtschaft

Litauische Wirtschaft

Litauen hat in den vergangenen 20 Jahren mit dem Übergang von der sowjetischen Plan- zur Marktwirtschaft große strukturelle Veränderungen hinter sich gebracht, die in einer sehr wechselvollen wirtschaftlichen Entwicklung ihren Niederschlag finden. Diese war geprägt von einem drastischen Einbruch in der Transformationsphase bis 1993, einer anschließenden Erholung bis Ende 1998, eine Rezession ausgelöst durch die Russland-Krise und durch sie forciert eine noch stärkere Hinwendung zum (westeuropäischen) EU-Markt, die nach einer ersten Erholung (bis 2003) im Umfeld des EU-Beitritts (1. Mai 2004) einen Boom auslöste, der mit der von den USA ausgehenden Finanzkrise seit Frühling 2008 sein abruptes Ende gefunden hat. Im Rahmen der Umstrukturierungen war die Privatisierung von Staatsbetrieben (v. a. im Bereich Energie) ein herausragendes politisches Thema, das immer wieder Regierungskrisen ausgelöst hat. Andere Wandel, wie der Rückgang der Landwirtschaft, die immense Rationalisierung und Modernisierung in traditionellen Industriebranchen wie der Lebensmittelindustrie, der Elektrogeräteherstellung und Metallverarbeitung sowie der Chemieindustrie sind kaum bemerkt von Statten gegangen. In den nächsten Jahrzehnten steht der große Schritt bevor, von einer verlängerten Werkbank zu einer rundum modernen Wirtschaft zu gelangen, in der die hohen Sozialstandards wie in den Alt-EU-Mitgliedsstaaten bezahlt werden können. In der Infrastruktur (Verkehr/Telekommunikation/Bankwesen) und bei den Dienstleistungen ist ein gutes Fundament gelegt.

Inhaltsverzeichnis

Zeitgeschichtlicher Überblick

Entwicklung seit 1990

Nach der Auflösung der Sowjetunion erfolgten in der Wirtschaft schwerwiegende Umwälzungen. Zahlreiche Betriebe wurden stillgelegt oder privatisiert. Traditionelle Handelsbeziehungen brachen ab oder wurden aus politischen Motiven abgebrochen bzw. durch neue Grenzen erschwert. Die Produktion in Industrie und Landwirtschaft ging zurück. Das Produktionsvolumen rutschte bis 1994 auf eine Viertel des Niveaus von 1989. Die Arbeitslosigkeit stieg auf über 20 %. Hinzu kam eine Hyperinflation, die im Jahre 1992 ca. 1.400 % erreichte. Bis 1995 stiegen die Verbraucherpreise um das 70-fache .

Hilfe vom Westen kam 1992, als Litauen Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde und dieser 1993 Litauen Kredite in Höhe von 300 Millionen US-Dollar gewährte. Mit Unterstützung des IWF und der Weltbank wurden Wirtschaftsreformen vorgenommen und der Litas als nationale Währung eingeführt. Im Sommer 1992 war bereits eine provisorische Währung, der Talonas, an die Stelle des Rubels getreten. Im Sommer 1993 wurde er vom Litas abgelöst. Die Inflation ging langsam zurück, und der Litas konnte am 1. April 1994 auf einen festen Wechselkurs von 4:1 zum Dollar festgeschrieben werden.

Nach der Einführung des Litas trat eine gewisse Stabilität ein, und Litauen wies ab 1995 ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum von jährlich mindestens 3,5 % auf. Einen Rückschritt löste die Russland-Krise aus, als ab Ende 1998 durch den Kursverfall des Russischen Rubels die Absatzmärkte der GUS-Staaten wegbrachen. Nun erwies sich die hohe Verschuldung des Staates wegen der Finanzgarantien für eine Unzahl staatlicher Fonds (z. B. SoDra) und teil-privatisierte Unternehmen (z. B. die Erdölraffinerie Mažeikių Nafta) als Problem. Auch war die Privatisierung gerade der großen unrentablen Unternehmen nur halbherzig vorangetrieben worden [1]. Die konservative Regierung musste einen höchst unpopulären Sparkurs fahren und wurde Ende 2000 aus dem Amt gewählt.

Gegenwart und Ausblick

Aufgrund eines beachtlichen wirtschaftlichen Wachstums seit 2001 lag die offizielle Arbeitslosigkeit in Litauen bei 3,9 % (1. Februar 2007).[2] Verschiedene Branchen klagten bereits über einen strukturellen Arbeitskräftemangel, insbesondere in den wirtschaftlichen Zentren Vilnius, Klaipėda und Kaunas. Damit einher ging ein schnelles Wachstum der Löhne um ca. 16 % jährlich. Der mittlere Lohn beträgt 1.731 Litas (ca. 500 EUR - brutto, 1. Februar 2007) [3]. Dennoch lebten 2006 immer noch 16 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, 3 % der Haushalte sogar in extremer Armut.

Die Zukunft Litauens ist gekennzeichnet durch weitere Integration in westliche Strukturen (NATO, EU, Europarat, Ostseerat). Zur Zeit deutet aber vieles darauf hin, dass das Land z. B. beim Durchschnittseinkommen auf lange Zeit keinen Anschluss an das westeuropäische Wohlstandsniveau finden wird.

Die Funktion als "verlängerte Werkbank" Westeuropas könnte ihm schon bald durch die neuen EU Mitglieder und Beitrittskandidaten Rumänien, Bulgarien, Kroatien streitig gemacht werden, in denen die Löhne noch niedriger sind.

Seit dem EU-Beitritt kam es zu einer starken Auswanderung besonders der jungen, mobilen und gut ausgebildeten Bevölkerung in die Länder Westeuropas (v. a. Großbritannien, Irland, Dänemark), die sich geöffnet haben und in denen litauische "Gastarbeiter" deutlich mehr verdienen können als in ihrem Heimatland.[4] Im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung Litauens ist dies kontraproduktiv, weil dadurch ein Fachkräftemangel entsteht.

Bruttoinlandsprodukt (BIP)

Seit der Überwindung der Russlandkrise von 1998/99 boomte die Wirtschaft aller drei baltischen Staaten bis zur aktuellen Wirtschaftskrise. In Litauen lag der Zuwachs des BIP (real) bis 2007 jährlich bei über 7 %. Das BIP erreichte 2008 gut 111 Mrd. Litas (LTL), das sind etwa 32 Mrd. Euro und somit (in Euro) mehr als das Dreifache des Wertes von 1999. Daraus ergibt sich ein Pro-Kopf-BIP von gut 33.000  LTL (knapp 10.000 Euro; zum Vergleich Deutschland: 26.400 €).

Im Vergleich mit dem BIP der EU ausgedrückt in Kaufkraftstandards erreichte Litauen 2008 einen Indexwert von knapp 60 (EU-25:100) und damit knapp die Hälfte des deutschen Wertes.[5]

Litauen wird wegen seiner guten wirtschaftlichen Entwicklung oft Baltischer Tiger genannt.

Bruttoinlandsprodukt Litauens
Jahr 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999
in Milliarden Litas 0,13 0,41 3,4 11,6 16,9 26,0 32,7 40,0 44,7 43,7
in Milliarden Euro k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 5,0 6,5 8,8 9,9 10,2
pro Einwohner (in Litas) 36 112 921 3.147 4.622 7.152 9.090 11.187 12.594 12.391
pro Einwohner (in Euro) k.A. k.A. k.A. 673 980 1.383 1.814 2.471 2.803 2.901
Wachstum (real, in % zum Vorjahr) k.A. -5,7 -21,3 -16,2 -9,8 ca. 3,5 5,1 8,5 7,5 -1,5
Jahr 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
in Milliarden Litas 45,7 48,6 52,1 57 62,7 72,1 82,8 98,1 111,4 -
in Milliarden Euro 12,4 13,6 15,0 16,5 18,2 20,9 24,0 28,4 32,3 -
pro Einwohner (in Litas) 13.070 13.971 15.010 16.490 18.249 21.105 24.393 29.073 33.167 -
pro Einwohner (in Euro) 3.533 3.897 4.337 4.776 5.285 6.113 7.065 8.420 9.606 -
Wachstum (real, in % zum Vorjahr) ca. 4 6,7 6,9 10,2 7,4 7,4 7,8 8,9 3,2 -4,81)

1) Prognose des litauischen Finanzministeriums [1]

Quelle: Statistikamt Litauens [6]

BIP und Beschäftigung nach Wirtschaftsektoren

Im Verlauf der letzten 20 Jahre hat sich die Wirtschaftsleistung der der Alt-EU-Mitglieder sehr stark angeglichen. Die Land- und Forstwirtschaft, die 1995 noch für 11,5 % der Wirtschaftsleistung verantwortlich zeichnete, trug 2007 noch einen Anteil von 4,5 % bei. Ebenso hat sich die Zahl der Beschäftigten stark verringert, von gut 270.000 auf 170.000. Demgegenüber haben von der gestiegenen Binnennachfrage in den Boomjahren vor allem die Finanz- und Immobilienbranche (Anteil an der Wirtschaftsleistung von um die 12 % bis 2003 auf über 15 % 2007 gestiegen) und die Baubranche profitiert (Steigerung von um die 7 % bis 2004 auf über 10 % 2007). Im Bausektor stieg die Beschäftigung innerhalb weniger Jahre von 90.000 (2002) auf über 145.000 (2006), im Immobiliensektor gar von 10.000 im Jahre 2004 auf knapp 17.000 zwei Jahre später. Entsprechend groß ist hier das Risiko des Arbeitsplatzverlusts im Rahmen der aktuellen Wirtschaftskrise. Ein weiterer expansiver Wirtschaftszweig ist der Bereich Transport und Telekommunikation, der seinen Anteil am BIP von unter 8 % im Jahre 1995 auf knapp 12 % 2007 steigern konnte, die Beschäftigung stieg von 86.000 im Jahre 2001 auf über 110.000 2007 (lag allerdings 1995 schon mal bei 95.000). Stark gestiegen ist auch die Bedeutung der Tourismusindustrie für die Beschäftigung: von 19.000 Beschäftigten 1995 über 25.000 (2002) auf über 36.000 (2006). Die Beschäftigtenzahlen in der Verwaltung und im Bildungs- und Sozialbereich sind seit 1995 relativ konstant geblieben (2006: 81.000 / 132.000 / 106.000), mit einer fallenden Tendenz bei der Bildung und einer steigenden im Sozialbereich.

Staatsbudget

Das nationale litauische Staatsbudget gliedert sich in ein Budget der Regierung und in eines der Gebietskörperschaften, in Litauen auf der Ebene der Landkreise und der kreisfreien Städte. Die Einnahmen der Gebietskörperschaften belaufen sich dabei auf etwa ein Sechstel der Gesamteinnahmen und stammen im Wesentlichen, 2008 zu fast 95 %, aus ihrem Anteil an der Einkommenssteuer (mittlerweile über 70 %, vor fünf Jahren noch unter 50 %). Dazu kommen noch die rein kommunalen Grundsteuern. Allerdings erhalten die Gemeinden zur Bewältigung ihrer Aufgaben noch zusätzliche Mittel in Milliardenhöhe aus dem Regierungshaushalt.

Der Regierungshaushalt belief sich 2008 auf 25,6 Mrd. Litas Einnahmen (knapp 7,5 Mrd. Euro), davon 5,1 Mrd. Litas Zuwendungen von der EU. Von diesen veranschlagten 5,1 Milliarden wurden aber nur 3,5 Milliarden abgerufen, so dass die tatsächlichen Einnahmen bei 23,2 Mrd. Litas (6,7 Mrd. Euro) lagen [7]. Die Ausgaben lagen real bei 24,6 Mrd. Litas (7,1 Mrd. Euro), das waren 2 Milliarden Litas weniger als geplant. Sie verteilten sich wie folgt:

  • Wirtschaft: 25 %
  • Soziales: 12 % 1)
  • Bildung: 11 %
  • Innere Sicherheit: 8 %
  • Gesundheitswesen: 7 % 1)
  • Verteidigung: 6 %

1) (ohne staatl. Kranken- und Sozialversicherung)

Die Gesamtschulden der Öffentlichen Hand betrugen im Januar 2006 11,5 Mrd. Litas (ca. 3,2 Mrd. EUR). Das waren 16,9 % des BIP (2005). Bis Jahresende 2008 hat sich die Verschuldung trotz guter Konjunktur drastisch auf 17,4 Mrd. Litas (4,9 Mrd. Euro) erhöht. Die Neuverschuldung betrug 2008 677 Mio. LTL (196 Mio. EUR) und damit 2,3 % des gesamtstaatlichen Jahresetats von 29,7 Mrd. LTL [8]. Aufgrund des stark gestiegenen Bruttoinlandsprodukts betrug die Staatsverschuldung gemessen am BIP allerdings nur noch 15,6 % (nach 17 % Ende 2007). Das größte relative Budgetdefizit der letzten Jahre wurde im Wahljahr 2004 mit 596 Mio. Euro bzw. 3,3 % der Gesamtausgaben markiert (Vorjahre: um die 2 %).

Inflation

Nach einer Hyperinflation in den ersten Jahren der Unabhängigkeit nach 1990 führte die Einführung des Litas im Juni 1993 zu einer Abschwächung der Inflation von 45 % im Jahre 1994 auf 2,4 % Ende 1998. Bis 2003 verharrte die Inflation auf niedrigem Niveau, in den Jahren 2002 und 2003 wurde sogar eine Deflation verzeichnet, für die der starke Euro-Kurs, an den die litauische Währung seit Februar 2002 gebunden ist, und sinkende Lebensmittelpreise sowie Telekommunikationskosten verantwortlich zeichneten. Nach dem EU-Beitritt setzte die Inflation aufgrund einer anziehenden Binnennachfrage wieder ein. Die seither boomende Wirtschaft, die ein starkes Lohnwachstum nach sich zog (siehe Kapitel „Arbeit und Gehälter“), und die großzügige Vergabe von Privatkrediten sorgten für eine starke Ausweitung der Geldmenge und in der Folge für eine ausufernde Inflation. Insbesondere der Immobilienmarkt und die Freizeitbranche verzeichneten starke Preisanstiege. Der hohe Ölpreis und teurere Gasimporte taten ihr Übriges. Die Inflation erreichte 2007 / 2008 Raten über 8 %.

Entwicklung der Verbraucherpreise (in % zum Vorjahr; jeweils Dezember)
Jahr 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
insgesamt 189 45 36 13,1 8,4 2,4 0,3 1,4 2,0 -1,0 -1,3 2,9 3,0 4,5 8,1 8,5
Lebensmittel 154 39 41 13,7 4,1 -3,7 -1,4 -1,7 6,2 -5,3 -1,9 4,8 3,5 8,1 15,5 10,9
Wohnen (Miete & Energie) 247 92 42 14,4 21,1 11,1 1,8 14,7 0,4 1,5 0,5 0,6 6,7 10,3 14,1 23,3
Gesundheit 929 56 11,6 9,9 6,5 -1,4 -3,1 -2,9 -1,1 3,8 3,8 11,1 6,1 5,9 9,1 11,7
Telekommunikation 79 52 74 3,7 29 32 16,9 13,6 21,1 1,9 -12,2 -1,2 -5,2 0,9 -7,3 -1,9
Gastronomie 290 79 17,2 9,6 5,1 3,7 -0,6 -0,4 0,3 0,5 -0,2 2,3 3,3 5,1 10,8 14,2

Quelle: Statistikamt Litauens [9]

Arbeit und Gehälter

Die Arbeitslosenraten sind in Litauen mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln. Da für viele kein oder kaum ein Leistungsanspruch besteht, melden sich viele Menschen nicht arbeitslos. Dies galt in noch stärkerem Maße in der Vergangenheit, als Arbeitslosengeld noch nicht existierte. Zudem müssen Langzeitarbeitslose damit rechnen, zu Arbeitsdiensten herangezogen zu werden (z. B. Straßenreinigung). Allerdings zeigen die Daten im chronologischen Verlauf sehr gut die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Jahr 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
Arbeitslosenzahl (in Tsd.) 81 66 109 125 105 114 149 205 224 198 167 143 101 73 67 -
Arbeitslosenquote 1) 4,4 3,8 6,1 7,1 5,1 5,6 7,4 10,2 11,1 9,7 8,1 6,8 4,8 3,4 3,2 -
Gehälter (brutto, in LTL) 2) - - 481 618 778 930 987 971 982 1.014 1.073 1.149 1.276 1.496 1.802 -
Gehaltsanstieg
(real, in % zum Vorjahr) 3)
- - - - 15,8 11,7 5,1 -5,2 -0,4 4,9 9,9 6,1 7,2 16,2 19,9 9,9

1) in % aller Personen im erwerbsfähigen Alter; bis 1996 in Prozent an den Erwerbstätigen, daher Quote etwa 10-15 % höher

2) das Bruttogehalt liegt um etwa 35-40 % höher

3) für Beschäftigte in der Privatwirtschaft

Quelle: Statistikamt Litauens [10]

Auch in Litauen weisen die Arbeitslosenraten regional große Unterschiede auf: sie liegen in den ländlichen Regionen deutlich höher und in diesen vor allem in den Grenzregionen im Nordwesten, Osten und Südosten, während die großen Städte und ihr Umland kaum Arbeitslosigkeit kennen. Für 2005 lag die Quote in den Landkreisen Mažeikiai, Akmenė, Panevėžys, Joniškis, Ignalina, Šalčininkai, Lazdijai und Jurbarkas, sowie in der grenznahen Kleinstadt Druskininkai bei und über 10 %, während die Städte Vilnius, Kaunas und Šiauliai sowie die Kurische Nehrung und die an der Achse Kaunas-Vilnius gelegenen Landkreise Trakai und Elektrėnai Raten von 3 % und weniger aufwiesen. 2007 lagen die höchsten Werte nurmehr bei 6-7 %. Seit dem Jahr 2000 haben vor allem die mittelgroßen Städte Panevėžys und Šiauliai die Arbeitslosenrate deutlich senken können.[11]

Arbeitsmigration

siehe dazu Bevölkerung Litauens

Direktinvestitionen

Die Bedeutung des EU-Beitritts für die weitere wirtschaftliche Entwicklung ist sehr groß. Die ausländischen Direktinvestitionen machen mit 4,7 Mrd. € (I. Quartal 2004) fast ein Drittel des jährlichen Wirtschaftsprodukts aus. Deutsche Unternehmen liegen mit einer Investitionssumme von 416 Mio. € hinter Dänemark und Schweden auf Rang 3 (10 % aller Investitionen). Große Investoren sind u. a.

  • Telekommunikation:
TeliaSonera (S/SF): Anteile an Lietuvos Telekomas (590 Mio. €, 2002) und an Omnitel
TDC (DK): Bitė GSM
Tele2 (S)
  • Finanzwesen:
Hansapank (EE-SF): Hansabank
NORD/LB (D): NORD/LB Lietuva
SEB (S): Vilniaus Bankas
Ergo (D/Versicherung)
  • Nahrungs- und Genussmittel
Philip Morris (USA, Zigaretten)
Carlsberg/Scottish-Newcastle über Baltic Breweries Holding (DK-UK/Brauerei): Anteile an Švyturys-Utenos
Danish Brewery Group (DK/Brauerei): Anteile an Kalnapilis-Tauras
Danisco (DK/Zucker)
Mars (USA/Tierfutter): Masterfoods
Kraft Foods (USA/Süßwaren)
Coca-Cola (USA/Limonaden)
  • Energie
E.ON, Ruhrgas und Gazprom (D und RU/Gas): Anteile an Lietuvos Dujos (Gasversorger)
Vattenfall (S): Anteile an Lietuvos Energija (Stromversorger)
PKN Orlen (PL/Erdöl): Anteile an Mažeikių Nafta (Raffinerie)
Statoil (N/Erdöl): Statoil Lietuva (Tankstellen)

Außenhandel

Die Exporte beliefen sich 2005 auf 12,46 Mrd. € (42,975 mlrd. LTL), die Importe auf 13,2 Mrd. €. Der Außenhandel hat sich damit seit 1995 verdoppelt. Exportzuwachs 2005 war 27,1 %, Importzuwachs 25 %. Das Handelsdefizit erreicht 1,31 Mrd. €, hat sich aber im Vergleich zu den Jahren der Russlandkrise, als die Absatzmärkte im Osten wegbrachen, deutlich verringert.

Hauptexportländer sind die Schweiz (Sonderfall durch Erdölexporte über Handelsfirmen mit Sitz in der Schweiz), Russland und Deutschland, wohin 10 % der Exporte gehen. Nach Russland gehen heute nur noch 10 % der Exporte - 1996 waren es noch knapp 25 %. Haupteinfuhrländer sind Russland (22 %, v. a. Rohstoffe) und Deutschland (17 %).

Finanzsektor

1990-1995

In der Sowjetunion gehörte das Bankenwesen zu den entwickelten Wirtschaftssektoren. Im Territorium Litauens gab es bis 1990 7 verschiedene Banken. Die Liberalisierung des Bankenwesens begann bereits nach der Perestrojka. Nach der Erklärung der Unabhängigkeit folgte eine Welle von Gründungen privater Kreditinstitute sowie die Privatisierung bisheriger staatlicher Kreditinstitute. 1993 gab es schon 28 Banken, obwohl die durchschnittlichen jährlichen Einkünfte der 3,7 Mio. Einwohner Litauens nur 751 USD betrugen. Die Zinsen in Kreditinstituten wurden oftmals bis 50 % jährlich als normal deklariert (und in den ersten Jahren tatsächlich gezahlt). Es folgten einige spektakuläre Pleiten.

Banken

Alle staatlichen Banken wurden in Litauen privatisiert. Die letzte war die Litauische Sparkasse Lietuvos taupomasis bankas jetzt Hansabankas (neuerdings Swedbank, da von dieser übernommen). Aktiv sind insbesondere skandinavische Gruppen wie SEB, Nordea und die deutschen Banken wie NORD/LB und Vereins- und Westbank.

Das Kapital aller litauischen Banken betrug 2005 44,8 Mrd. LTL.

Siehe auch Börse Vilnius.

Produktionszweige

Verarbeitende Industrie

Innerhalb der Industrie haben die zwei wichtigsten Produktionszweige Litauens, die Lebensmittelindustrie und die Textilindustrie, an Bedeutung verloren. Während sich die Lebensmittelindustrie in den letzten Jahren stabilisiert hat (die Beschäftigtenzahlen halten sich seit 2003 bei etwa 50.000 Menschen, 1995 noch 72.000), verlor die Textilindustrie nach dem Höhepunkt im Jahr 2001 (20,3 % Anteil an der Industrieproduktion) rasant an Bedeutung. Hier zeigt sich, dass die steigenden Löhne die Produktion aus Litauen verdrängen. Die Beschäftigung war 2006 gegenüber dem Höhepunkt 2003 um 15.000 Personen auf 57.000 zurückgegangen. Nachdem sich die Beschäftigung innerhalb der Branche zunächst (bis 2003) stark von der Textil- zugunsten der höherwertigen Kleidungsherstellung verschoben hatte, geht in den letzten Jahren die Beschäftigung auch in diesem Bereich stark zurück (2006: 38.000 Beschäftigte in der Kleidungsherstellung, 19.000 in der Textilienproduktion). Die Lederherstellung (Schuhe, Taschen) ist seit 1995 (damals noch fast 8.000 Beschäftigte) fast gänzlich zum Erliegen gekommen (2006 1.600 Personen). Ein ähnlicher Bedeutungsrückgang ist in jüngster Zeit in der Holz- und in der Elektroindustrie zu beobachten (siehe unten).

Industrieproduktion Litauens
Jahr 1995 1998 2000 2003 2005 2007
Wert in Milliarden Litas 5,9 9,0 9,7 12,5 16,5 19,8
Zuwachs zum Vorjahr (real, in %) 5,2 12,1 13,7 15,9 6,8 6,4
Anteil der Industrie am BIP (in %) 25,5 23,0 23,8 24,5 25,3 22,6
Anteile der einzelnen Branchen (in %)
Lebensmittel 32,5 28,8 25,4 22,3 21,0 20,6
Chemie 7,8 6,9 6,4 4,9 6,1 11,1
Textil 16,2 18,6 20,0 16,6 13,0 10,0
Holz 5,0 5,5 7,4 9,6 9,6 8,8
Plastik / Gummi 1,0 2,3 3,4 6,3 6,5 6,2
Metall 2,9 3,2 3,7 4,1 5,8 7,1
Nichtmetall 5,9 5,2 4,1 4,3 5,2 6,1
Druck / Papier 8,5 8,1 7,6 7,4 6,3 6,0
Elektro / Optik 5,2 7,6 8,2 9,0 8,3 5,6
Transportausrüstung 2,7 3,2 3,0 3,2 4,8 4,8

Energiewirtschaft

siehe Energiewirtschaft Litauens

Große Unternehmen

siehe: Liste der größten Unternehmen in Litauen

Quellen

  1. Jahresrückblick 1999 auf rferl.org (engl.)
  2. Statistisches Amt
  3. Statistisches Amt
  4. http://www.kas.de/proj/home/pub/79/1/year-2005/dokument_id-7734/index.html
  5. Stat. Bundesamt - Europäischer Datenservice
  6. Datenbankabfrage, 16.2.2009
  7. Staatshaushalt Litauen 2008, Einnahmenseite, Dokument des lit. Finanzministeriums, abgerufen 21.2.2009 (engl.)
  8. Budgetabschluss 2008, Nachricht auf delfi.lt, 20.2.2009
  9. Datenbankabfrage, 18.2.2009
  10. Datenbankabfrage, 16.2.2009
  11. Datenbankabfrage, 16.2.2009

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