Lokomotivfabrik Wiener Neustadt

Lokomotivfabrik Wiener Neustadt
Perspektive der Wiener Neustädter Lokomotivfabrik in den 1860er Jahren

Die Wiener Neustädter Lokomotivfabrik im niederösterreichischen Wiener Neustadt war die größte Lokomotiv- und Maschinenfabrik in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Während des Zweiten Weltkrieges befanden sich auf dem Gelände die Rax-Werke, die Rüstungsgüter herstellten und unter anderem eine Außenstelle des KZ-Mauthausen (Serbenhalle).

Geschichte

Bereits 1841 wurde die Eisenbahnstrecke Wiener Neustadt - Wien eröffnet, 1842 reichte die k. k. priv. Wien-Raaber-Eisenbahn bis Gloggnitz und 1854 wurde der Semmering erreicht.

So dauerte es nicht lange, bis man auch in Österreich die Chance erkannte, die sich durch den nunmehr so sehr forcierten Bau von Eisenbahnen einer Lokomotiverzeugung bot.

„Carolinenthal“ der k.k. Nördlichen Staatsbahn, Fabriksnr. 4/1842

Im Jahre 1842 gründeten in Wiener Neustadt Wenzel Günther, Ingenieur der k.u.k. priv. Wien-Raaber-Eisenbahngesellschaft, ferner der steirische Eisenwerksbesitzer Josef Sessler sowie Heinrich Bühler und Fidelius Armbruster eine Lokomotivfabrik.

Da sich das dafür angebotene Gelände im Nordosten von Wiener Neustadt zum Teil auf einer aufgelassenen Wattefabrik und zum anderen Teil auf einer alten Gewehr- und Metallschleiferei befand, entstand daher später der Ausdruck Schleife für das Gelände der Lokomotivfabrik.

Ab 1845 im Alleinbesitz von Wenzel Günther befindend, verkaufte er aus finanziellen Gründen 1861 an den Wiener Maschinenfabriksbesitzer Georg Sigl. Dieser baute sie zur größten Maschinenfabrik der Monarchie aus. 1870 wurde bereits die 1.000ste Lokomotive hergestellt und die Belegschaft zählte über 4.000 Personen.

Die Produktpalette beinhaltete neben Lokomotiven auch Kessel, Druckerpressen und andere Maschinen, die weltweit exportiert wurden. 1875 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft - es entstand die Aktien Gesellschaft der Lokomotiv-Fabrik vormals G. Sigl.

Die Wiener Neustädter Lokomotivfabrik spielte auch eine frühe Rolle in der Österreichischen Arbeiterbewegung. So wurde bereits im Zuge der Märzrevolution 1848 der „10 Stunden-Tag“ durch und für die Arbeiter eingeführt, der ihnen aber im Zuge der Konterrevolution wieder entzogen wurde. 1865 wurde der erste österreichische Arbeiterverein in der Wiener Neustädter Lokomotivfabrik gegründet.

Durch den Tornado vom 10. Juli 1916 wurde ein Großteil der Lokomotivfabrik so stark zerstört, dass nur das Einfahrtstor stehenblieb. Es ist heute denkmalgeschützt und der Österreichischen Arbeiterbewegung gewidmet.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde durch das Wegbrechen der Kronländer die Produktion stark eingeschränkt und die Belegschaft wurde auf wenige hundert Mann reduziert.

Mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise wurden die Überkapazitäten der mittlerweile vier österreichischen Lokomotivfabriken für den kleinen Inlandsmarkt offensichtlich und so kam 1930 das Aus für die mittlerweile zum Konzern der Österreichischen Credit-Anstalt gehörenden Aktien Gesellschaft der Lokomotiv-Fabrik vormals G. Sigl.

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am 12. März 1938 übernahm der deutsche Konzern Henschel & Sohn die Anlagen und das Werk. Um die Produktion der Lokomotiven möglichst zu steigern, wurde das Werk stark erweitert.

Am 5. Mai 1942 firmierte die ehemalige Lokomotivfabrik unter dem Decknamen Rax-Werk Ges.m.b.H.. Ab 1943 wurden hier auch Teile der A4(V2)-Raketen gebaut. Die Anlagen wurden 1945 bei Bombenangriffen vollkommen zerstört.

Literatur

  • Franz Pincolits: Die Dampflokomotive. Geschichte der Wiener Neustäder Lokomotivfabrik. Weilburg Verlag, Wiener Neustadt.
  • Peter Zumpf, Richard Heinersdorff: Lokomotivfabrik Wiener Neustadt. Album; Verlag für Photographie Helfried Seemann und Christian Lunzer OEG, Wien 2008; ISBN 978-3-85164-151-6.

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