Lorenzianer

Lorenzianer
Eliasburg in Pockau: Geistliches Zentrum der Lorenzianer

Die Gemeinschaft in Christo Jesu (ugs. Lorenzianer) ist eine christlich chiliastische Glaubensgemeinschaft, die sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert im Erzgebirge bildete und am 13. Juni 1922 als religiöser Verein innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens gegründet wurde.

Die Gemeinschaft in Christo Jesu ist als eingetragener Verein organisiert und hat in 9 Bezirken mit rund 60 Gemeinden etwa 3500 Mitglieder in Sachsen, vor allem im Erzgebirge und in Mittelsachsen.[1] Zentrum der Gemeinschaft ist die Eliasburg im Ortsteil Marterbüschel in Pockau.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Gemeinschaft in Christo Jeso geht auf einen Kreis „ernstgläubiger Christen" zurück, den Gottlieb Reichelt (1832–1878) ab 1857 in Oberseiffenbach bei Neuhausen/Erzgeb. leitete. Zu diesem Kreis gehörte auch die Familie von Carl August Lorenz. Nach dem Tod von Reichelt wurde die Familie Lorenz Mittelpunkt der verbliebenen Mitglieder. Nach einigen Jahren des Wartens und der Suche nach einer Fortsetzung des von Reichelt begonnenen Verkündigungswerkes kam die Familie Lorenz Anfang der 1880er Jahre in Kontakt mit einem ähnlich ausgerichteten Kreis um Ferdinand Schneider (1835–1908) in Kleinsermuth bei Colditz. Die Reste des Reicheltschen Kreises verband sich nun mit der Gemeinschaft um Schneider. Die Familie Lorenz, vor allem Johanne Christine genossen großes Ansehen. Nach dem Tode von Schneider verkündete sie die prophetische Botschaft, dass die Gemeinschaft am ersten Osterfeiertag 1910 entrückt werden soll. Da diese nicht eintraf, begann die Gemeinschaft langsam wieder zu zerfallen.

Zwei Jahre nach dem Tod von Johanne Christine Lorenz erhielt ihr Sohn Hermann Lorenz (1864–1929) 1914 eine Offenbarung. In der Folge begann sich ein Kreis um Hermann Lorenz zu bilden, dem sich bald darauf die Reste des Schneiderschen Kreises anschlossen. Die Ereignisse des ersten Weltkrieges führten zu einem raschen Anstieg der Lorenzanhänger, unter anderem aus den Reihen der Landeskirchlichen Gemeinschaft und spiritistischen Zirkeln. 1917 waren es etwa 1000. Nach dem Ende des Krieges erhielt die Gemeinschaft weiter regen Zulauf. 1920 führte man in ganz Sachsen eine Missionskampagne durch, gleichzeitig wurde eine innere Organisation geschaffen. Seit dem wird auf jede öffentliche Missionsarbeit verzichtet. Am 13. Juni 1922 wurde die Gemeinschaft in Christo Jesu behördlich anerkannt. Mitglieder waren Arbeiter, Handwerker, Beamte und Bauern. Im selben Jahr gab man die Abendmahlsgemeinschaft mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens auf. 1923 hatte die Gemeinschaft etwas 5000 Anhänger. Man begann deshalb mit dem Bau einer zentralen Feierstätte. Nach dem dieser 1923 errichtete "Tempel" bald zu klein war, errichtete man in den Jahren 1927/1928 die Eliasburg mit 1000 Sitzplätzen.

Hermann Lorenz selber hatte keine offizielle Funktion im Verein, arbeitete als Prediger aber ständig am inneren Aufbau der Gemeinschaft. Seine Offenbarungen wurden in sogenannten „Pergamenten" festgehalten. Nach Lorenz' Tod 1929, hat sich die Gemeinschaft noch weiter zurückgezogen, da man nun jederzeit die erwarteten Endereignisse, so die Endrückung der Gemeinschaft, erwartete. Durch eine straffe hierarchische Organisation, Kontrolle der Mitglieder und einem engem Zusammenhalt und Zusammenarbeit in allen Lebensbereichen wurde die Gemeinschaft vor dem Auseinanderbrechen bewahrt.

Lange Zeit waren die Mitglieder nur noch lose mit der Landeskirche verbunden. Auf Grund der ökumenischen Bemühungen der Evangelischen Kirche vor allem der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre sind inzwischen die meisten Mitglieder aus der Landeskirche ausgetreten, da im Papsttum nach wie vor ein Werkzeug Satans gesehen wird.

Lehrbesonderheiten

Die Grundlage ihres Glaubens bilden ein konsequent eschatologisch-apokalyptischer Biblizismus und die prophetischen Offenbarungen von Hermann Lorenz. Inhalt und Ziel der Lehre Lorenz‘ wurden im 1927 vom Vorstand der Gemeinschaft herausgegebenen „Licht in’s Dunkel“ formuliert: „die Fortsetzung des auf Golgatha abgebrochenen Erlösungs-Werkes, die Aufrechterhaltung der reinen, wahren Jesuslehre, die Erreichung der Leibeserlösung und der vollkommenen Gottesnatur, die Bindung des Satans im Weltgericht, das tausendjährige Friedensreich, das jüngste Gericht mit der Auferstehung und Trennung der beiden Urmächte, die vollkommene Gottesfamilie“.[2]

Die Lorenzianer sehen die Weltgeschichte als bestimmt durch den Kampf der beiden Urmächte Gott und Teufel, die beide gleichermaßen Anteil am Menschen haben, Gott in der Seele, der Teufel im Fleisch. Jesus Christus wird als großer Wendepunkt im Kampf zwischen Gut und Böse angesehen, denn sein sündloses Leben habe die entscheidende Grundlage für das göttliche Erlösungswerk geschaffen, das durch den Menschen fortgesetzt werden müsse.

Lorenz und seine Anhänger waren überzeugt, auf der zweiten von drei Stufen dieses Werkes zu stehen, die mit dem beginnenden Gericht über den Teufel in der Endzeit beginnt und mit der weltweiten Sammlung der 144.000 Auserwählten, von denen die sächsische Gruppe mit 5.000 Personen die größte ist, einhergeht. Um sich dieser Gnade würdig zu erweisen, müssen die Anhänger der Gemeinschaft einen „geheiligten Lebenswandel“ führen. Dazu zählen die Hochschätzung der Ehelosigkeit und der Verzicht auf weltliche Vergnügen, Lustbarkeiten und Modeerscheinungen (z. B. Fernsehen). Weibliche Lorenzianer etwa tragen außerhalb des Hauses ausschließlich Röcke und ihr Haar zu einem Zopf oder einem Dutt geflochten. Gegenüber staatlichen und kirchlichen Organisationen sowie öffentlichen Veranstaltungen wird eine weitgehende Distanz gewahrt.

Nach einem göttlichen Zeichen, so wird von den Anhängern angenommen, sammeln sich alle Auserwählten an Bethanien, besonderen Bergungsstätten, die in verschiedenen Orten in den Häusern von Lorenzianern eingerichtet wurden. Das nötige Handgepäck dafür liegt in jedem Haushalt jederzeit griffbereit. Es folgt eine Entrückung durch Gott in ein abgelegenes Gebiet der Erde, etwa der Nordpol oder die Sahara, an dem die Gemeinde dreieinhalb Jahre von Gott ernährt wird. Nach der „Fesselung Satans“ am Ende einer weiteren dreieinhalbjährigen Periode beginnt das Tausendjährige Friedensreich auf Erden, das u. a. von den 144.000 Auserwählten bewohnt wird und durch das Fehlen von Krieg, Elend, Not und Tod gekennzeichnet ist.

In der Lehre der Gemeinschaft werden Gottlieb Reichelt und Ferdinand Schneider als die „Vorboten der Vollendung“ angesehen, während Hermann Lorenz als "Vollendungsbote" gilt. Er selbst wird in einer Reihe mit den biblischen Propheten gesehen, an deren Spitze er steht. Dies wird unter anderem durch seine persönlichen Qualitäten, die Fülle und Tiefe der Offenbarungen und seine besondere Rolle im Kampf der Endzeit unterstrichen. Zur Lehre der Gemeinschaft gehört deshalb, dass Lorenz nach seinem Tod die Endereignisse mit vorbereitet und dann mit einem vom Herrn berufenen Führer "in einer verklärten Materie" wiederkommt.

Literatur

  • Licht ins Dunkel; Lengefeld: Selbstverlag vom Vorstand der Gemeinschaft in Christo Jesu e. V., 1927
  • Samuel Kleemann: Die Lorenzianer; Dresden 1927
  • Helmut Obst: Apostel und Propheten der Neuzeit; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2000; S. 455–486

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Obst: Apostel und Propheten der Neuzeit 2000 S. 455
  2. Vorstand der Gemeinschaft in Christo Jesu, e. V. (Hg.). Licht in’s Dunkel. Lengefeld, 1927, S. 20f., zitiert nach Helmut Obst. Apostel und Propheten der Neuzeit. Berlin, 1990, S. 308.

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