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Der Begriff Luddismus (oft deckungsgleich mit „Maschinenstürmerei“ verwendet) bezeichnet eine der großen Kampfzyklen der englischen Arbeiterklasse Anfang des 19. Jahrhunderts.
Die Ludditen waren Textilarbeiter, die gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen im Zuge der Industriellen Revolution kämpften und dabei auch gezielt Maschinen zerstörten. Die nach ihrem legendären Anführer Ned Ludd benannte Bewegung wurde bis 1814 militärisch niedergeschlagen. Zahlreiche Beteiligte wurden hingerichtet oder nach Australien deportiert.
Inhaltsverzeichnis
Ned Ludd
Aufrufe der Ludditen waren ungeachtet der eigentlichen Urheberschaft häufig mit Ned Ludd, der auch King Ludd, General Ludd, Captain Ludd genannt wurde, unterzeichnet. Ned Ludd fungierte als fiktiver Anführer der Ludditen und kollektives Pseudonym der unterschiedlichen Gruppen.
Geschichte
Die Bewegung begann 1811 in Nottingham. Bis 1812 verbreitete sie sich rasch über ganz England. Dabei zerstörten die Ludditen zahlreiche Woll- und Baumwollspinnereien. Die größte Stärke entwickelten sie im November 1811 in Nottinghamshire, Anfang 1812 in West Riding of Yorkshire und ab März 1812 in Lancashire. Regelrechte Schlachten lieferten sich die Ludditen mit dem Militär in Burtons’ Mill in Middleton und in Westhoughton Mill, beide Lancashire. Andere Angriffsziele waren Richter und Lebensmittelhändler.
In der Folge wurde „Maschinenstürmerei“ (Sabotage) zum Kapitalverbrechen erklärt und die Bewegung militärisch niedergeschlagen. Zahlreiche Ludditen wurden nach Massenprozessen hingerichtet oder nach Australien deportiert. Zeitweise kämpften dabei mehr britische Truppen gegen die Ludditen als gegen Napoléon Bonaparte im Spanischen Unabhängigkeitskrieg.
Der Luddismus ist einer der großen Kampfzyklen der englischen Arbeiterklasse Anfang des 19. Jahrhunderts. Er ist eingebettet in eine allgemein zunehmende Unruhe, die z. B. 1817 zum Aufstand von Pentrich führte.
Rezeption
In der Rezeption fortschrittsgläubiger politischer Richtungen, wie Liberalismus und später Sozialdemokratie und Leninismus, wurden die Ludditen als reaktionär und technikfeindlich wahrgenommen. Gerade in Sozialdemokratie und Leninismus wurde dieses Zerrbild der „Maschinenstürmerei“ systematisch zur Denunziation bestimmter Kampfformen der Arbeiterklasse, so der Sabotage, verwandt.
Edward Palmer Thompson
Edward Palmer Thompsons Buch: The Making of the English Working Class trug auch in einer breiteren Öffentlichkeit zu einem neuen Verständnis des Luddismus bei. Laut Thompson waren die Ludditen in der Hauptsache nicht Gegner der neuen Technik, sondern Gegner der neuen Wirtschaftsbeziehungen (so Abschaffung der Festpreise), die im Zuge ihrer Einführung durchgesetzt werden sollten.
Die Maschinen seien dabei nicht wahllos als vermeintliche Verursacher dieses Wandels angegriffen worden. Die Zerstörung der Maschinen war demgemäß eine organisierte und gezielte Aktionsform, die sich gegen bestimmte Eigentümer richtete, die zur Einhaltung der alten Regelungen bewegt werden sollten, während Maschinen anderer Eigentümer häufig verschont blieben. Die hohe Effizienz, Zielgerichtetheit und Organisiertheit der luddistischen Aktionen mit bis zu 100 Teilnehmern gilt Thompson auch als Anzeichen der großen Akzeptanz der Ludditen in ihren Gemeinden.
Insgesamt erscheinen nach Thompson die lange Zeit auch in der Linken üblichen Vorstellungen von Ludditen als randalierende Verbrecherbanden oder beschränkten Arbeitern, die in den Maschinen selbst die Ursache ihres Elends sehen, als Fortsetzung der damaligen Propaganda von Regierung und Eigentümern. In Wirklichkeit waren die Ludditen nichts weiter als Menschen, die sich zur Verteidigung ihrer Interessen zusammenfanden und nach erfolgversprechenden Wegen suchten.
Lord Byron
Einer der wenigen prominenten Fürsprecher der Ludditen und Gegner der Repressionsmaßnahmen war Lord Byron. So verteidigte er 1811 die Aktionen der Ludditen im Parlament und wandte sich auch 1812 mit einer mäßigenden Rede gegen das Frame Breaking Bill. 1816 feierte er die Ludditen in seinem Gedicht Song of the Luddites:
- As the Liberty lads o’er the sea
- Bought their freedom, and cheaply, with blood,
- So we, boys, we
- Will die fighting, or live free,
- So we, boys, we
- And down with all kings but King Ludd!
- When the web that we weave is complete,
- And the shuttle exchanged for the sword,
- We will fling the winding-sheet
- O'er the despot at our feet,
- We will fling the winding-sheet
- And dye it deep in the gore he has pour'd.
- Though black as his heart its hue,
- Since his veins are corrupted to mud,
- Yet this is the dew
- Which the tree shall renew
- Yet this is the dew
- Of Liberty, planted by Ludd!
Erwähnenswertes
- Die Metalcore-Band Heaven Shall Burn besingt in ihrem Lied „The Final March“ den Kampf der Ludditen.
- Ernst Toller schuf ein Drama namens Die Maschinenstürmer.
- In dem Lied "White Coats" von New Model Army, das sich kritisch mit technischem Fortschritt auseinandersetzt, wird ein "toast to the Luddite martyrs then / who died in vain" ausgebracht.
- In Terry Pratchetts Roman "Der Zeitdieb" wird eine Diebesgilde aus Findelkindern als "Ludd's Jungen" bezeichnet.
Literatur
- Edward Palmer Thompson: The Making of the English Working Class; London 1963. Taschenbuchausgabe: ISBN 0394703227. (Dt. <Ausg. u.d.T.: Die Entstehung der englischen Arbeiterklasse, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1987)
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