Luftangriffe auf Tokyo

Luftangriffe auf Tokyo
Für die Luftangriffe verwendete B-29
B-29 werfen Bomben über Japan ab

Die japanische Hauptstadt Tokio war im Zweiten Weltkrieg während des Pazifikkriegs zwischen 1942 und 1945 Ziel zahlreicher amerikanischer Luftangriffe. Der Angriff vom 9. März (in Japan: 10. März) 1945 gilt mit über 100.000 Toten als der folgenschwerste konventionelle Bombenangriff der Menschheitsgeschichte.

Inhaltsverzeichnis

Die Angriffe

Erste Phase: Doolittle Raid

Der erste, damals für Japan überraschende, Luftangriff auf Tokio, der Doolittle Raid, fand am 18. April 1942 statt. Der mit nur 16, von einem Flugzeugträger aus gestarteten Flugzeugen durchgeführte Angriff auf Tokio und Yokohama richtete vergleichsweise geringe Schäden an und diente vor allem der psychologischen Kriegführung, da er auch der erste Angriff auf die japanische Hauptinsel in diesem Krieg war. Die japanische Luftabwehr wurde daher völlig unvorbereitet getroffen und leistete kaum Gegenwehr.

Zweite Phase: Angriffe von China

Ernsthafte Angriffe auf japanische Städte wurden erst 1944 mit der Entwicklung des viermotorigen Bombers B-29 Superfortress möglich. Das Flugzeug besaß eine Reichweite von über 5.000 Kilometern und wurde zunächst von Flugplätzen im alliiert besetzten westlichen China eingesetzt. Die Maschinen wurden von Britisch-Indien über die Luftbrücke The Hump eingeflogen. Später starteten B-29 während der Operation Matterhorn auch von eroberten Pazifikinseln aus nach Japan.

Der erste mit B-29 der US Army Air Force geflogene Angriff auf Japan fand am 15. Juni 1944 statt. Die Flugzeuge starteten in der für die amerikanischen Truppen schwer zugänglichen chinesischen Stadt Chengdu. Von den 68 gestarteten Maschinen des XXth Bomber Command erreichten nur 47 das Zielgebiet, die Stahlwerke in Yawata auf der Insel Kyushu. Aufgrund der weiten Entfernung zum Einsatzort konnte nicht die volle Bombenlast mitgeführt werden, weil der Einbau zusätzlicher Treibstofftanks erforderlich war. Infolge schlechten Wetters und Zielfehlern richteten die abgeworfenen 221 Tonnen Sprengbomben keine gravierenden Schäden an.

Dritte Phase: Angriffe von pazifischen Inseln

Tokio brennt nach dem Brandbombenangriff vom 25. Mai 1945.

Am 24. November 1944 begannen die für Tokio wesentlich massivere Angriffe aus östlicher Richtung. Die Eroberung der Inseln Tinian, Saipan und Guam ermöglichte den Amerikanern Angriffe in direkter Linie über den Pazifik hinweg, ohne den bisherigen Umweg über Indien und China. Am genannten Tag starteten 111 B-29 des XXth Bomber Command. Nur 59 Flugzeuge erreichten das Zielgebiet, die Musashino-Flugzeugwerke in Tokio. Der Bombenabwurf erfolgte aus einer Höhe von rund 10.000 Metern mittels Radarzielsuche. Von den abgeworfenen 399 Tonnen Sprengbomben trafen lediglich 16 Bomben die Flugzeugwerke.

Die Serie verheerender Vernichtungsangriffe auf Tokio begann Anfang 1945. Der Angriff auf Kobe bildete am 3. Februar den Auftakt. Am 25. Februar bombardierten 174 B-29 Tokio mit Napalmbomben und zerstörten eine Fläche von 3 km² dicht bebauten Stadtgebiets. Die von Curtis Le May bestimmte Abwurfhöhe beträgt jetzt nur noch 2.500 anstatt 10.000 Meter um die Treffergenauigkeit durch starke Luftturbulenzen zu mindern. Außerdem hat sich herausgestellt, dass bei der leichten holzbauweise japanischer Häuser die Wirkung von Brandbomben weitaus größer ist.

Es folgten zahlreiche weitere Angriffe auf Tokio. Die Eroberung von Okinawa ermöglichte die Verlegung des VIIIth Bomber Command aus Europa an den pazifischen Kriegsschauplatz und damit eine deutliche Verstärkung der Luftangriffe auf Japan. Die auf Japan abgeworfene Bombenlast wuchs von 12.500 Tonnen im März bis auf 38.700 im Juli 1945.

In der Nacht vom 9./10. März unternimmt das XXIth Bomber Command einen weiteren Luftangriff gegen Tokio. 279 B-29 werfen 1.665 Tonnen Bomben auf die japanische Hauptstadt ab. Zum Einsatz kommen Napalm- und Phosphorbomben. Die Brandbomben zerstören 41 km² Stadtgebiet vollkommen. Nach ersten japanischen Angaben wurden 267.171 Häuser ein Raub der Flammen. 1.008.000 Menschen werden Obdachlos. Offiziell werden die Verluste von 83.793 Toten und 40.918 Verletzten angegeben. Spätere Untersuchungen korrigierten die Anzahl der Todesopfer auf über 100.000. Diese Anzahl überstieg damit sogar die der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki vier Monate später.

Wichtigste B-29 Einsätze gegen Tokio

  • 24. November 1944: 111 B-29 werfen 399 Tonnen Sprengbomben auf die Musashino-Flugzeugwerke.
  • 27. November 1944: 25 B-29 werfen 79 Tonnen Sprengbomben auf die Industrieviertel von Tokio.
  • 3. Dezember 1944: 73 B-29 werfen 165 Tonnen Sprengbomben auf den Hafen, die Musashino-Flugzeugwerke und Wohngebiete.
  • 27. Dezember 1944: 52 B-29 bombardieren die Musashino-Flugzeugwerke.
  • 10. Februar 1945: 84 B-29 bombardieren den Hafen und Wohngebiete.
  • 19. Februar 1945: 119 B-29 bombardieren den Hafen und Wohngebiete.
  • 25. Februar 1945: 174 B-29 werfen 399 Tonnen Napalmbomben auf Wohngebiete. ~28,000 Gebäude werden zerstört.
  • 4. März 1945: 159 B-29 bombardieren den Hafen, die Musashino-Flugzeugwerke und Wohngebiete.
  • 10. März 1945: 279 B-29 werfen 1.665 Tonnen Napalm- und Phosphorbomben auf das Stadtzentrum ab. 41 km² Stadtgebiet werden zerstört.
  • 2. April 1945: 115 B-29 werfen 1.013 Tonnen Bomben auf die Nakajima- Flugzeugwerke.
  • 3. April 1945: 61 B-29 bombardieren die Koizumi-Flugzeugwerke und Wohngebiete mit Phosphorbomben.
  • 7. April 1945: 101 B-29 bombardieren die Nakajima-Flugzeugwerke und Wohngebiete.
  • 12. April 1945: 105 B-29 werfen 547 Tonnen Phosphorbomben auf die Nakajima-Flugzeugwerke und Wohngebiete.
  • 13./14. April 1945: 327 B-29 werfen 2.120 Tonnen Spreng- und Phosphorbomben auf Arsenale im Großraum von Tokio. 28 km² Stadtgebiet werden zerstört.
  • 15. April 1945: 109 B-29 werfen 731 Tonnen Phosphor- und Thermitbomben auf Wohngebiete. 13 km² Stadtgebiet werden zerstört.
  • 5. Mai 1945: 86 B-29 werfen 1123 Seeminen in die Bucht vor Tokio ab.
  • 23./24. Mai 1945: 520 B-29 werfen 3.646 Tonnen Phosphor- und Thermitbomben auf Industrie- und Wohngebiete südlich des Kaiserpalastes.
  • 24./25. Mai 1945: 464 B-29 werfen 3.262 Tonnen Napalm- und Thermitbomben auf Industrie- und Wohngebiete südlich des Kaiserpalastes.
  • 20. Juli 1945: 1 B-29 wirft eine sog. Pumpkin Bomb ab. Diese Bombe ist Baugleich mit der Atombombe Fat Man, besitzt aber anstelle des Kernsprengkopfes konventioneller Sprengstoff. Dieser Angriff dient als Zielübung für die späteren Einsätze der Atombomben. Das Ziel, der Kaiserpalast wird verfehlt.
  • 8./9. August 1945: 60 B-29 werfen 296 Tonnen Sprengbomben auf die Nakajima- Flugzeugwerke und auf Arsenale im Großraum von Tokio.
  • 10. August 1945: 70 B-29 werfen 320 Tonnen Sprengbomben auf die Nakajima- Flugzeugwerke und auf Arsenale im Großraum von Tokio.

Alliierte Absichten und Ziele

Brandbombenopfer Mutter mit Kind.

Die Luftangriffe auf Tokio hatten, ähnlich wie die auf deutsche Städte, zum Ziel, den Kriegswillen der Bevölkerung zu brechen. Aufgrund der bewusst in Kauf genommenen hohen Zahl getöteter Zivilisten werden die Angriffe zu den von alliierter Seite begangenen Kriegsverbrechen gezählt. Der Oberbefehlshaber der XXI. Luftflotte, Curtis E. LeMay, erklärte nach dem Krieg, er wäre vermutlich als Kriegsverbrecher angeklagt worden, falls die USA den Krieg verloren hätten („I suppose if I had lost the war, I would have been tried as a war criminal“). Er empfand seine Einsätze jedoch als gerechtfertigt, da sie seiner Ansicht nach den Krieg verkürzt hätten: „Maj. Gen. Curtis E. LeMay, commander of the B-29's of the entire Marianas area, declared that if the war is shortened by a single day the attack will have served its purpose.“ (New York Times). In der japanischen Bevölkerung wurde er „Unmensch LeMay“ (鬼畜ルメイ, kichiku Rumei) genannt.

Siehe auch

Literatur

  • E. Bartlett Kerr, Flames over Tokyo: The U.S. Army Air Forces' Incendiary Campaign Against Japan, 1944-1945, Donald I Fine, 1991, ISBN 1556113013

Weblinks


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