Lutherische Messe

Lutherische Messe

Deutsche Messe nennt man die Gottesdienstordnungen der Reformationszeit, die versuchen, den abendländischen Abendmahlsgottesdienst in der aus dem Mittelalter überlieferten Form der (römisch-katholischen) Messe in deutscher Sprache und nach den neuen Erkenntnissen der Reformatoren zu gestalten.


Inhaltsverzeichnis

Deutsche Messen vor Luther

Schon sehr bald nach dem ersten Auftreten Martin Luthers wurde der Wunsch laut nach Gottesdienstformen, die entweder neu nach strikt biblischen Grundlagen entworfen werden sollten, oder nach Gottesdiensten, die von denjenigen Elementen der überlieferten liturgischen Traditionen, die als Fehlentwicklungen empfunden wurden, „gereinigt“ werden sollten. Vor allem die mittelalterliche Opfer-Theologie der römischen Messe war den Reformatoren anstößig. So ist z. B. überliefert, dass schon 1522/23 an vielen Orten erste Versuche mit deutschen Abendmahlsgottesdiensten unternommen wurden, z. B. durch Karlstadt in Wittenberg oder durch Martin Bucer, Kaspar Hedio, Johann Schwebel und Johannes Oekolampad auf Franz von Sickingens Ebernburg. Oft wurden dabei nur einzelne Teile des Gottesdienstes ins Deutsche übertragen oder z. B. die Kanon-Gebete (Canon Missae) ausgelassen.

Einige dieser Gottesdienstordnungen wurden gedruckt und fanden rasch Verbreitung und Nachahmung, z. B.

Aus anderen Orten und von anderen Reformatoren ist bekannt, dass sie zumindest Teile der Messe in deutsch hielten oder auch das Abendmahl „unter beiderlei Gestalt“ (also mit Brot und Wein) austeilten.

Die hier genannten Gottesdienstordnungen sind zum Teil sehr unterschiedlich in ihrem Ablauf und ihren Veränderungen gegenüber der mittelalterlichen Messe. Ihnen allen gemeinsam sind aber folgende Punkte:

  • Sie folgen dem Ablauf der mittelalterlichen Messe relativ genau.
  • Sie gebrauchen konsequent die deutsche Sprache.
  • Sie schließen eine Feier des Abendmahls mit Brot und Wein ein.
  • Sie lehnen den früher vom Priester still zu sprechenden Canon Missae ab, der in besonderer Weise Ausdruck der römisch-katholischen Opfer-Theologie war.

Martin Luther: Deutsche Messe 1526

Luther selbst gab den Reformwünschen zunächst nur sehr zögerlich nach, indem er 1523 die beiden Schriften Von ordenung gottes diensts ynn der gemeine und formula missae et communionis veröffentlichte, die beide keine ausgeführte Gottesdienstordnung enthalten, sondern in denen er lediglich erläutert, wie er sich einen neuen, reformatorischen Gottesdienst vorstellt.

Die Deutsche Messe wurde von Martin Luther 1526 herausgegeben. Sie unterscheidet sich von seinen eigenen Schriften aus dem Jahr 1523 und von den oben genannten früheren Versuchen vor allem durch folgende Dinge:

  • Luther schafft für den gottesdienstlichen (liturgischen) Gesang neue, eigene Melodien.
  • Luther weicht von der überlieferten Ordnung der gottesdienstlichen Stücke der Messe an einigen Stellen deutlich ab.
  • Manche Stücke fehlen bei Luther (z. B. das Gloria in excelsis und das Halleluja). Ob er diese Stücke implizit mitgemeint hat oder tatsächlich ausgelassen haben wollte, ist unklar.

Dass in Luthers Gottesdienstordnung keine Lieder erwähnt werden, muss nicht bedeuten, dass keine Lieder gesungen werden sollten. Im Gegenteil, der Liedgesang der Gemeinde z. B. vor und nach der Predigt, während und nach der Austeilung des Abendmahls ist aus anderen Schriften Luthers und seiner Zeitgenossen belegt.

Stücke der Deutschen Messe

Eingangslied oder Introitus (Eingangspsalm)
Kyrie eleison
(Gloria in Excelsis)
Kollektengebet
Epistel
Graduallied
Evangelium
Glaubensbekenntnis als Lied
Predigt
Vaterunser-Paraphrase (Umschreibung) und Vorbereitung zum Abendmahl
Konsekration (durch die Einsetzungsworte)
Elevation
Austeilung des Brotes
Sanctus
Austeilung des Kelches
Dankgebet
Segen

Wirkung von Luthers Deutscher Messe

Die Ordnung, wie sie Luther in der Deutschen Messe vorschlägt, hat sich in den evangelischen Kirchen nicht durchgesetzt. Vor allem die Aufteilung der Austeilung (erst wird das Brot-Wort gesprochen, dann erhalten alle das Brot; dann erst wird das Kelch-Wort gesprochen und alle kommunizieren ein zweites Mal) ist im sonntäglichen Normalgottesdienst schon aus Gründen der Praktikabilität nicht durchführbar. Seine radikale Kürzung und Neuformulierung der Vorbereitung des Abendmahls (u. a. Auslassung der Präfation, der Anamnese und der Epiklese) ging den meisten Theologen und Kirchenleitungen zu weit. Als Normalform des lutherischen und überhaupt des evangelischen Abendmahlsgottesdienstes hat sich deshalb eine Form durchgesetzt, die wesentlich näher am Ablauf der originalen Form der Messe bleibt, wie sie etwa die Brandenburgisch-Nürnbergische Kirchenordnung von 1533 (von Andreas Osiander) oder die norddeutschen Kirchenordnungen von Johannes Bugenhagen bieten. Eine Ausnahme bilden lediglich die südwestdeutschen lutherischen Gebiete (Württemberg, Baden, Pfalz), die auch bei der Feier des Abendmahls der wesentlich schlichteren Fassung des oberdeutschen Predigtgottesdienstes folgen, wie sie etwa die württembergische Kirchenordnung von 1553 enthält.

Weit verbreitet haben sich dagegen die von Luther geschaffenen Melodien, vor allem sein Kyrie eleison, sein deutsches Sanctus „Jesaja, dem Propheten“ und sein Credo-Lied „Wir glauben all an einen Gott“.

Seit der Zeit der sog. „Liturgischen Bewegung“ in den 1920er Jahren hat es wieder Versuche gegeben, Luthers Deutsche Messe auch in der Gegenwart als regelgerechte Gottesdienstform gelten zu lassen, hier wäre besonders die Hochkirchliche Bewegung zu nennen. Dem tragen auch die modernen Agenden der evangelischen Kirche Rechnung, indem sie Adaptionen von Luthers Fassung als eine von mehreren möglichen Varianten zulassen.

Siehe auch

Quellen und Literatur

  • Herbst, Wolfgang: Evangelischer Gottesdienst. Quellen zu seiner Geschichte. Göttingen 1992
  • Smend, Julius: Die evangelischen deutschen Messen bis zu Luthers Deutscher Messe. Göttingen 1896.

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