MB Arthur

MB Arthur

Die Passagiermotorboote der Deutschen Reichsbahn auf dem Bodensee waren eine kleine Flotte von Motorbooten, die von der Reichsbahn von 1920 an für den Personenverkehr betrieben wurden. Von verschiedenen Heimathäfen aus wurden die Boote für lokale Routen, Sonderfahrten und zu touristischen Anlässen eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die neu gegründete Deutsche Reichsbahn übernahm am 1. April 1920 die Länderbahnen von Bayern, Württemberg und Baden. Damit kamen die von den Länderbahnen betriebenen Passagierschiffe auf dem Bodensee in den Geschäftsbereich der Reichsbahn.

Zusätzlich zu den großen Linienschiffen beschaffte die Reichsbahn für den Lokalverkehr und den zunehmend einsetzenden Tourismus über die Jahre auch mehrere kleine Motorboote und betrieb diese über unterschiedlich lange Zeit. Nur zwei dieser Motorboote wurden von der Reichsbahn neu beschafft, die anderen sechs Boote wurden gebraucht gekauft bzw. bei der Übernahme kleiner Fahrgastschiffsbetriebe mit übernommen. Die Erfahrungen und der Erfolg der Passagiermotorboote waren die Grundlage für die Deutsche Bundesbahn als Nachfolgerin der Reichsbahn, vorwiegend Werftneubauten zu beschaffen und mit der Raubvogelklasse eine kleine Schiffsbaureihe in Auftrag zu geben.

Boote

MB Adler

Das erste Passagiermotorboot mit dem Namen „Adler“ gehört zu der ersten Gruppe von drei Boote, die von der Reichsbahn 1920 gebraucht gekauft wurden. Das Boot wurde bereits 1912 für einen privaten Eigner gebaut. Mit einer Motorleistung von 160 PS war die „Adler“ das stärkste der drei Boote. Sie wurde dem Hafen Konstanz zugeteilt und für Fahrten im Konstanzer Trichter eingesetzt. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Boot als Reparationsleistung von den französischen Truppen beschlagnahmt und abtransportiert, der weitere Verbleib und das Schicksal der „Adler“ ist unbekannt.

Nachfolgeschiffe für die „Adler“ gab es erst 1953: Als namentlicher Nachfolger die „Adler“ der Raubvogelklasse, als Nachfolger mit Heimathafen Konstanz die Motorboote „Woge“, „Falke“ und „Sperber“ (die letzten beiden sind ebenfalls Boote der Raubvogelklasse).

Daten:
Baujahr: 1912 Länge: 10,40 m Motorleistung: 160 PS
Werft: ? Breite: 1,80 m Geschwindigkeit: 21,0 km/h
Indienststellung (DR): 1920 Tiefgang: ? Kapazität: 25 Pers.
Heimathafen: Konstanz Tonnage: 3,0 to Verbleib: ?

MB Bayern

Die „Bayern“ wurde bereits 1908 bei der Rolandwerft in Bremen gebaut. Während des Ersten Weltkriegs wurde das Boot unter dem Namen „Gemmingen“ beim Grenzschutz in Lindau eingesetzt, 1919 an die Hafenmeisterei Lindau verkauft und 1920 von der Reichsbahn übernommen. Hier wurde das Boot in „Bayern“ umbenannt und vom Heimathafen Lindau aus für Dienst- und Gesellschaftsfahrten eingesetzt. 1930 wurde eine Linie zwischen Lindau und dem ca. 3 km entfernten Strandbad Eichwald südöstlich von Reutin eingerichtet, die mit der „Bayern“ bedient wurde. 1936 wurde das Boot mit einem Maybach-Motor neu motorisiert.

1949 wurde das Motorboot auf der Bodan-Werft in Kressbronn grundlegend umgebaut und in den neuen Heimathafen Friedrichshafen verlegt, wo die „Bayern“ das von den Franzosen beschlagnahmte „MB Buchhorn“ ersetzte. Dort wurde sie noch bis zum 1. September 1956 weiter betrieben und dann ausgemustert. Ihr Nachfolgeschiff in Friedrichshafen war das Omnibusboot „Hecht“.

Daten:
Baujahr: 1908 Länge: 14,70 m Motorleistung: 45 PS
Werft: Rolandwerft Bremen Breite: 3,00 m Geschwindigkeit: 19,0 km/h
Indienststellung (DR): 1920 Tiefgang: 0,90 m Kapazität: 32 Pers.
Heimathafen: Lindau Tonnage: 6,0 to Verbleib: 1956 ausgemustert

MB Nymphe

1906 nahm die Stadt Radolfzell den Schiffsbetrieb auf dem Untersee auf, und kaufte dafür ein gebrauchtes Motorboot vom Greifensee. Der Radolfzeller Schiffsbetrieb ging 1920 in der Reichsbahn auf, die zunächst die „Nymphe“ weiterbetrieb, aber schon 1921 an die Schweizerische Dampfschiffahrts AG nach Schaffhausen verkaufte. Das Boot blieb weiter im Fahrgastverkehr rund um die Höri eingesetzt, und wurde ab 1923 von der Reichsbahn für dieselbe Verwendung angemietet. 1930 schließlich kaufte die Reichsbahn die „Nymphe“ zurück. Da aber seit 1929 und 1930 zwei größere Motorschiffe, die „MS Mettnau“ und die „MS Schienerberg“, ebenfalls im Kursverkehr auf dem Untersee eingesetzt wurden, bestand für die „Nymphe“ kein Bedarf mehr. Daher wurde das Boot 1931 abgewrackt.

Daten:
Baujahr: vor 1906 Länge: 12,30 m Motorleistung: 24 PS
Werft: Escher Wyss, Zürich Breite: 3,75 m Geschwindigkeit: 15,5 km/h
Indienststellung (DR): 1920 Tiefgang: 1,05 Kapazität: 60 Pers.
Heimathafen: Radolfzell Tonnage: ? Verbleib: 1931 verschrottet

MB Reichenau

Die „Reichenau“ wurde von der Bodan-Werft Kressbronn gebaut und 1928 von der Reichsbahn für den Untersee-Verkehr auf Fahrgastrouten zwischen Radolfzell, Iznang und der Insel Reichenau in Dienst gestellt. Mit kriegsbedingten Einschränkungen während des Zweiten Weltkriegs war das Boot bis in die 1950er Jahre ganzjährig in Betrieb. 1961 erfolgte der Verkauf an ein Berliner Schifffahrtsunternehmen, das die „Reichenau“ mehrmals umbaute und unter dem neuen Namen „Tegel“ betrieb. 1976 erfolgte ein weiterer Verkauf und eine erneute Namensänderung in „Seute Deern“. Noch heute ist das Boot auf Havel und Spree unterwegs, inzwischen unter dem Namen „MS Berlin“.

Ein Nachfolgeschiff auf dem Bodensee hatte die „Reichenau“ bereits 1961 mit einen dreimal so großen Schiffsneubau, der auch den Namen „Reichenau“ übernahm.

Daten:
Baujahr: 1928 Länge: 19,00 m Motorleistung: 165 PS
Werft: Bodan-Werft Kressbronn Breite: 4,00 m Geschwindigkeit: 21,5 km/h
Indienststellung (DR): 1928 Tiefgang: 0,89 m Kapazität: 90 Pers.
Heimathafen: Konstanz Tonnage: 23,0 to Verbleib: als „MS Berlin“ aktiv

MB Reutin

Das 1929 gebaute Motorboot „Reutin“ gehörte wie die im Jahr zuvor gebaute „Reichenau“ zu den einzigen Neubauten an Fahrgastbooten für die Reichsbahn. Die „Reutin“ wurde, wie der andere Schiffsneubau dieses Jahres für die Reichsbahn, die MS Allgäu, dem Hafen Lindau zugeordnet. Eingesetzt wurde die Reutin wie die „Bayern“ auf der Linie zum Strandbad Eichwald. 1964 wurde das Boot an ein privates Schifffahrtsunternehmen am Untersee verkauft, wo es als „Santa Maria“ ganzjährig auf der Strecke Gaienhofen - Steckborn eingesetzt wurde.

Daten:
Baujahr: 1929 Länge: 16,67 m Motorleistung: 150 PS
Werft: Deggendorfer Werft Breite: 3,35 m Geschwindigkeit: 21,0 km/h
Indienststellung (DR): 1929 Tiefgang: 1,00 m Kapazität: 80 Pers.
Heimathafen: Lindau Tonnage: 17,8 to Verbleib: als „MB Santa Maria“ aktiv

MB Silberhecht

Das 1910 gebaute Motorboot „Silberhecht“ wurde auf dem Bodensee als einziges Fahrgastboot eines privaten Schifffahrtsunternehmen betrieben. 1937 wurde das Boot durch einen Brand stark beschädigt und von der Werft Michelsehn in Seemoos wieder instand gesetzt. 1938 übernahm die Reichsbahn das Unternehmen mit der „Silberhecht“, und setzte das Boot auf der zunehmend stärker ausgelasteten Linie zum Strandbad Eichwald ein.

In den Kriegsjahren wurde die „Silberhecht“ immer weniger eingesetzt, und am Kriegsende von der französischen Besatzungsmacht als Reparationsleistung konfisziert. Der Verbleib und das weitere Schicksal ist auch bei diesem Boot unbekannt.

Daten:
Baujahr: 1910 Länge: 16,00 m Motorleistung: 70 PS
Werft: ? Breite: 3,25 m Geschwindigkeit: 14,0 km/h
Indienststellung (DR): 1938 Tiefgang: ? Kapazität: 60 Pers.
Heimathafen: Lindau Tonnage: 12,0 to Verbleib: ?

MB Arthur

Die „Arthur“ wurde 1912 von der Lürssen-Werft in Bremen-Vegesack gebaut und in Swinemünde unter dem Namen „Rolf“ eingesetzt. 1939 wurde es von der Eisenbahngesellschaft Oldenburg übernommen, der das Boot seit 1921 gehörte. Mit der „Arthur“ wurden die Boote „Bayern“, „Reutin“ und „Silberhecht“ im Lokalverkehr unterstützt, besonders auf der Linie zum Strandbad Eichwald. Und wie die „Bayern“ und die „Silberhecht“ wurde die „Arthur“ nach Kriegsende konfisziert und mit unbekanntem Ziel abtransportiert.

Daten:
Baujahr: 1912 Länge: 15,50 m Motorleistung: 100 PS
Werft: Lürssen-Werft Vegesack Breite: 3,20 m Geschwindigkeit: 19,0 km/h
Indienststellung (DR): 1939 Tiefgang: ? Kapazität: 60 Pers.
Heimathafen: Lindau Tonnage: 10,0 to Verbleib: ?

MB Glückauf

Die „Glückauf“ war das kleinste im Lindauer Hafen stationierte Passagiermotorboot der Reichsbahn, das wie die „Silberhecht“ von einem privaten Schifffahrtsunternehmen übernommen wurde. Im Dienst des Vorbesitzers kam es im Lindauer Hafen am 9. Mai 1934 zu einer Kollision mit der „MS Thurgau“, das Boot konnte repariert und weiter betrieben werden.

Für die Reichsbahn wurde die „Glückauf“ wie die anderen Bassagiermotorboote im Strandbadverkehr eingesetzt, hatte aber von allen Reichsbahnbooten die kürzeste Dienstzeit auf dem Bodensee. Denn bereits drei Jahre später wurde die „Glückauf“ für den Kriegseinsatz requiriert und von der Wehrmacht an den Dnjepr gebracht, wo sie als Soldatenfähre eingesetzt wurde und verloren ging.

Daten:
Baujahr: 1912 Länge: 10,40 m Motorleistung: 60 PS
Werft: Rummelsburger Werft Berlin Breite: 1,80 m Geschwindigkeit: 21,0 km/h
Indienststellung (DR): 1939 Tiefgang: 0,65 Kapazität: 25 Pers.
Heimathafen: Lindau Tonnage: 5,0 to Verbleib: Kriegsverlust 1942

Siehe auch

Weblinks


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