Machui

Machui

Artur von Machui (* 5. August 1904 in Ocklitz/Eichwall (Schlesien), † 6. April 1971 in Hamburg) war ein deutscher Agrarexperte und Publizist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Aus einer konservativen schlesischen Gutsbesitzerfamilie stammend studierte Artur von Machui zwischen 1922 und 1927 Soziologie, Philosophie, Landwirtschaftslehre sowie Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Breslau, Freiburg im Breisgau, Neapel und Kiel und schloss als Diplom-Volkswirt ab. In Kiel gehörte er zu den Schülern von Adolf Löwe. Als Führer der „Schlesischen Jungmannschaft“, einem Zusammenschluss von Wandervogel und Pfadfindern in Nieder- und Oberschlesien, war er 1925 Mitbegründer des Volkshochschulheims „Boberhaus“ in Löwenberg (Schlesien) und arbeitete dort mit Mitgliedern der späteren Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis zusammen. Gemeinsam mit Eugen Rosenstock-Huessy organisierte er freiwillige gemeinsame Arbeitslager für Studenten, junge Bauern und Arbeiter und widersetzte sich 1930 einer Verschmelzung der Schlesischen Jungmannschaft mit dem rechtsgerichteten Großdeutschen Jugendbund unter Admiral a. D. Adolf von Trotha.

Seine berufliche Laufbahn begann mit Tätigkeiten beim „Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen“ (Berlin 1927/28), an der Universität Heidelberg (Institut für Zeitungswesen, 1928 bis 1930) und dem Bibliographischen Institut in Leipzig (1930 bis 1931). 1929 trat er der SPD bei und gehörte zum Kreis um die Neuen Blätter für den Sozialismus, der eine umfassende geistige und politische Erneuerung der SPD unter reformistischen Vorzeichen anstrebte. 1931 bis 1933 war v. Machui im Siedlungswesen tätig (Sachbearbeiter und persönlicher Referent des Generaldirektors in der Schlesischen Landgesellschaft m.b.H., Breslau; Leitender Redakteur des Ostdeutschen Grenzboten). 1933 wurde er wegen „Verfolgung sozialistischer Ziele“ fristlos entlassen und gründete bei Nauen das „Lehrdorf Königshorst“. 1938 heiratete er Marianne Pallat, die Tochter des preußischen Ministerialbeamten und Unterrichtsreformers Ludwig Pallat (1867–1946), stand in engem Kontakt zu seinem Schwager Adolf Reichwein und arbeitete beim landwirtschaftlichen Forschungsdienst sowie als Fachpublizist in Berlin, ab 1942 beim Verlag „Deutsche Landbuchhandlung“ des Schriftstellers Heinrich Sohnrey. Schwerpunkte waren Fragen des Genossenschaftswesens, der Arbeitsverfassung und der Dorforganisation.

1946 bis 1949 war er Referatsleiter für Landarbeiterfragen in der zunächst britischen, dann bizonalen, schließlich auf das gesamte Bundesgebiet bezogenen „Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (VELF)“ (Direktor: Hans Schlange-Schöningen), der Vorläuferin des späteren Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Er gab die Korrespondenz Agrarpolitische Informationen heraus. Zwischen 1947 und 1949 initiierte er zusammen mit Werner von Trott u.a. eine Reihe von Zusammenkünften der Gesellschaft Imshausen, an denen Politiker, Wissenschaftler und Publizisten aus Ost und West teilnahmen. 1947 gründete er zusammen mit Tassilo Tröscher und anderen in Göttingen die Agrarsoziale Gesellschaft e. V.. Er setzte sich in Westdeutschland neben einer Bodenreform für eine Agrarreform ein, die privat- und gemeinwirtschaftliche Elemente umfasst.

Aufgrund der Teilnahme an Veranstaltungen der interzonalen „Aktionsgemeinschaft der Jugend für ein einiges Deutschland“ in Braunschweig und Hannover wurde er am 21. Mai 1949 aus der SPD ausgeschlossen und musste seine Stellung in der Verwaltung aufgeben. Er beteiligte sich danach am Aufbau der „Sozialdemokratischen Aktion“ (SDA), einer linken SPD-Abspaltung, in deren Rahmen er 1949 bis 1951 die Gesamtdeutschen Agrarpolitischen Informationen (GAPI) und das SDA-Organ Unsere Aktion herausgab. Dieser Versuch einer Zusammenarbeit mit Politikern der DDR (Franz Dahlem, Karl Schirdewan, Erich Glückauf u.a.) scheiterte bereits Ende 1950 an der Instrumentalisierung der SDA durch Mitglieder der SED und KPD. A. v. Machui trat am 24. Januar 1951 aus der SDA aus. Bis zu seinem Tod war er freiberuflich tätig. 1960 ergriff er unter dem Pseudonym Victor Silling Partei für den wegen seiner Tätigkeiten im Zweiten Weltkrieg angegriffenen Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer.

Rückblickend beschrieb er seine politische Entwicklung:

„Politisch habe ich mich von einem radikalen (zu keinem Zeitpunkt jedoch marxistischen!) Sozialisten zu einem temperierten (keineswegs reaktionären!) konservativen Demokraten entwickelt. Bis 1944 ging ich den politischen Weg gemeinsam mit meinem Freund und Schwager Professor Dr. Adolf Reichwein, hingerichtet am 20. Juli 1944. In jeder Phase lehnte ich den Nationalismus bewusst ab. Zweimal verlor ich durch die NSDAP meine berufliche Existenzgrundlage. Vom Sozialismus, auch vom demokratischen, trennte ich mich 1951/52, als mir persönliche Versuche einer westöstlichen Zusammenarbeit zeigten, dass ich für den Marxismus als solchen offenbar gar kein Organ besitze und ihn als katholischer Christ letztlich auch ablehne.“ (Aus dem Nachlass)

Werke

  • Unsere Verantwortung gegenüber dem Land. In: Neue Blätter für den Sozialismus, Jg. 2/1931, H. 8
  • Aufstiegssiedlung mit ostdeutschen Siedlern. Ihre menschliche Vorbereitung und organisatorische Durchführung in Niederschlesien. Flugschriften der Reichsstelle für Siedlerberatung, hrsg. von Dr. Johannes Schauff. Berlin 1932
  • Wirtschaftliche Bilanz des deutschen Arbeitsdienstes. In: Internationale Zeitschrift für Erziehung, Jg. 6/1937, Seite 16 bis 19
  • Die Landschaft der Bauerndörfer. In: Neues Bauerntum 32, 1940, Seite 183–186
  • Heimatfestigkeit und Bodenständigkeit volksdeutscher Bauern in den neuen Reichsteilen. In: Heimatleben, Jg. 1940, Seite 121-131
  • Zur Neuordnung der bäuerlichen Betriebe und ihrer Arbeitsverfassung. In: Konrad Meyer u.a. (Hg.): Landvolk im Werden. Berlin 1941, Seite 212-240
  • Die Rolle der Genossenschaften in der künftigen Gemeinschaftsordnung des Landes. In: Konrad Meyer u. a. (Hrsg.): Landvolk im Werden. Berlin 1941, Seite 258-270
  • Gegenwärtige Aufgaben politischer Agrarwissenschaft. In: Forschungsdienst 14, 1942, S. 190-192
  • Zum 85. Geburtstag Heinrich Sohnreys. Sein Beitrag zur ländlichen Soziallehre. In: Forschungsdienst 17, 1944, Seite 291-96
  • Dem Gedächtnis Adolf Reichweins. In: Die Sammlung, Jg. 1/1945 bis 1946, H. 1
  • Gedanken und Ergebnisse der ersten Agrarsozialen Konferenz in Northeim, Hannover vom 3. bis 5. Mai 1947 / Bearb. für die Agrarsoziale Arbeitsgruppe durch Artur v. Machui. Agrarsoziale Arbeitsgruppe, Göttingen 1947
  • Stellungnahmen zur agrarsozialen Situation / Bearb. für die Agrarsoziale Arbeitsgruppe durch Artur v. Machui. Agrarsoziale Arbeitsgruppe, Göttingen Herbst 1947
  • Hoffnungsloses Proletariat? Möglichkeiten einer sozialen Aktivierung der Landarbeiterschaft. In: Frankfurter Hefte, Jg. 3/1948, H. 12
  • Das soziale Prinzip in der Agrarpolitik. In: Agrarsoziale Gesellschaft e.V. (Hg.), Agrarsoziale Ziele und Fragen. Ergebnisse einer Arbeitstagung. Göttingen, Frühjahr 1948
  • West-östliche Zusammenarbeit in Deutschland. Das Exempel der Sozialdemokratischen Aktion SDA und des freien Mitarbeiterkreises der Gesamtdeutschen Agrarpolitischen Informationen GAPI 1949/1951, Frankfurt 1951 (Manuskript)
  • Bilderbuch Italien. Bildzsstell.: Ludwig Heiss. Textbearb.: Artur v. Machui, Frankfurt/M., Wien 1954
  • J. Peter Nettl: Die deutsche Sowjetzone bis heute. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Übersetzung Artur v. Machui. Frankfurt 1953
  • Titel - Anreden - Ränge. Heidelberg, München 1959
  • Silling, Victor (Pseudonym): Die Hintergründe des Falles Oberländer. Wolfenbüttel 1960
  • Giuseppe Garibaldi: Fast zerbrach das Schwert Italiens. Limburg/Lahn u. Kreuzweingarten/Rhld 1961

Literatur

  • Peter Dudek: Erziehung durch Arbeit. Arbeitslagerbewegung und Freiwilliger Arbeitsdienst 1920-1935. Opladen 1988
  • Jürgen von der Trappen: Die schlesische Jungmannschaft in den Jahren von 1922 bis 1932. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Jugendbewegung, Essen 1996 (maschinenschriftl. Dissertation)
  • Walter Greiff: Das Boberhaus in Löwenberg/Schlesien 1933-1937. Selbstbehauptung einer nonkonformen Gruppe, Sigmaringen 1985.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Artur von Machui — (* 5. August 1904 in Ocklitz/Eichwall (Schlesien); † 6. April 1971 in Hamburg) war ein deutscher Agrarexperte und Publizist. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Boberhaus — Das Boberhaus war ein Volksbildungshaus und „Grenzvolkshochschulheim“ in Löwenberg (Schlesien). Etwa zehn Jahre diente diese Bildungsstätte als ein Haus, in dem die Jugend aller Parteien, Klassen und Bekenntnisse (...) für kürzere oder längere… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Mac — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Gesellschaft Imshausen — Kurhessisches Schloss Imshausen, heute Sitz der Stiftung Adam von Trott Imshausen. Die Gesellschaft Imshausen war eine 1947 gegründete Organisation, die Wege zur Erneuerung Deutschlands diskutierte. Auf Initiative Werner von Trotts trafen sich… …   Deutsch Wikipedia

  • Tassilo Tröscher — (* 25. Dezember 1902 in Atzenbach, Landkreis Lörrach; † 9. Juli 2003 in Wiesbaden) war ein deutscher Politiker (SPD) und Hessischer Minister für Landwirtschaft und Forsten. Leben Nach dem Studium der Landwirtschaft an der Universität Hohenheim… …   Deutsch Wikipedia

  • Gewandung — Ge|wạn|dung 〈f. 20〉 1. 〈selten〉 Kleidung, die Art u. Stil, sich zu kleiden 2. 〈Kunst〉 Anordnung der Gewänder * * * Ge|wạn|dung, die; , en [zu ↑ gewanden]: 1. (geh., sonst österr. u. südd.) besondere Kleidung für einen bestimmten Zweck: in… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”