Mackie Messer

Mackie Messer

Die Dreigroschenoper ist ein Theaterstück von Bertolt Brecht mit Musik von Kurt Weill. Die Uraufführung fand am 31. August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin statt. Das «Stück mit Musik in einem Vorspiel und acht Bildern» wurde die erfolgreichste deutsche Theateraufführung bis 1933, einige Musiknummern wie die Moritat von Mackie Messer wurden Welthits.

Verlagseinband des Erstdruckes 1928

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Die Handlung kreist um den Konkurrenz- und Existenzkampf zwischen zwei „Geschäftsleuten“, dem Kopf der Londoner Bettelmafia, der Bettler erpresst und sie so ausstattet, dass sie das Mitleid der Passanten erregen, und einem Verbrecher, der gute Beziehungen zum Polizeichef von London hat.

Ort und Zeit der Handlung: Das Stück ist in Soho, einem Londoner Stadtteil, der zum Zeitpunkt der Handlung von zwielichtigen Gestalten beherrscht wird, während des 18. Jahrhunderts angesiedelt. Eine Zeitangabe ist im Stück selbst nicht angegeben. Üblicherweise wird als Zeit 1728 - das Entstehungsjahr der Vorlage - angenommen, oder aber die Entstehungszeit der Dreigroschenoper selbst, also die 1920er Jahre.

"Sie werden jetzt eine Oper hören. Weil diese Oper so prunkvoll gedacht war, wie nur Bettler sie erträumen, und weil sie so billig sein sollte, dass Bettler sie bezahlen können, heißt sie "Die Dreigroschenoper" (Einleitender Text von Brecht zur Schallplatten-Aufnahme)

Vorspiel

Jahrmarkt in Soho. ("Die Bettler betteln, die Diebe stehlen, die Huren huren. Ein Moritatensänger singt eine Moritat.")

Ein Moritatensänger singt Die Moritat von Mackie Messer, in der er die Untaten des Gaunerbosses vorstellt.

Erster Akt

1. Jonathan Jeremiah Peachums Bettlergarderoben. ("Um der zunehmenden Verhärtung der Menschen zu begegnen, hatte der Geschäftsmann J. Peachum einen Laden eröffnet, in dem die Elendsten der Elenden jenes Aussehen erhielten, das zu den immer verstockteren Herzen sprach.")

Jonathan Peachum ist Inhaber der Firma „Bettlers Freund“, in der Londons Bettler organisiert sind und gegen Abgabe der Hälfte ihrer Einnahmen Hilfsmittel und Unterstützung erhalten. Doch er hat Sorgen: nicht nur muss er sich mit Bettlern wie Filch herumärgern, die selbstständig und auf eigene Faust gebettelt haben, nein, er muss auch noch feststellen, dass seine Tochter Polly mit dem Gangster Mackie Messer fortgegangen und nicht nach Hause gekommen ist.

2. Leerer Pferdestall. ("Tief im Herzen Sohos feiert der Bandit Mackie Messer seine Hochzeit mit Polly Peachum, der Tochter des Bettlerkönigs.")

Polly und Mackie Messer feiern unterdessen in einem Pferdestall Hochzeit, Hochzeitsgäste sind die Platte (Mackies Gangster), die gestohlene Möbel für die Ausstattung heranschleppen. Pastor Kimball traut die Liebenden.

3. Peachums Bettlergarderoben. ("Für Peachum, der die Härte der Welt kennt, bedeutet der Verlust seiner Tochter dasselbe wie vollkommener Ruin.") Als Peachum und seine Frau davon erfahren, beschließen sie, Mackie an die Polizei auszuliefern.

I. Dreigroschen-Finale ("Über die Unsicherheit menschlicher Verhältnisse")

Peachum, Mrs. Peachum und Polly singen das 1. Dreigroschen-Finale.

Zweiter Akt

4. Der Pferdestall. ("Donnerstag Nachmittag: Mackie Messer nimmt Abschied von seiner Frau, um vor seinem Schwiegervater auf das Moor von Highgate zu fliehen.")

Polly warnt ihren Mann vor der drohenden Verhaftung. Dieser flieht umgehend – jedoch nicht ins Moor von Highgate, sondern in ein Hurenhaus.

Zwischenspiel ("Vor den Vorhang tritt Frau Peachum mit der Spelunken-Jenny.")

5. Hurenhaus in Turnbridge. ("Die Krönungsglocken waren noch nicht verklungen und Mackie Messer saß bei den Huren von Turnbridge! Die Huren verraten ihn. Es ist Donnerstag abend.")

Jenny, eine der Huren und seine Ex-Geliebte, verrät Mackie. Er wird verhaftet.

6. Gefängnis in Old Bailey, ein Käfig. ("Verraten von den Huren, wird Macheath durch die Liebe eines weiteren Weibes aus dem Gefängnis befreit.")

Lucy, die Tochter des Polizeichefs Brown und eine frühere Geliebte Mackies, besucht ihn im Gefängnis und macht ihm Vorwürfe wegen seiner Untreue. Als auch Polly ihren Mann im Gefängnis besuchen will, kommt es zu einer Eifersuchtsszene zwischen den beiden Frauen. Mackie gelingt es dennoch, Lucy dazu zu überreden, ihm zur Flucht zur verhelfen.

II. Dreigroschen-Finale ("Wovon lebt der Mensch?")

Macheath und Spelunken-Jenny treten vor den Vorhang und singen bei Songbeleuchtung das 2. Dreigroschen-Finale

Dritter Akt

7. Peachums Bettlergarderoben. ("In derselben Nacht rüstet Peachum zum Aufbruch. Durch eine Demonstration des Elends beabsichtigt er, den Krönungszug zu stören.")

Am Krönungstag der (nicht näher bezeichneten) Königin (gemeint ist offenbar Königin Victoria) wird Mackie, der mittlerweile bei einer anderen Geliebten Unterschlupf gefunden hat, erneut verraten und verhaftet.

Zwischenspiel ("Vor dem Vorhang erscheint Jenny mit einem Leierkasten und singt den Salomon-Song.")

8. Ein Mädchenzimmer in Old Bailey. ("Kampf um das Eigentum.")

9. Todeszelle. ("Freitag morgen, 5 Uhr: Mackie Messer, der abermals zu den Huren gegangen ist, ist abermals von den Huren verraten worden. Er wird nunmehr gehängt.")

Unter dem Galgen leistet Mackie Messer jedermann Abbitte.

III. Dreigroschen-Finale ("Auftauchen des reitenden Boten.")

Doch kurz bevor es zur Hinrichtung kommt, erscheint Brown als berittener königlicher Bote und verkündet, dass Mackie nicht nur begnadigt, sondern auch in den Adelsstand erhoben wird.

Die Songs

Kurt Weill vermischte in seiner Musik zur "Dreigroschenoper" Elemente aus Jazz und Tango, Blues und Jahrmarkts-Musik, und garnierte sie mit ironischen Seitenhieben auf Oper und Operette. Eine Musiknummer, der Morgenchoral des Peachum, wurde aus der Vorlage von Johann Christoph Pepusch übernommen. Eingelegt sind Balladen nach François Villon (u.a. Ballade, in der Macheath jedermann Abbitte leistet, Ruf aus der Gruft oder Die Zuhälter-Ballade) und Rudyard Kipling (Der Kanonensong).

Orchesterbesetzung

Die Musik ist für neun Musiker auf zweiundzwanzig Instrumenten geschrieben, entsprechend der damaligen Praxis, bei der in Salon-Orchestern und ähnlichen Ensembles die Musiker abwechselnd verschiedene Instrumente spielten.

Altsaxophon in Es (auch Flöte, Klarinette in B und Baritonsaxophon in Es)
Tenorsaxophon in B (auch Sopransaxophon in B, Fagott, eventuell Bassklarinette)
2 Trompeten
Posaune (auch Kontrabass)
Banjo (auch Violoncello, Gitarre, Hawai-Gitarre und Bandoneon, eventuell Mandoline)
Pauke
Schlagwerk
Harmonium (auch Celesta)
Klavier (Direktion)

Vorspiel und Erster Akt

  • 1. Ouvertüre (Klarinette, Sopransaxophon, Altsaxophon, Tenorsaxophon, 2 Trompeten, Posaune, Pauke, Banjo, Harmonium)
  • 2. Die Moritat von Mackie Messer - Moritatensänger (Sopransaxophon, Altsaxophon, Tenorsaxophon, Trompete, Posaune, Becken, Tamburo Legno, Tamburo, Piccolo, Tomtom, Große Trommel, Banjo, Harmonium, Klavier)
  • 3. Der Morgenchoral des Peachum - Peachum (Harmonium)
  • 4. Der Anstatt-Dass-Song - Peachum, Mrs. Peachum (Altsaxophon, Tenorsaxophon, Trompete, Posaune, Glockenspiel, Große Trommel, Banjo, Harmonium, Klavier, Cello, Kontrabass)
  • 5. Das Hochzeitslied für ärmere Leute - Platte (Altsaxophon, Tenorsaxophon, 2 Trompeten, Posaune, Bandoneon, Harmonium oder Klavier)
  • 6. Die Seeräuberjenny - Polly (2 Klarinetten, Trompete, Posaune, Becken, Triangel, Tomtom, Tamburo Piccolo, Große Trommel, Banjo, Klavier)
  • 7. Der Kanonensong - Macheath, Tiger-Brown (Ottavino, Altsaxophon, Tenorsaxophon, Baritonsaxophon, 2 Trompeten, Posaune, Becken, Tamburo Di Jazz, Tamburo Legno, Tamburo Piccolo, Große Trommel, Banjo, Hawaigitarre, Klavier)
  • 8. Liebeslied - Macheath, Polly (Altsaxophon, Tenorsaxophon, Trompete, Pauke, Becken, Tamburo Di Jazz, Klavier, Cello, Kontrabass)
  • 9. Barbarasong (Der Song vom Nein und Ja) - Polly (Altsaxophon, Tenorsaxophon, Trompete, Posaune, Banjo, Klavier)
  • 10. I. Dreigroschen-Finale: Über die Unsicherheit menschlicher Verhältnisse - Peachum, Mrs. Peachum, Polly (Flöte, Klarinette, Altsaxophon, Tenorsaxophon, Fagott, 2 Trompeten, Posaune, Pauke, Tamburo Legno, Tamburo Piccolo, Große Trommel, Banjo, Harmonium, Klavier, Cello, Kontrabass)

Zweiter Akt

  • 11. Melodram - Macheath, Polly (Flöte, Sopransaxophon, Gitarre, Celesta, Kontrabass)
  • 11a. Pollys Lied - Polly (Klarinette, Sopransaxophon, Tenorsaxophon, Trompete, Glockenspiel, Harmonium, Klavier, Cello, Kontrabass)
  • 12. Die Ballade von der sexuellen Hörigkeit - Mrs. Peachum (Bassklarinette, Altsaxophon, Tenorsaxophon, Baritonsaxophon, Fagott, 2 Trompeten, Posaune, Gitarre, Bandoneon, Harmonium)
Diese Nummer stand ursprünglich anstelle des "Salomonsongs" (Nr. 18) und wurde zwei Wochen vor der Uraufführung gestrichen.
  • 13. Die Zuhälterballade - Macheath, Jenny (Flöte, Klarinette, Sopransaxophon, Altsaxophon, Tenorsaxophon, Trompete, Pauke, Becken, Tamburo di Jazz, Tamburo Legno, Tamburo Piccolo, Große Trommel, Banjo, Hawaigitarre oder Mandoline, Gitarre, Bandoneon, Klavier, Kontrabass)
  • 14. Die Ballade vom angenehmen Leben - Macheath (Altsaxophon, Tenorsaxophon, Trompete, Posaune, Becken, Tamburo Piccolo, Große Trommel, Banjo, Klavier)
  • 15. Das Eifersuchtsduett - Lucy, Polly (Klarinette, Altsaxophon, Tenorsaxophon, 2 Trompeten, Pauke, Becken, Tamburo Piccolo, Banjo, Klavier, Harmonium oder Klavier, Cello, Kontrabass)
  • 16. II. Dreigroschen-Finale: Über die Frage „Wovon lebt der Mensch?“ - Macheath und Jenny oder Mrs. Peachum, Chor (Altsaxophon, Tenorsaxophon, 2 Trompeten, Posaune, Pauke, Becken, Tamburo Di Jazz, Tamtam, Große Trommel, Gitarre, Bandoneon, Klavier)

Dritter Akt

  • 17. Das Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens - Peachum (Altsaxophon, Tenorsaxophon, 2 Trompeten, Posaune, Becken, Triangel, Tamburo Legno, Große Trommel, Bandoneon, Klavier)
  • 18. Salomonsong - Jenny (Harmonium)
  • 19. Ruf aus der Gruft, (Epistel An Seine Freunde) - Macheath (Altsaxophon, Tenorsaxophon, Trompete, Posaune, Tomtom, Klavier)
  • 20. Grabschrift (Ballade, in der Macheath Jedermann Abbitte leistet) - Macheath (Flöte, Altsaxophon, Tenorsaxophon, Fagott, 2 Trompeten, Posaune, Glocken, Tamburo rullante, Große Trommel, Harmonium, Klavier, Cello, Kontrabass)
  • 20a. Gang zum Galgen (Altsaxophon, Tenorsaxophon, Trompete, Posaune, Becken, Tomtom, Tamburo Piccolo, Große Trommel, Harmonium)
  • 21. III. Dreigroschen-Finale - Tiger-Brown, Macheath, Polly, Peachum, Mrs. Peachum, Chor (Klarinette, Altsaxophon, Tenorsaxophon, Fagott, 2 Trompeten, Posaune, Becken, Triangel, Tomtom, Tamburo Piccolo, Tamburo rullante, Große Trommel, Banjo, Gitarre, Bandoneon, Harmonium, Klavier, Kontrabass)

Epilog und Anhang

  • Epilog: Die Schlussstrophen der Moritat - Moritatensänger (Sopransaxophon, Altsaxophon, Tenorsaxophon, Trompete, Posaune, Becken, Tamburo Legno, Tamburo Piccolo, Tomtom, Große Trommel, Banjo, Harmonium, Klavier)
  • Arie der Lucy - Lucy (Klavier, existiert auch als Orchester-Arrangement)
Diese Nummer ist mitsamt der Szene, in der sie enthalten war, vor der Uraufführung gestrichen worden. Der Vokalpart erfordert einen ausgezeichneten dramatischen Sopran. Die Arie existiert nur als Klavierauszug und wurde von Weill nicht instrumentiert. Ihr Platz wäre zwischen Nr. 18 und Nr. 19.

Kleine Dreigroschenmusik

1928 komponierte Kurt Weill eine Suite aus der Dreigroschenoper, die "Kleine Dreigroschenmusik" für Blasorchester mit folgenden Sätzen: Ouvertüre / Die Moritat von Mackie Messer / Anstatt daß-Song / Die Ballade vom angenehmen Leben / Pollys Lied / Tango-Ballade / Kanonen-Song / Dreigroschen-Finale

Exkurs

Die Handlung des Stückes hat im weiteren Sinne einen historischen Hintergrund. Im 18. Jahrhundert gab es in London eine gut organisierte Verbrecherbande, deren Anführer Jonathan Wild war. Diese Bande hatte mehrere Abteilungen, die einerseits Diebstahl und Raub betrieben, andererseits den Opfern die Beute zum Wiederkauf anboten. Zum dritten wurden enge Beziehungen zur Polizei unterhalten und missliebige Komplizen ausgeliefert. Wild wurde 1725 in London hingerichtet. Diese Konstellation griff John Gay für seine Beggar's Opera auf, Jonathan Peachum trägt in der Oper Züge des Jonathan Wild[1].

Entstehung

Die „Dreigroschenoper“ ist eine Bearbeitung der Beggar's Opera von John Gay (Text) und Johann Christoph Pepusch (Musik) aus dem Jahr 1728. Vorlage war die deutsche Übersetzung dieser Oper von Elisabeth Hauptmann, von der sich Brecht im Laufe der Arbeit allerdings immer weiter entfernte. Original lautete die Bezeichnung: „Ein Stück mit Musik in einem Vorspiel mit 9 Bildern nach dem Englischen des John Gay. Übersetzung: Elisabeth Hauptmann. Bearbeitung: Bertolt Brecht. Musik Von Kurt Weill“.

Die Dreigroschenoper ist – trotz des Namens, der an die Vorlage angelehnt ist – keine durchkomponierte Oper im engeren Sinn, sondern ein politisch engagiertes Theaterstück mit 22 abgeschlossenen Gesangsnummern, für die keine Opernsänger benötigt werden, sondern singende Schauspieler.

Die Idee zur Aufführung der „Dreigroschenoper“ entstand im Frühjahr 1928 im Zusammenhang mit der geplanten Wiedereröffnung des Berliner Schiffbauerdamm-Theaters (heute: Berliner Ensemble), für die Brecht dem neuen Direktor des Theaters, Ernst Joseph Aufricht ein halbfertiges Manuskript als erste Premiere für sein renoviertes Haus anbot. Aufricht, der von dem Stoff sofort angetan war, nahm ihn an - gar nicht wissend, dass er damit auch den jungen Komponisten Kurt Weill, den Brecht von Anfang an für die Vertonung der Texte vorgesehen hatte, mitverpflichtete. Aufricht zweifelte anfänglich, ob der für seine Atonalität bekannte Weill der richtige Mann für die Musik war. Brecht und Weill wollten gemeinsam eine neue Form des Musiktheaters entwickeln. Gemäß Brechts Idee vom „epischen Theater“ sollte das Geschehen auf der Bühne die Zuschauer nicht in eine illusionäre Welt hineinziehen, sondern sie vielmehr zur kritischen Reflexion anregen.

Die Dreigroschenoper konnte nur geschrieben werden, weil Brechts Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann 1926 Presseberichte über den anhaltenden Theatererfolg der wiederentdeckten „Beggar's Opera“ von John Gay gelesen hatte, die seit 1920 in London und anderen englischen Städten wiederaufgeführt wurde, und ihre Übersetzung Brecht vorlegte. Die im Bettlermilieu spielende Satire war bei ihrer Erstaufführung 1728 in London Stadtgespräch und brach bei ihrer Neuaufführung im Jahr 1920 mit fast 1500 Aufführungen alle Rekorde. Von März bis Mai 1928, erarbeiteten Brecht und Hauptmann gemeinsam eine erste Textfassung, einen großen Teil des Theaterstücks schrieb Hauptmann dann selbst, wurde aber später im Zuge der weltweiten Erfolgsgeschichte nie entsprechend genannt oder gewürdigt (das Programmheft der Uraufführung nennt noch: «Die Dreigroschenoper» von John Gay, übersetzt von Elisabeth Hauptmann in der Bearbeitung von Bert Brecht)

Brecht geriet wegen der bevorstehenden Eröffnung des Theaters in Zeitdruck und beschloss, mit Weill zum Arbeiten für einige Wochen an die Riviera zu fahren. Doch vorher regelte er in einem Vertrag mit dem Verlag Felix Bloch Erben die Gewinnbeteiligung. Brecht bestand auf 62,5 Prozent. Weill erhielt 25, Elisabeth Hauptmann 12,5 Prozent. Im Juni und Juli arbeiten Brecht und Elisabeth Hauptmann dann an der französischen Riviera gemeinsam mit Weill und dessen Frau Lotte Lenya an der Endfassung.

Brecht hatte für die Oper ursprünglich den Titel „Gesindel“ vorgesehen und sie im Juni 1928 unter dem Titel „Die Ludenoper“ vom Verlag Felix Bloch Erben als Bühnenmanuskript vervielfältigen lassen. Erst Lion Feuchtwanger machte nach einem Probenbesuch den Vorschlag, das Stück „Dreigroschenoper“ zu nennen.

Brecht benutzte für die „Dreigroschenoper“ einige Lieder von François Villon, die in der Übersetzung von K. L. Ammer (Karl Klammer) erschienen waren. Die Tatsache, dass er diese Quelle nicht angegeben hatte, veranlasste den Kritiker Alfred Kerr zu heftiger Kritik. Im Mai 1929 erhob er scharfe Vorwürfe gegen Brecht im Berliner Tageblatt. Brecht räumte daraufhin seine „Laxheit in Fragen geistigen Eigentums“ ein. (Betroffen waren rund 5% der Verse). Laut Friedrich Torberg ("Die Tante Jolesch") hätte Brecht an Klammer eine nicht unbeträchtliche Abschlagssumme zahlen müssen, wofür dieser einen Weingarten erworben und den dort gekelterten Wein "Dreigroschtropfen" genannt hätte. Für die Neuausgabe der K.-L.-Ammerschen Villon-Ausgabe schrieb Brecht ein Sonett, das mit den Worten endete: "Nehm jeder sich heraus, was er grad braucht! Ich selber hab mir was herausgenommen..."

Rudyard Kiplings Ballade "Screw-Guns" hatte Brecht zum Kanonen-Song angeregt. Die Quelle war: "Kanonen" (Rudyard Kipling) aus "Balladen aus dem Biwak" (übersetzt von Marx Möller); Vita Verlag, Berlin 1911

Am 1. August 1928 war Probenbeginn am Theater am Schiffbauerdamm (Berlin) unter der Regie von Erich Engel. Die musikalische Leitung hatte Theo Mackeben; es spielte die Lewis Ruth-Band. Das Bühnenbild wurde von Caspar Neher entworfen. Besetzt waren: Harald Paulsen, Peter Lorre, Rosa Valetti, Carola Neher, Kurt Gerron, Kate Kühl, Ernst Busch und Naphtali Lehrmann. Kurt Weill trug zu Beginn seine Lieder vor und überzeugte den Regisseur Erich Engel und Direktor Aufricht, seiner Frau Lotte Lenya die Rolle der Spelunken-Jenny zu übertragen. In ihren Erinnerungen schrieb Lotte Lenya, dass die Produktion unter keinem guten Stern stand und in der Stadt Gerüchte über ein „völlig unzugängliches“ Stück, das Brecht geschrieben hätte, verbreitet wurden.

Bald begann eine Pechsträhne: Carola Nehers Mann, der Dichter Klabund, litt an Tuberkulose und musste nach einem Anfall in ein Sanatorium nach Davos. Als sich seine Lage verschlimmerte, brach Neher die Proben ab und fuhr zu ihm. Nach Klabunds Tod kam Neher am 18. August wieder nach Berlin zurück und wurde bei den Proben zweimal ohnmächtig, bis ihr ein Arzt das Auftreten untersagte. Später bekannte sie, dass sie Brechts Songs, die er teilweise von dem Französischen Dichter François Villon abgeschrieben hatte, nicht ertragen konnte, da Villon Klabunds Lieblingsdichter gewesen war. Eine Woche vor der Premiere übernahm Roma Bahn von ihr die Rolle der Polly.

Die letzten Tage vor der Premiere waren von Auseinandersetzungen zwischen dem Regisseur und dem Autor über die Songs geprägt, es wurde sogar vorgeschlagen, die Musik ganz zu streichen. Peter Lorre, der die Rolle des Jonathan Peachum spielen sollte, stieg aus, für ihn sprang kurzfristig Erich Ponto ein. Als der Regisseur Erich Engel nach einem Streit um den Schlusschoral entnervt das Handtuch warf, übernahm Brecht in letzter Minute selbst die Regie, außer ihm glaubte aber niemand mehr an eine Premiere. Harald Paulsen, der Darsteller des Mackie Messer, verlangte plötzlich eine bessere Einführung seiner Figur mit einem Lied, das auf sein Erscheinen vorbereiten sollte. Brecht schrieb einen Text und Weill vertonte ihn über Nacht: Es war die „Moritat“, die zum populärsten Lied des Schauspiels werden sollte.

Karl Kraus, der manchmal an den Proben zur „Dreigroschenoper“-Uraufführung teilgenommen hatte, steuerte während der Generalprobe die zweite Strophe des „Eifersuchtsduetts“ bei, da seiner Meinung nach das Publikum von einer nicht genug haben würde.

Rezeption

Aufführungsgeschichte

Die Uraufführung fand am 31. August 1928 statt und war einer der größten Erfolge der Theatergeschichte, allerdings nicht sofort. Zunächst herrschte eisige Stimmung und offensichtliche Ablehnung im Zuschauerraum. Erst mit dem „Kanonensong“ brach das Eis. Beifallsstürme erklangen, das Publikum trampelte, der Song musste sogar wiederholt werden. Von da an wurde jeder Satz beklatscht und die Dreigroschenoper wurde zum größten Theatererfolg der Weimarer Republik.

Bereits im Januar 1929 wurde sie an 19 deutschen Theatern sowie in Wien, Prag und Budapest gespielt. Die eingängigsten Songs – „Die Moritat von Mackie Messer“, das Lied von der „Seeräuber-Jenny“ oder die „Ballade vom angenehmen Leben“ − wurden in der ganzen Stadt nachgepfiffen. „Die Dreigroschenoper“ sollte später das erfolgreichste deutsche Stück des 20. Jahrhunderts werden. Allein zum Ende der Saison 1928/29 verzeichnete man 4000 Aufführungen in 200 Inszenierungen - schon damals ein Jahrhundertrekord. Elias Canetti schrieb später: „Es war eine raffinierte Aufführung, kalt, berechnend. Es war der genaueste Ausdruck dieses Berlin. Die Leute jubelten sich zu, das waren sie selbst, und sie gefielen sich. Erst kam ihr Fressen, dann kam ihre Moral“.

1933 wurde »Die Dreigroschenoper« von den Nazis verboten. Das Stück war bis dahin in 18 Sprachen übersetzt und mehr als 10 000 mal an europäischen Bühnen aufgeführt worden. Ihre erste Wiederaufführung im Nachkriegs-Berlin erlebte sie bereits im August 1945 am Hebbel-Theater mit Hubert von Meyerinck in der Hauptrolle. 1949 spielten die Münchner Kammerspiele eine von Brecht veränderte Fassung mit Hans Albers als Macheath.

Hannah Arendt behauptet in ihrem Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft 1951, das Stück habe „das genaue Gegenteil von dem, was Brecht mit ihm gewollt hatte“ bewirkt - die Entlarvung bürgerlicher Heuchelei. Das „einzige politische Ergebnis des Stückes war, daß jedermann ermutigt wurde, die unbequeme Maske der Heuchelei fallen zu lassen und offen die Maßstäbe des Pöbels zu übernehmen.“ [2]

Die Dreigroschenoper erreichte schließlich derartige internationale Berühmtheit, dass sie in den 1960ern den brasilianischen Sänger und Komponisten Chico Buarque zu seiner Ópera do Malandro inspirierte. Selbst das Paradestück der Dreigroschenoper, Die Moritat von Mackie Messer, wurde musikalisch von Buarque übernommen; auf portugiesisch trägt es den Titel „O Malandro“.

Von der Kritik eher skeptisch aufgenommen wurde die von novapool realisierte Inszenierung von Klaus Maria Brandauer 2006 im Berliner Admiralspalast. Campino von den Toten Hosen spielte Mackie Messer, an seiner Seite standen Jenny Deimling als Lucy, Maria Happel als Spelunkenjenny, Gottfried John als Peachum, Birgit Minichmayr als Polly, Katrin Sass als Frau Peachum und Michael Kind als Tiger Brown. Trotz aller Kritik besuchten mehr als 70.000 Zuschauer die 45 Vorstellungen.

Verfilmungen

  • Der Dreigroschenprozess
1930 hatte die Nero-Film AG Rechte für die Verfilmung vom Verlag Felix Bloch Erben erworben, als Regisseur war Georg Wilhelm Pabst vorgesehen. Finanziers waren die Warner Bros. und die Tobis-Film, Brecht sollte die "Grundlage für das Drehbuch" liefern. So entstand im September 1930 das Filmexposé "Die Beule - Ein Dreigroschenfilm", an dem auch Leo Lania, Ladislaus Vajda und Béla Balázs mitgearbeitet hatten. Mitte September 1930 begannen die Dreharbeiten zu zwei Filmfassungen, einer deutschen und einer französischen. Die Filmfirma beteiligte Brecht nicht mehr (der Vertrag war bereits am 23. August 1930 gekündigt worden), woraufhin dieser gemeinsam mit Kurt Weill gegen den Produzenten klagte, um ein Aufführungsverbot zu erreichen. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen und endete schließlich mit einem Vergleich, so dass der Film fertiggestellt und am 19. Februar 1931 in Berlin uraufgeführt werden konnte. Die Vorstellungen Brechts in seinem Exposé waren weitgehend unberücksichtigt geblieben. Im Zuge der Auseinandersetzung hatte die Filmgesellschaft gegen Brecht den Vorwurf erhoben, dem Film eine "ausgesprochen politische Tendenz" geben zu wollen, was man als "politisch neutrale Firma" nicht zulassen könne. In Deutschland und England lief der Film ungekürzt, die französische Version konnte erst nach Änderungen gezeigt werden. Im August 1933 wurde der Film dann in Deutschland verboten. Brecht schrieb unter dem Titel "Der Dreigroschenprozeß. Ein soziologisches Experiment" eine Analyse des Rechtsstreits, die er zusammen mit dem Filmexposé und dem Text der "Dreigroschenoper" im Heft 3 der "Versuche" veröffentlichte [3]. Eine umfangreiche Dokumentation zeitgenössischer Dokumente zur Verfilmung (einschließlich einer kompletten Drehbuch-Fassung) und zum Prozess sowie zahlreiche Fotografien enthält das Katalogbuch Photo : Casparius von Hans-Michael Bock und Jürgen Berger

In jüngster Zeit befasste sich der dänische Regisseur Lars von Trier mit dem Stoff. Für seinen Film "Dogville" mit Nicole Kidman ließ er sich von der Ballade der Seeräuber-Jenny inspirieren.

Hörspiele

Aus dem Jahre 1930 existieren zwei Tondokumente.

  1. Produktion: RRG (Länge: 26 Minuten) - Regie: Theo Mackeben
  2. Produktion: Ultraphon (Länge: 32 Minuten) - Regie: E. J. Aufricht, mit

Lotte Lenya, Erika Helmke, Kurt Gerron, Willy Trenk-Trebitsch, Erich Ponto Lewis-Ruth-Band unter Theo Mackeben.

Im Jahre 1968 entstand eine aufwendige Hörspielproduktion mit vielen bekannten Stars der damaligen Zeit. Es war eine Gemeinschaftsproduktion von HR, SR, SWF und WDR. Die Aufführung wurde in Stereo hergestellt und hatte eine Laufzeit von 143 Minuten. Die Regie führte Ulrich Lauterbach.

Die Mitwirkenden waren:

und andere

Diskographie

Rollen: MM Macheath, P Peachum, MsP Frau Peachum, Polly Polly Peachum, B Brown, J Jenny, Mor Moritatensänger

Historische Aufnahmen von 1930 (teilweise Uraufführungsbesetzung) & franz. Aufnahmen des G.W.Pabst-Films
  • 1930-1931 mit Lotte Lenya, Kurt Gerron, Willi Trenk-Trebitsch, Erich Ponto / Lewis Ruth Band (Theo Mackeben) / Bertolt Brecht (singt zwei Lieder selbst) / Berliner Staatsopernorchester (Otto Klemperer), mit Mme. Damia (Französische Moritat)
Historische Aufnahmen von 1930. Aus den Jahren um 1928-1931 existieren mehrere historische Aufnahmen
Sehr langsam im Tempo, was aber der Original-Partitur Weills entspricht
Originalinstrumentierung
Pop-Versionen, die aber auf der Bühne von der Weill-Foundation nicht erlaubt werden
Prestige-Produktion der Weill-Foundation in New York mit «berühmten» Namen
Alle Lieder in den Originaltonarten
Erste Aufnahme der Kritischen Gesamtausgabe
  • 2006 Slut: Songs aus Die Dreigroschenoper; es durften lediglich 5 der Lieder veröffentlicht werden (siehe Weblinks)
  • 2006 'Le Grand Lustucru - Lars Duppler Trio spielt Kurt Weill' EC 536-2
Duppler hat zehn Lieder Weills ausgewählt, darunter bekannte Nummern der Dreigroschenoper wie „Pollys Song“ und „Mackie Messer“ und hat die jazzigen Strukturen der Kompositionen weiter verfolgt

Literatur

Textausgaben

  • Die Dreigroschenoper (The Beggar's Opera). Ein Stück mit Musik in einem Vorspiel und acht Bildern nach dem Englischen des John Gay. Übersetzt von Elisabeth Hauptmann. Deutsche Bearbeitung von Bert Brecht. Musik von Kurt Weil. Wien: Universal-Edition A. G. 1928, 80 Seiten. Den Bühnen gegenüber als Manuskript gedruckt.
  • Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper. Suhrkamp, Frankfurt 1968 (edition suhrkamp 229); ISBN 3-518-10229-X

Sekundärliteratur

  • Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper. Text und Kommentar. Cornelsen Schweiz, Aarau 2004; ISBN 3-464-69067-9
  • Bertolt Brecht: Das Dreigroschenbuch. Texte, Materialien, Dokumente. (Herausgegeben von Siegfried Unseld) Zwei Bände. Brechts Texte zu Dreigroschenoper, Dreigroschenfilm, Dreigroschenprozess, Gespräch Brecht - Giorgio Strehler, John Gay's The Beggars Opera, Dreigroschenroman sowie Arbeiten zur Dreigroschenoper von Adorno bis Lotte Weill-Lenya. Mit einem Bildteil. suhrkamp taschenbuch 87 ISBN 3-518-36587-8
  • Hans-Michael Bock und Jürgen Berger (Konzeption und Zusammenstellung): Photo: Casparius. Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin u.a. 1978. (Darin u.a. Dokumente und Drehbuch-Fassung zur Verfilmung Die 3-Groschen-Oper durch G. W. Pabst, 1930/31)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jan Knopf (Hrsg): Brecht Handbuch. J.B.Metzler, Stuttgart 2001, Bd. 1 S.205 f
  2. Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. 1951, S. 717
  3. Jan Knopf (Hsg): Brecht Handbuch. J.B.Metzler Stuttgart 2002, Bd. 3 S.122 f

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