Mannai

Mannai

Das Königreich der Mannäer (auch Manna oder Mannai) hatte in der frühen Eisenzeit sein Zentrum am südöstlichen Ende des Urmia-Sees.

Da bisher keine Archive der Mannäer entdeckt wurden, ist man auf die spärlichen und sicher nicht immer zutreffenden Angaben ihrer Nachbarn und Feinde angewiesen, um ihre Geschichte zu rekonstruieren. Hierbei helfen vor allem die assyrischen und urartäischen sowie einige babylonische Quellen. Vermutlich entspricht auch das biblische Minni (Jeremia Kapitel 51,27) dem Reich Mannai. Über die Kulturgeschichte der Mannäer informieren uns vor allem die Ausgrabungen in Hasanlu (Mešta?).

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Südküste des Urmia-Sees erhält reiche Regenfälle und zählt zu den fruchtbarsten Gegenden Persiens.

Das Mannäerreich bestand aus vier Provinzen:

  • Surikaš an der Grenze zu Assyrien, im Süden von Allabria, im Nordwesten von Karalla begrenzt
  • Missi mit der Stadt Mešta um Cillik am Südufer des Urmia-Sees
  • Uišdiš am Ostufer des Urmiasees bis zum Fuße des Sahend
  • Subi am Ostufer des Sees bis in das Gebiet von Sofian

Zu den abhängigen Ländern gehörten zeitweise:

  • Zikirtu
  • Andia

Nach Julian Reade reichte Das Gebiet von Mannai bis nach Täbris und Zandschan im Osten.

Geschichte

Manna und umliegende Gebiete

Die ersten Nennungen der Mannäer stammen aus assyrischen Inschriften des 9. Jahrhunderts v. Chr. Unter der Regierung von Salmanassar III. (858-824) drang zum ersten Mal ein assyrisches Heer unter Dajjan-Assur nach der Durchquerung von Ḫubuškia nach Manna ein und zerstörte die Hauptstadt Zirta. Im folgenden Jahr (30. Jahr Salmanassers) erhoben die Assyrer auf dem Zug nach Parsuaš (Persien) und Namri in Mannai Tribut. Vermutlich planten die Assyrer, am Rande des iranischen Hochlandes eine Reihe von Pufferstaaten anzulegen, eine bleibende Eroberung war wohl nicht beabsichtigt.

Unter Schamschi-Adad V. (823-811) zog der Feldherr (rab-reschi) Mutarris-Marduk gegen die Mannäer, Meder und Perser. Das Hauptaugenmerk des Königs war jedoch auf Babylon gerichtet. Adad-nirari III. zog im Jahre 806 gegen Mannai und die Meder, vermutlich ohne größere Erfolge, der Feldzug ist nur aus der Eponymenchronik bekannt.

Auch von Norden her war Mannai bedroht. Išpuini von Urartu (824-806) hinterließ eine Inschrift, die berichtet, wie er mit 106 Streitwagen, 10.000 Reitern und 22.000 Infanteristen gegen Parsuaš und die Stadt Mešta im Reich der Mannäer zu Felde zog. Eine urartäische Inschrift von Taschtepe bei Cillik berichtet vom Sieg des Königs Menua (ca. 805-ca. 785 v. Chr.), dem Sohn des Išpuini, über die Mannäer und nennt einen Palast, den Menua in Mešta errichten ließ. Ungefähr zu dieser Zeit wurde vermutlich die Zitadelle von Hasanlu IV. zerstört. Die Inschrift des Argišti II. (ca. 714 - ca. 685) in Van berichtet unter anderem von Feldzügen gegen die Manna und Uišdiš. Urartu erreichte zu dieser Zeit seine größte Ausdehnung, bis in das Gebiet der späthethitischen Fürstentümer und bis zu 'den Bergen der Assyrer'. Diese Macht war sicher eine große Gefahr für die Unabhängigkeit von Manna. Auch Argištis Nachfolger Sarduri III. (ca. 765-733) berichtet von Kriegszügen gegen Manna, auf denen Städte niedergebrannt, Festungen geschleift und reiche Beute nach Urartu gebracht wurde. Assyrien war zu dieser Zeit so schwach, dass es seine ehemaligen Vasallen nicht schützen konnte.

Erst unter Tiglat-pileser III. (744 – 722) mischte sich Assyrien wieder in die Verhältnisse im Zagros und im Hochland ein.

Rusa I. (ca. 734-ca. 714) scheint, nachdem er zunächst seine Autorität im Innern wiederhergestellt hatte, einen neuen Versuch gemacht zu haben, Manna zu unterwerfen. Briefe und Inschriften aus der Zeit Sargons (722-705) berichten, dass sich die Urartäer um 719 mit Mitatti, Fürst von Zikirtu, und Bagdatti von Uišdiš gegen Iranzu von Mannai zusammenschlossen, der zu dieser Zeit ein assyrischer Verbündeter war. Rusa I. eroberte einige mannäische Städte, andere nahm Mitatti ein und ließ sich in Parda nieder. Sargon eilte jedoch seinen Verbündeten zur Hilfe, besiegte die Zikirtai und deportierte sie teilweise nach Damaskus. Bagadatti dagegen scheint seine Machtbasis ausgebaut zu haben und plante vermutlich, in ganz Manna die Macht zu ergreifen. Bereits 717 v. Chr. rebellierten er, unterstützt von Rusa von Urartu gegen Aza, den Sohn von Iranzu, dessen Todesursache und Zeitpunkt unbekannt ist. Aza wurde am Berge Uišdiš erschlagen. Seinen Leichnam ließ man unbestattet liegen. Sargon rückte zum Berge Uišdiš vor, nahm Bagdatti gefangen und ließ ihn schinden. Der verstümmelte Körper wurde öffentlich zur Schau gestellt, wohl, um potentielle Rebellen abzuschrecken.

Rusa setzte darauf Azas Bruder Ullusun, der zuvor in größere Gebietsabtretungen eingewilligt hatte, als Marionettenherrscher ein. Weitere Unterstützung kam von Assurli'u von Karalla und Itti von Allabria. Sargon warf den Aufstand nieder, eroberte Izirtu, schund Assurli'u und deportierte Itti und seine Anhänger nach Hamath. Dass Ullusunu trotzdem König blieb, deutet freilich auf einen recht unvollständigen Sieg oder beträchtliche Tributzahlungen hin. Die Assyrer machten sich nicht nur Manna untertan, sondern legten auch in Medien und Persien Festungen an (Kar-Scharrukin und Kar-Nergal). Vermutlich wurde im Verlauf dieses Feldzuges auch der urartäische Einfluss zurückgedrängt.

Um 715 verbündete sich Rusa mit dem Mannäer Dajakku (Daiukka), den er wohl als abhängigen Herrscher einsetzen wollte. Er wurde aber von Sargon II. im Verlauf seines berühmten 8. Feldzuges geschlagen und mitsamt seiner Familie nach Syrien deportiert. Die moderne Forschung geht zwischenzeitlich davon aus, dass Dajakku mit Deiokes identisch ist, den Herodot als Gründer des Mederreiches erwähnt. Herodots Erzählung über die Gründung von Ekbatana hat deutlich sagenhafte Züge, weshalb es sich auch um eine Namensverwechslung Herodots handeln könnte.

Auf seinem 8. Feldzug vereinigte sich Sargon in Surikas mit Ullusu. Sie marschieren gemeinsam gegen Parsua und griffen Zikirtu an, das zu diesem Zeitpunkt wohl zu Urartu gehörte. Sargon hatte geschworen, Zikirtu zu zerstören. Der Mannäer Mitatti von Zikirtu und Rusa vereinigten sich, wurden aber von den assyrischen Truppen in die Flucht geschlagen, die daraufhin in urartäisches Gebiet eindrangen und den Tribut von Nairi entgegen nahmen. Parda wurde geplündert, der Zikirtäer Mitatti endgültig vertrieben. Auch die Meder wurden erneut geschlagen, oder, bei der für assyrische Verhältnisse sehr zurückhaltenden Formulierung, vermutlich nur kurzfristig geplündert. "Im achten Jahr meiner Regierung wandte ich mich gegen die Länder der ... Meder .... Ich trug ihre Güter davon". Als Höhepunkt dieses Feldzuges galt jedoch die Plünderung von Muṣaṣir, das Ziel war eindeutig, den urartäischen Einfluss zurückzudrängen.

Der Einfall der Kimmerer um 708 befreite Manna von der Bedrohung durch den mächtigen nördlichen Nachbarn. Wie weit die Kimmerer in den Iran vorstießen ist unklar. Zur Zeit Sanheribs (705-681) waren die Mannäer und Meder wohl mit den Kimmerern verbündet.

In der Zeit Assurhaddons (681-669) begegnen uns die Mannäer als Verbündete der Skythen unter deren Fürsten Ischpakaia. Orakeltexte weisen darauf hin, dass beide als echte Bedrohung eingeschätzt wurden. Assurhaddon behauptet, von den Mannäern Tribut eingetrieben zu haben, diese Angabe wird jedoch von Roux bezweifelt. Eine feste Kontrolle des Hochlandes, wie unter Sargon, bestand auf jeden Fall nicht. Unter Assurbanipal (669 – 627) versuchten die Mannäer unter König Ahšeri, auf assyrisches Gebiet vorzudringen und nahmen mehrere Befestigungen ein. Der König schickte zwischen 665 und 655 den rab-reši Nabu-šar-usur gegen sie aus, der Izirtu belagerte und das Umland verwüstete. Daraufhin wurde Ahšeri von seinen Untertanen abgesetzt und getötet, sein Sohn unterwarf sich den Assyrern, die ihn gegen Abtretung einiger Grenzorte im Amt bestätigten. Da auch unter den Medern Unruhe herrschten, konnten die Assyrer vermutlich nicht mit der gewohnten Härte durchgreifen, auch wenn Inschriften in Niniveh verkündeten, Assurbanipal habe die Mannäer zerschmettert.

Nach dem Tod von Assurbanipal und dem Beginn der Skythenzüge um 630 war Assyrien als Machtfaktor weitgehend ausgeschaltet. Vermutlich konnte Manna seine Unabhängigkeit wiederherstellen.

Die assyrische Chronik (ABC 3) berichtet, das Nabopolassar (616-615) in seinem 10. Regierungsjahr die Assyrer unter Sin-Šar-Uškun (623-612) und ihre mannäischen Verbündeten schlug. Ein Feldzug in Nabopolassars 17. Jahr (609-608), der angeblich bis nach Urartu führte, könnte auch das Gebiet der Mannäer berührt haben, es wird berichtet, dass die Armee die Gegend von Izalla erreichte und zahlreiche Städte in den Bergen zerstörte. Der Text ist an dieser Stelle aber leider lückenhaft. Unter Nabupolassar tauchen die Meder beständig als Verbündete der Babylonier auf. Sofern die Mannäer weiterhin auf Seiten Assyriens standen, ist anzunehmen, dass sie ebenfalls medischen Angriffen ausgesetzt waren.

Es ist unklar, wann Manna im Mederreich aufging. Assyrien fiel 610, Urartu (Tušpa) um 590. Reade nimmt 614-612 an.

Wichtige Fundorte

Wirtschaft

Die Mannäer waren für ihre Pferdezucht bekannt. Hier war vor allem die Provinz Subi berühmt. Außerdem bauten sie Getreide und Wein an.

Könige

  • Iranzu
  • Aza, Sohn von Iranzu
  • Bagadata
  • Ullusun, Sohn von Iranzu
  • Ahšeri
  • Ualli

Mannäische Städte

  • Izirtu, Zirta (Hauptstadt, erste Erwähnung 829), vielleicht mit Kaflant (Bezirk Hamadan) identisch.
  • Mešta bei Taštepe
  • Parda, Hauptstadt des Mitatti
  • Zibia, wahrscheinlich das heutige Ziwiye

Religion

Namen mannäischer Götter sind nicht überliefert, die Rekonstruktion der Religion ist allein auf Bildquellen angewiesen. Hier ist vor allem ein flacher Becher aus Hasanlu von Bedeutung. Er zeigt einen Wettergott in einem von Stieren gezogenen einachsigen Streitwagen, einen Sonnengott (?), der eine Art von Flügelsonne auf dem Kopf trägt und einen Mondgott mit einfacher Hörnerkrone, deren Wagen von Onagern gezogen werden. Ein Mann auf einem mit Bergen geschmückten oder aus Bergen gebildeten Thron, der auf einem Löwen ruht und aus dessen Rückseite ein dreiköpfiger Drache entspringt, wird als Berggott gedeutet. Eine sich entblößende Frau, deren Oberkörper mit Mondsicheln verziert ist, kann vielleicht mit Ischtar gleichgesetzt werden. Sie steht allerdings auf einem Widder, nicht auf einem Löwen. Da diesen Figuren, außer dem "Mondgott" die traditionellen vorderasiatischen Hörnerkronen fehlen, ist ihre Identifikation als transzendentale Wesen nicht völlig eindeutig. Ein Adler, der eine menschliche Figur davonträgt, wird als Darstellung des Ganymed gedeutet. Manche Forscher nehmen an, dass es sich bei dem Pokal um ein Altstück handelt. W. Orthmann sieht einen deutlichen späthethitischen Einfluss und plädiert für eine Datierung um 950 v. Chr..

Sprache

Außer Eigennamen liegen keine Sprachzeugnisse vor.

Horst Klengel nimmt an, dass die Mannäer sich vor allem aus den seit dem 2. Jahrtausend in dem Gebiet ansässigen Guti, Lullubi und Mitanni zusammensetzten, vielleicht aber auch iranische Elemente aufgenommen hatten.

Edith Porada (1962) geht von einer überwiegend hurritischen Bevölkerung aus, will aber auch eine allmähliche Iranisierung der Sprache nicht ausschließen. Die hurritische Abstammung sieht sie durch Orts- und Personennamen, die aus den assyrischen Annalen bekannt sind, bestätigt.

Auch Melikischvili hält es für unwahrscheinlich, dass die Mannäer eine iranische Sprache sprachen.

Literatur

  • R. Böhmer, Ritzverzierte Keramik aus dem mannäischen (?) Bereich. Arch. Mitt. Iran 19, 1986, 95-115.
  • T. Cuyler Young: Iranian migration into the Zagros. In: Iran 5. 1967
  • A. K. Grayson: Assyrian and Babylonian chronicles. Locust Valley 1975
  • R. H. Dyson Jr.: Problems of protohistoric Iran as seen from Hasanlu. In: Journal of Near Eastern Studies. 24/1965, S. 193ff.
  • Horst Klengel: Kulturgeschichte des alten Vorderasien. Akademie, Berlin 1989
  • René Labat: Assyrien und seine Nachbarländer. Fischer, Frankfurt 1976 (Fischer Weltgeschichte, Die Altorientalischen Reiche III) S. 8-110
  • Wladimir Lukon: Kunst des alten Iran. Leipzig 1986
  • Edith Porada: The Art of Ancient Iran. Pre-Islamic Cultures. Crown Publishers, New York 1962, Kap. 9.
  • Julian Reade, Iran in the Neo-Assyrian Period. In: Mario Liverani (Hrsg.), Neo-Assyrian geography. Roma: Università di Roma, Dipartimento di scienze storiche, archeologiche e antropologiche dell'Antichità (1995).
  • Georges Roux: Ancient Iraq. Penguin, London 1992

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