Marienkult

Marienkult

Marienverehrung bezeichnet die Verehrung von Maria, der Mutter des Jesus von Nazaret im Christentum, die in den unterschiedlichen Konfessionen eine höchst unterschiedliche Stellung einnimmt.

Martin Schongauer, Maria im Rosenhag, Tempera auf Holz, gemalt 1473, Colmar, Dominikanerkirche

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Von Anfang an gab es eine besondere Verehrung der Mutter Jesu, Maria. Das zeigt sich in den Apokryphen der frühchristlichen Zeit, die von der christlichen Kirche nicht in den Kanon der biblischen Schriften aufgenommen, aber überliefert waren und ihre Wirksamkeit entfalteten; die römisch-katholische Kirche wie die Ostkirchen bezogen die apokryphen Texte über Maria in ihre Lehre ein (hier insbesondere das Protevangelium des Jakobus).

Als das Christentum 391 n. Chr. im Römischen Reich zur Staatsreligion ernannt wurde, begann die besondere Verehrung der Märtyrer und Mariens. Vierzig Jahre später wurde Maria durch das Konzil von Ephesus als „Gottesgebärerin“ (gr. Theotokos bzw. lat. Dei Genetrix) bezeichnet und dogmatisiert; dabei ging es ursprünglich weniger um die Frage, wer Maria sei, sondern vielmehr um die Frage, ob Jesus von Nazareth Gott sei. Der Begriff „Gottesgebärerin“ oder „Gottesmutter“ sollte klarstellen, dass Jesus Christus „ wahrer Mensch und auch wahrer Gott“ sei. Nach diesem Konzil entwickelte sich eine intensivere Verehrung Marias, die – wie Kritiker behaupten – der Verehrung der „Himmelskönigin“ des Alten Testaments ähnelt.

Im fünften und sechsten Jahrhundert versuchte man versteckte Hinweise auf Maria in der Bibel zu finden, und ein Jahrhundert später entstanden die ersten Marienfeste und -gebete, wie das „Ave Maria“.

Die seit dem Konzil von Ephesus „offizielle“ erhabene Stellung Marias begünstigte im Zuge der Missionierung auch die Umdeutung bereits vorhandener Muttergottheiten zur christlichen Gottesmutter, sichtbar geblieben in den archaisch-vertrauten Zügen der frühchristlichen Ikonografie (siehe hierzu auch Schwarze Madonna).

Nach der Reformation begann in der römisch-katholischen Kirche die Gegenreformation, in der die Marienverehrung zwei gegenläufige Tendenzen erfuhr: Einerseits wurde versucht, möglichst viele unbiblische Texte zu verbieten, wodurch die volkstümliche Marienverehrung theoretisch hätte Schaden nehmen müssen; auf der anderen Seite wurde die Marienkult seit den 1580er Jahren zu einem Instrument insbesondere der jesuitischen Gegenreformation. So wurde beispielsweise in Bayern die Marienverehrung (Patrona Bavariae) vom Staat und den Jesuiten stark gefördert, zahlreiche Marienwallfahrten nahmen hier ihren Anfang (zum Beispiel zur Wallfahrtskirche Maria im Sand (Dettelbach) und zur Gnadenkapelle (Altötting)).

Die Einstellung gegenüber Maria war gerade während der Gegenreformation eines der offenkundigsten Kriterien, das die Katholiken einerseits von Lutheranern, andererseits von Calvinisten unterschied. So gehörte in Verhören die Frage, ob man seine Fürbitten auch an Maria und die Heiligen richte, zu den Mitteln, um heimliche Protestanten zu erkennen (mehr zum Thema: Arno Herzig, „Der Zwang zum wahren Glauben, Rekatholisierungspolitik vom 16. bis zum 18. Jahrhundert“, Göttingen 2000).

Eine neue Blüte erlebte die Marienverehrung in der Romantik.

Vorchristliche Parallelen

Nach einigen Autoren lassen sich bereits in vorchristlichen Jahrhunderten Elemente erkennen, die später in den Marienkult eingehen sollten, etwa zur Zeit des Alten Testaments, als die Babylonier die Göttin Ištar verehrt haben. Viele Eigenschaften dieser „Himmelskönigin“ (Jeremia 7,18) sind von anderen Kulturen übernommen, auf viele verschiedene göttliche Figuren aufgeteilt und später wieder zu einer Person zusammengefasst worden. So wechselten von Zeit zu Zeit und von Kulturraum zu Kulturraum die Art und Anzahl der Namen für die Göttin, aber nicht die Wesenszüge und deren Verehrung. Als Beispiele kann man hier die altägyptische Isis oder die altgriechischen Artemis, Demeter und Athene anführen sowie besonders die ursprünglich phrygische „Große Gottesmutter“ Kybele, deren Magna Mater-Kult den (römischen) Erdkreis umspannte und noch Jahrhunderte nach Christus Anhänger fand.

Sonderstellung Marias

Mutter Jesu

Maria ist die Mutter von Jesus von Nazaret, der im Christentum der Sohn Gottes ist. Das dritte Ökumenische Konzil in Ephesos 431 A.D. erklärte, nach einem Streit mit Bischof Nestorius, Maria zur theotokos, zur Gottesgebärerin. Laut Lukas 11,27–28 ist es nicht allein die körperliche Mutterschaft, die Maria auszeichnet, sondern ihr vollkommener Gehorsam gegenüber Gott.

Jungfrau

Die Jungfräulichkeit wird in zwei Ausprägungen gesehen:

  1. Jesus wurde nach der neutestamentlichen Überlieferung durch den Heiligen Geist gezeugt, als Maria Jungfrau war; sie hatte vor seiner Geburt mit keinem Mann verkehrt.
  2. Maria blieb, nach katholischer und orthodoxer Lehre, auch während und nach der Geburt Jesu Jungfrau und war mit Josef nur dem Namen nach verheiratet (Josefsehe). Jungfräulichkeit um des Himmelreiches willen wird, insbesondere in der Katholischen Kirche, als besonders lobenswerte Tugend gewertet. Mit dieser Jungfräulichkeit wird aber noch mehr zum Ausdruck gebracht, dass mit der Geburt Christi eine neue Schöpfung beginnt, die sich nicht an profan irdischen Maßstäben orientiert.
Die Stuppacher Madonna von Matthias Grünewald – die verwendete Symbolsprache betont in besonderer Weise die Jungfräulichkeit Marias

Bezüglich der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens urteilen die Kirchen der Reformation in ihren Bekenntnisschriften unterschiedlich – die meisten haben jedoch eine ablehnende Haltung eingenommen. Die lutherischen Bekenntnisschriften (BSLK) als verbindliche Lehrgrundlage der lutherischen Kirchen sprechen beispielsweise in der Konkordienformel Artikel 8 (Von der Person Christi S. 1024) wie folgt: „Darum sie (Maria) wahrhaftig Gottesmutter und gleichwohl eine Jungfrau geblieben ist.“ Jedoch ist die Konkordienformel nicht Bestandteil aller lutherischen Kirchen.

Andere reformatorische Kirchen sind der Auffassung, die neutestamentarische Erwähnung von vier Brüdern und wenigstens zwei Schwestern Jesu bedeute, dass Josef und Maria nach der Geburt Jesu Geschlechtsverkehr gehabt und gemeinsame Kinder gezeugt hätten. (u.a. (Matthäus 12, 46), (Matthäus 1, 24)). Argumentationsgrundlage ist dabei das Prinzip Sola scriptura. Die Reformatoren selbst waren allerdings teilweise von der Jungfräulichkeit Marias überzeugt, wobei dies größtenteils auf ihren theologischen Hintergrund bzw. die Vorprägung in der damaligen Zeit zurückgeführt werden dürfte.

Sicht der Konfessionen und Religionen

Römisch-Katholische Kirche

Die römisch-katholische Kirche lehrt, dass der Mensch bei der Taufe von der Erbsünde, bei der zweiten Auferstehung am Ende seines Lebens von den Folgen dieser Erbsünde befreit wird und so zu einer vollkommenen Gemeinschaft mit Gott gelangen kann (biblisch: Himmel). Maria war schon im Moment ihrer eigenen Empfängnis im Leib ihrer Mutter Anna (hebr. Hannah) von der Erbsünde befreit. Das heißt, Maria, die Frau, die Gott als Mensch geboren hat, hat zu Lebzeiten an der Erbsünde keinen Anteil gehabt. (sog. Unbefleckte Empfängnis, vgl. das Hochfest am 8. Dezember).

Die Jungfrau mit Engeln, Gemälde von William Adolphe Bouguereau

Verwechselt wird diese Thematik fälschlicherweise oft mit der Art und Weise der Zeugung Marias selbst: Sie hatte einen gewöhnlichen menschlichen Vater, nach der Tradition hieß er Joachim (hebr. Jehojakim). Auch ihre Jungfräulichkeit bei der Geburt Jesu wird manchmal fälschlich mit dem Begriff „Unbefleckte Empfängnis“ in Verbindung gebracht.

In der römisch-katholischen Kirche nimmt die Verehrung Marias eine wichtige Rolle ein, die Dogmen der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel und der unbefleckten Empfängnis gibt es ausschließlich in der römisch-katholischen Kirche, auch wenn orthodoxe und syrische Kirchen ähnliche Auffassungen vertreten.

Die römisch-katholischen Kirche vertritt den Standpunkt, daß die Mariendogmen in ihrem Kern Aussagen über Jesus Christus sind. Maria ist bereits bei Gott vollendet, wie alle Menschen einmal vollendet werden sollen. Maria ist somit der „Prototyp“ des durch Jesus Christus erlösten Menschen.

Die Verkündigungszene wird häufig auf dem Tabernakel abgebildet: Im Tabernakel ist Jesus Christus, nach katholischer Lehre im Allerheiligsten wahrhaft gegenwärtig. Durch die Jungfrau Maria kam Gott in der Gestalt Jesu Christi in die Welt. Maria wird deshalb in einigen Marienliedern und in der lauretanischen Litanei als „der Gottheit Tabernakel“ bezeichnet.

Innerhalb der römisch-katholischen Kirche, insbesondere in Deutschland, divergieren die Ansichten über dieses Thema zum Teil erheblich: In der Volksfrömmigkeit gab es manchmal Tendenzen zur übersteigerten, nicht mehr christus-zentrierten, Marienverehrung. Zeitgenössische Betrachtungen betonen gern Marias Stärke, wie sie sich vor allem in ihrem Jubellied, dem Magnificat (Lukas 1,46-55), widerspiegelt.

Manche Gruppen tendieren dahin, Maria auf eine Stufe mit Jesus Christus zu stellen, so z. B. die „Marienkinder“. Die römisch-katholische Kirche hat solche Tendenzen jedoch immer abgelehnt. Im Gebet- und Gesangbuch „Gotteslob“ wird Maria als Mutter und Schwester der Gläubigen bezeichnet, die den Weg des Menschen zu Gott bereits gegangen ist. Deshalb kann sie auch Vorbild sein und um Hilfe auf dem Weg zu Gott angerufen werden. Maria ist daher nach kirchlicher Auffassung keine Mittlerin zwischen Gott und Mensch, sondern kann (näher) zu Jesus Christus führen. Papst Benedikt XVI. bezeichnet Maria jedoch als Mittlerin und Dolmetscherin, die den Menschen, insbesondere den römisch-katholischen Christen, die Evangelien sowie die Heilsgeschichte näher bringen und verständlicher machen kann.

Ausdrucksformen der Marienverehrung in der katholischen Kirche sind Marienwallfahrten – etwa nach Lourdes, Fátima, Tschenstochau, Kevelaer –, ihre Verehrung als Schutzheilige wie in der Patrona Bavariae, zahlreiche Marienfeste, die Maiandachten, Litaneien (vor allem die lauretanische Litanei) und das Rosenkranzgebet.

Berichte von Marienerscheinungen, auch dort, wo sie von der Kirche nach kritischer Prüfung als echt anerkannt sind, sind nicht verpflichtender Bestandteil des katholischen Glaubensgutes, da nach katholischer Lehre die Offenbarung mit den Aposteln abgeschlossen ist und solche Privatoffenbarungen der Lehre dieser Kirche nichts hinzufügen. Jeder römische Katholik ist darum frei, an Marienerscheinungen zu glauben oder nicht.

Die Mariensäule in München

In jüngerer Zeit gibt es in der römisch-katholischen Kirche vermehrt Bestrebungen, weitere Mariendogmen zu konstituieren, mit denen die heilsgeschichtliche Rolle Marias stärker hervorgehoben werden soll: Maria als Miterlöserin (Coredemptrix) oder Gnadenvermittlerin (Mediatrix (omnium) gratiarum). Das Lehramt hat sich zu diesen Wünschen noch nicht ausdrücklich positioniert, allerdings hat Papst Benedikt XVI. zu seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation sich privat eher ablehnend geäußert.

Die Marienverehrung hat in den letzten Jahrzehnten eine Neubelebung erfahren, insbesondere durch die Neuen Geistlichen Bewegungen, aber auch durch Papst Johannes Paul II., der ein großer Marienverehrer war und bei seinen Auslandsreisen zahlreiche Marienwallfahrtsorte besucht hat.

In der christlichen Kunst wird Maria oft – in Anlehnung an Offb. 12 – als die „apokalyptische Frau“ bzw. Herrscherin mit Sternenkranz, Krone, Zepter und/oder auf dem Mond (oder einer Mondsichel) stehend – mit dem (meist ebenfalls mit Krone und Zepter ausgestatteten) Kind auf dem Arm – dargestellt. Maria wird als die „Königin des Himmels und der Erde“ (s. o.: vollendeter Mensch bei Gott) dargestellt, die den Gläubigen durch ihre Fürbitte vor Gott helfen kann. In überwiegend katholischen Gegenden sind an vielen Orten – oft in der Ortsmitte – sogenannte Mariensäulen aufgestellt, etwa in München auf dem Marienplatz.

Orthodoxe Kirche

Votivbild

Die orthodoxen Kirchen verehren Maria als die Mutter Gottes und als Jungfrau. Sie sehen sie als heilig und sündlos, aber durch ihre von den Westkirchen unterschiedliche Auffassung von Erbsünde ist die unbefleckte Empfängnis für sie kein Thema. Die Himmelfahrt Marias wird unter dem Namen „Maria Entschlafung“ gefeiert. Grundsätzlich ist die Marienverehrung in der orthodoxen Kirche immer auf Jesus Christus bezogen; beispielsweise wird auf Ikonen Maria fast ausschließlich mit Kind dargestellt.

Anglikanische Kirche

Die anglikanischen Kirchen weisen ein breites Spektrum an Lehren und Praxen in Bezug auf Maria auf, mit einigem Wandel durch die Jahrhunderte. Während der Englischen Reformation und unter dem Einfluss von Puritanern, die innerhalb der anglikanischen Kirche wirksam sein wollten, wurden viele Aspekte der Lehren und Praxen bezüglich Maria in Frage gestellt oder abgelehnt. Ab dem 19. Jahrhundert, mit dem Aufkommen der Oxford-Bewegung, wurden sie für einige Anglikaner, oft in modifizierter Form, wieder bedeutsam, blieben jedoch für andere verpönt.

Geschichte der anglikanischen Marienverehrung

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Marienverehrung in anglikanischer Tradition geht auf die Anfänge des Christentums in England zurück. Einer Legende zufolge hat Josef von ArimathäaChristentum nach England gebracht und die erste keltische Kirche bei Glastonbury im Jahr 65 nach Chr. gegründet, die der Jungfrau Maria geweiht war. Seit Ende des 6. Jahrhunderts gibt es in den meisten Kathedralen Englands Lady Chapels, oft als Teil der Apsis. Traditionell ist eine Lady Chapel die größte Kapelle in einer Kathedrale. Oftmals wurden sie östlich des Hochaltars gebaut, als herausragendes Gebäudeteil, das die Kurve der Apsis durchbricht. Bereits in der angelsächsischen Zeit war Marienfrömmigkeit im Lande so verbreitet, dass England auch als Marias Mitgift bezeichnet wurde. Schon im Jahr 1060 war England das erste Land der Westkirche, in dem das Fest Mariä Himmelfahrt gefeiert wurde.

Viele der großen englischen Heiligen, wie bspw. St Edmund of Canterbury, St Richard of Chichester und St Thomas Becket, waren Mariaverehrer und haben Mariengebete verfasst. Der Heilige, der ihr wohl am meisten ergeben war, war Anselm von Canterbury, der viele Gebete und Bücher über die Marienverehrung schrieb und sie der "makellosen, immer jungfräulichen Mutter Christi" widmete.

Ein weiterer Aspekt der englischen Reformation war eine weit verbreitete Bewegung gegen das Konzept von Maria als Mittlerin oder gar als Mit-Erlöserin. Solche übertriebene Betrachtungen, die zum Teil durch Darstellungen Jesu Christi als unzugänglicher Richter inspiriert waren, wurden von Erasmus und Thomas More kritisiert und von der englischen Kirche abgelehnt. Einhergehend mit Gedankengut der Reformation, dass die Heilige Schrift das Fundament des Glaubens sei (Sola scriptura), vertraten die Reformatoren verstärkt die Ansicht, dass Jesus Christus der einzige Mittler zwischen Gott und der Menschheit sei. Eine explizite Verehrung Marias wurde daher abgelehnt und führte zu einer Verminderung ihrer Bedeutung im Leben der Kirche.

Die englischen Reformatoren behielten die Doktrin der Urkirche bezüglich Maria jedoch bei. Ihre positive Lehre über Maria war auf ihre Rolle in der Inkarnation konzentriert: dies wird zusammengefasst in ihre Akzeptanz ihres Status als Gottesmutter, weil sie dies sowohl für schriftgemäß als auch traditionsgemäß hielten. Im Einklang mit den Traditionen der Urkirche und mit anderen Reformatoren wie Martin Luther, akzeptierten die englische Reformatoren wie Hugh Latimer, Thomas Cranmer und John Jewel auch, dass Maria ewig jungfräulich blieb. Die Möglichkeit, dass Maria durch Gnade davor bewahrt wurde, am allgemeinen menschlichen Zustand teilgehabt zu haben, haben sie weder bestätigt noch abgelehnt. In dieser Hinsicht ist bemerkenswert, dass das Book of Common Prayer im Proprium für Weihnachten (Tagesgebet und Präfation) Maria als eine reine Jungfrau bezeichnet.

Ab 1561 enthielt der Kalender der Church of England nur noch fünf Festtage, die mit Maria in Verbindung standen: Mariä Empfängnis, Mariä Geburt, Mariä Verkündigung, Mariä Heimsuchung, and Mariä Reinigung. Der Festtag Mariä Himmelfahrt wurde jedoch gestrichen: nicht nur, weil er in der Bibel nicht belegt war, sondern auch weil es den Eindruck erwecke, Maria würde über Christus selbst hinaus verehrt. Die schottischen und kanadischen Ausgaben des Book of Common Prayer haben den 15. August als Entschlafung Mariä wieder zum Festtag gemacht; im Gebetbuch der Episkopalkirche der Vereinigten Staaten von Amerika wird er auch als Festtag für "Heilige Maria die Jungfrau, Mutter unseres Herrn Jesus Christus" begangen.

Trotz der abnehmenden Marienverehrung seit dem 16. Jahrhundert blieb einiges erhalten: der Gebrauch des Magnificat beim Abendgebet, sowie in der Benennung von Kirchen und Kapellen. Im 17. Jahrhundert entnahmen Schriftsteller wie Lancelot Andrewes, Jeremy Taylor und Thomas Ken eine vollere Wertschätzung der Stellung Mariens in den Gebeten der Kirche aus der katholischen Tradition. So lehnte sich Andrewes in seinem Preces Privatae an ostkirchliche Liturgien an, da er eine Marienverehrung hegte. Diese Wiederzuneigung setzte sich bis ins nächste Jahrhundert und bis in die Oxford-Bewegung des 19. Jahrhunderts hinein fort.

Heute

Durch die Liturgische Reformbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts ist Maria in der anglikanischen Gebetspraxis zu erneuter Prominenz gekommen. In den meisten anglikanischen Gebetsbüchern wird Maria wieder in den liturgischen Gebeten namentlich erwähnt. Anglikaner sehen in Maria ein Beispiel für Heiligkeit, Glaube und Gehorsam für alle Christen; sie kann auch als prophetische Figur gesehen werden. Aus diesen Gründen wird sie als wichtigstes Mitglied der Gemeinschaft der Heiligen betrachtet, und viele anglo-katholische Anglikaner beten zu ihr. Darüber hinaus wird der 15. August weithin als principal feast zu Ehren Mariä mit eigenem Proprium gefeiert. Auch andere urkirchliche Feste, die mit Maria in Verbindung stehen, wurden erneuert und es gibt eigene liturgische Texte für diese Tage. Marianische Andachtsformen wie der Rosenkranz, der Angelus und das Regina Coeli werden am ehesten mit der anglokatholischen Bewegung innerhalb des Anglikanismus in Verbindung gebracht.

Am 16. Mai 2005 gaben die römisch-katholische und anglikanische Kirchen eine gemeinsame 43-seitige Erklärung heraus, "Mary: Hope and Grace in Christ"[1] (die ebenfalls als "Seattle Statement" bezeichnet wird), über die Rolle der Jungfrau Maria im Christentum. Diese Erklärung erfüllte den Zweck, die ökumenische Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten. Das Dokument wurde in Seattle von Alexander Brunett, dem örtlichen Erzbischof der römisch-katholischen Kirche, und Peter Carnley, dem anglikanischen Erzbischof von Perth, veröffentlicht, weil diese beiden Kleriker die Co-Vorsitzenden der Anglican-Roman Catholic International Commission (ARCIC) waren.

Es wird viel über die vermeintlichen Unterschiede zwischen anglikanischer und römisch-katholischer Mariologie behauptet. Da der Anglikanismus kein Lehramt hat, das dazu Stellung nimmt, ist es schwer, eine präzise Aussage zu machen, was Anglikaner genau glauben.

Zusätzlich zur Anbetung (latria), die nur Gott gebührt, geht die Marienverehrung in der katholischen Kirche davon aus, dass Maria unter den Heiligen eine erhabene Stellung (hyperdulia). Anglikaner hingegen stimmen zwar überein, dass nur Gott allein anzubeten ist, aber viele sind der Meinung, dass der Gottesmutter keinen höheren Grad an Verehrung im Vergleich zu anderen Heiligen zuteil werden sollte. Viele Anglikaner teilen wiederum die Meinung, die unter den Orthodoxen verbreitet ist, dass Maria die bedeutendste Heilige ist, und als solche zu verehren ist.

Der Anglikanismus hält die römisch-katholischen Dogmen der leiblichen Aufnahme Mariä in den Himmel und der unbefleckten Empfängnis nicht für bindend, obwohl einzelne Anglikaner manche Aspekte dieser Dogmen persönlich akzeptieren, insbesondere bezüglich der Himmelfahrt. Dennoch werden nicht alle Details und Definitionen der römischen Dogmen übernommen. Viele Anglikaner stimmen vielmehr mit der orthodoxen Ansicht überein, es habe keine unbefleckte Empfängnis gegeben, auch wenn Maria während ihres Lebens keine Sünde begangen habe. Velen Anglikaner stimmen eher mit dem Übereinstimmung orthodoxen Verständnis der Entschlafung Mariens überein.

Lutherische Kirchen

Mariendarstellung an der Pforte der Marienkirche in Mühlhausen

In den lutherischen Kirchen spielt die Marienverehrung in der Praxis kaum eine Rolle. Luther wandte sich entschieden gegen die katholische Vorstellung von Maria als „Himmelskönigin“ sowie gegen landläufige Vorstellungen von Maria als Mittlerin, die Christus erst gnädig stimmen müsse. Hingegen betonte Luther, dass durch den Opfertod Christi das Erlösungswerk vollkommen ist und keiner Ergänzung bedürfe. Dabei berief er sich auf die Bibel. Christen brauchten keinerlei Fürsprache und Vermittlung durch Menschen, sei es Maria oder seien es Heilige. Doch Luther hielt selbst Marienpredigten und schätzte in seinen Auslegungen (etwa des Magnificats) Maria als Beispiel menschlicher Demut und Reinheit. Darum wird eine gewisse Form von Marienverehrung in manchen lutherischen Kirchen geübt. Maria gilt als Vorbild des Glaubens.

Die lutherische Kirche kennt traditionell drei Marienfeste (dies gilt zumindest für die SELK), die aber genau genommen Christusfeste sind:

Reformierte Kirche

In der reformierten Kirche akzeptierte Zwingli die Marienverehrung, soweit sie biblisch begründet ist. Calvin lehnte jegliche evangelische Marienverehrung ab, da sie immer in der Gefahr sei, zum Götzen zu werden. Mit ihm stimmen auch die evangelisch-freikirchlichen Gemeinden überein. Maria ist zwar – wie viele andere biblische Personen auch – ein Vorbild des Glaubens und der Hingabe, kann und darf aber nicht im Gebet angerufen werden. Sie wartet (1. Thessalonicher 4,16f) mit allen in Christus Entschlafenen auf den Tag der sichtbaren Wiederkunft Jesu, an dem die verstorbenen und die zu diesem Zeitpunkt lebenden Christen gemeinsam Jesus Christus „entgegen geführt“ werden. Außerdem ist aus freikirchlicher Sicht nach Deuteronomium 18, 10f die Kontaktaufnahme zu Verstorbenen verboten. Das gilt auch im Blick auf Verstorbene, die im Glauben Außergewöhnliches geleistet haben (siehe dazu 1. Samuel 28)

Andere christliche Glaubensgemeinschaften

Verschiedene christliche Glaubensgemeinschaften, darunter Evangelikale, die Zeugen Jehovas und die Siebenten-Tags-Adventisten, üben scharfe Kritik an allen Formen der Marienverehrung, lehnen sie als unbiblisch ab und sehen ihre Praktizierung als Götzendienst an.

Die unterschiedliche Sicht am Beispiel

Ein Beispiel für die Unterschiede in der Haltung zur Marienverehrung in römisch-katholischer und evangelischer Tradition ist die zweite Strophe des Weihnachtsliedes „Es ist ein Ros entsprungen“. Das Lied, dessen Ursprung vermutlich in einer Eifeler Kartause im 15./16. Jahrhundert liegen und dessen erste beide Strophen erstmals bei Frater Conradus, der von 1582 bis 1588 Prokurator der Mainzer Kartause war, bezeugt sind, findet sich heute im katholischen „Gotteslob“ und im „Evangelischen Gesangbuch“ in zwei Versionen.

Die ursprüngliche Fassung lautet:

Das Röslein, das ich meine
Alß vns Zacharias beschrebt
Das ist Maria die reine
Die vns das blumlein hat bracht
Der Engel gab ir den radt
Sie solt en kindlein geberen
Vnd bleiben ein reine maigt.
zitiert nach: Martin Rößler: Es ist ein Ros entsprungen; in Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch, Heft 2; Göttingen 2001; Seite 17

In Bezug auf Maria klingt in der Version des Gotteslobs die gleiche Tendenz an:

Das Röslein, das ich meine,
davon Jesaja sagt,
ist Maria, die Reine,
die uns das Blümlein bracht.
Aus Gottes ewgen Rat
hat sie ein Kind geboren
und blieb doch reine Magd.
zitiert nach Gotteslob. Ausgabe Trier; 26. Auflage, 1997; Nr. 132

Deutlich anders hingegen ist der Text im Evangelischen Gesangbuch, der Michael Praetorius’ im Jahr 1609 veröffentlichter Textfassung im Wesentlichen folgt:

Das Blümlein, das ich meine,
davon Jesaja sagt,
hat uns gebracht alleine
Marie, die reine Magd;
aus Gottes ewgem Rat
hat sie ein Kind geboren,
welches uns selig macht.
zitiert nach Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe West; 1997; Nr. 30

Maria wird in der ursprünglichen Textfassung mit dem Rosenstock (lat.: virga) verglichen, aus dem das Blümlein Jesus hervor ging. Das Besondere dieser Geburt ist, dass die Mutter „reine Magd“ war und auch jungfräulich blieb (lat. für Jungfrau: virgo). Dem Theologen und Musiker Michael Praetorius ist dieser Gedanke ob seines lutherischen Schriftverständnisses fremd, er lehnt ihn ab. Er sieht die Gefahr, dass hier Marienverehrung einziehen könnte.

Die Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut fand für dieses Lied einen Kompromiss, der vielleicht die Richtung für eine akzeptable Mittelposition zur Wertschätzung Marias für zumindest alle westkirchlichen Konfessionen weist:

Das Röslein, das ich meine,
davon Jesaja sagt,
ist Maria, die Reine,
die uns das Blümlein bracht.
Aus Gottes ewgem Rat
hat sie ein Kind geboren,
welches uns selig macht.
zitiert nach Gotteslob. Ausgabe Trier; 26. Auflage, 1997; Nr. 133

Islam

Auch im Islam wird Maria vielfach als Mutter des Propheten Jesus verehrt und wird im Koran äußerst positiv beschrieben. So pilgern beispielsweise zum so genannten Haus der Maria (Meryemana) in der Nähe von Ephesos weitaus mehr Muslime als Christen.

Maria (Maryam) ist die einzige Frau, die der Koran namentlich erwähnt und nach der er eine Sure – die 19. – benennt [2].

Kritik

Marianismo ist ein Schlagwort der vorrangig in der feministischen Literatur verwendeten Kritik am religiösen Konzept der Marienverehrung.

Formen der Marienverehrung

Gebete und Anrufungen der Mutter Gottes:

Marienfeste und Brauchtum

Marienverehrung in der Kunst

Darstellung der Madonna in der Kunst:

Literatur

  • Wolfgang Beinert, Heinrich Petri (Hrsg.): Handbuch der Marienkunde. Pustet, Regensburg 1996 (2 Bände).
  • Remigius Bäumer, Leo Scheffczyk (Hrsg.): Marienlexikon. Eos, St. Ottilien 1988–1994 (6 Bände).
  • Wolfgang Beinert u. a.: Maria – eine ökumenische Herausforderung. Pustet, Regensburg 1984.
  • Stefano de Fiores: Auf einer Wellenlänge mit Maria. Betrachtungen über das geistliche Leben mit Maria nach dem heiligen Ludwig-Maria Grignion von Montfort. Butzon & Bercker, Kevelaer 1988, ISBN 3-7666-9587-8.
  • Hilda Graef: Maria. Eine Geschichte der Lehre und Verehrung. Herder, Freiburg im Breisgau 1964.
  • Ludwig-Maria Grignion von Montfort: Abhandlung über die wahre Marienverehrung. Patris, Vallendar-Schönstatt 1988, ISBN 3-87620-135-7.
  • Hans-Eduard Hengstenberg: Die Marienverehrung. Röll, Dettelbach 1996, ISBN 3-927522-59-7 (Nachdruck der Erstausgabe von 1948).
  • Johannes Paul II.: Maria – Gottes Ja zum Menschen. Herder, Freiburg im Breisgau 1987, ISBN 3-451-21107-6.
  • Johannes Paul II.: Mutter der Kirche. Die marianische Botschaft des Papstes. Patris, Vallendar-Schönstatt 1980.
  • Josef Kentenich: Mit Maria ins neue Jahrtausend. Schönstatt, Vallendar-Schönstatt 2000, ISBN 3-920849-99-X.
  • Friedrich Opitz: Marienweihe. 3. Auflage. Schmitz, Münster 1993, ISBN 3-922054-08-0.
  • Friedrich Opitz: Auf Maria schauen. Weggeleit ins dritte Jahrtausend. Schmitz, Münster 1990–1992 (3 Bände).
  • Thomas Schipflinger: Sophia - Maria. Eine ganzheitliche Vision der Schöpfung. Neue Stadt, München 1988, ISBN 3-87996-227-8
  • Elvira Maria Slade: Maria. Die unbekannten Seiten der „Mutter Gottes“. Verlag für Reformatorische Erneuerung, Wuppertal 2003, ISBN 3-87857-318-9.

Referenzen

  1. Mary: Hope and Grace in Christ "Mary: Grace and Hope in Christ"
  2. The Holy Qur'an/Maryam: Sure 19 in der Übersetzung von A. Yusuf Ali (engl.)

Weblinks


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