- Marienstifts-Gymnasium
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Das Marienstiftsgymnasium war ein Gymnasium in Stettin. Das Fürstliche Pädagogium Stettin aus dem 16. Jahrhundert, aus dem das Marienstiftsgymnasium hervorging, erreichte zeitweise den Rang einer zweiten Landesuniversität nach Greifswald. Einer langanhaltenden Krise, bedingt durch die Kriege im 17. Jahrhundert, folgte im 19. Jahrhundert der Aufstieg zur führenden Schule der Provinz Pommern. Mit der Evakuierung des Marienstiftsgymnasiums während des Zweiten Weltkriegs endete die 400-jährige Geschichte der Bildungseinrichtung.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Nach der Einführung der Reformation in Pommern entstand die Notwendigkeit, ein evangelisches Schulwesen aufzubauen. Hierdurch sollten Geistliche und Beamte herangebildet werden, die das Land benötigte. In Betracht gezogen wurde auch, neben der Universität Greifswald, die zu dieser Zeit nur wenige Studenten besuchten, eine zweite Hochschule in Pommern einzurichten. Im Jahr 1543 stifteten die Herzöge Barnim IX.(XI.) von Pommern-Stettin und Philipp I. von Pommern-Wolgast in Stettin als Zwischenlösung ein Pädagogium.
In der Stiftungsurkunde wurde festgelegt, dass in dieser Schule 24 Jungen unterrichtet werden sollten. Sie sollten älter sein als zwölf Jahre. Die Dauer der Schulzeit wurde mit acht Jahren angegeben. Die Finanzierung erfolgte aus den Einnahmen des Stettiner Marienstifts und des Kollegiums des Heiligen Ottos, die jährlich zwischen 8000 und 12.000 Talern lagen. Dazu kamen noch Spenden und das Schulgeld, das die Schüler zu entrichten hatte. Das erste Statut der Schule wurde von Paul vom Rode entworfen.
Hauptfach war die Lateinische Sprache, die gleichzeitig Unterrichtssprache war. Dazu kamen Griechisch und Hebräisch. Anhand der klassischen Literatur sowie der Bibel wurden Rhetorik und Dialektik studiert. Ebenso wichtig war die Theologie, die nach Lehrwerken Martin Luthers und besonders Philipp Melanchtons unterrichtet. In der Praxis erlernten die Schüler die christliche Liturgie und das religiöse Zeremoniell, Gesang und Orgelspiel eingeschlossen. Neben der im Theologieunterricht behandelten Philosophie, später auch Biologie und Geographie, bildeten Mathematik, Astronomie und Rechtswissenschaften geringere Anteile der durchschnittlich 30 Wochenstunden.
Die Schule fand durch ihr akademisches Niveau bald Anerkennung. Die Mehrheit der Schüler stammte aus Pommern, die anderen aus Brandenburg, Mecklenburg, Schweden, Ungarn und Polen. Von der Eröffnung 1544 bis zur Übernahme Stettins durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg hatte die Schule etwa 5500 Absolventen.
Während des Krieges geriet das Pädagogium in eine Krise. Die schlechte finanzielle Lage und der starke Rückgang der Schülerzahl bewog die schwedische Regierung 1667 dazu, das Pädagogium zu schließen. An seiner Stelle wurde das Regnum Gymnasium Carolinum gegründet, das nach dem König Karl XI. von Schweden benannt war. Als der Große Kurfürst in den Jahren 1676 und 1677 Stettin belagerte, brannte das Gebäude des Gymnasiums nieder. Nach dem Wiederaufbau 1687 wurde es nur von 27 Schülern besucht.
Nach der Einnahme Stettins durch brandenburgische Truppen 1715 ließ der neue Landesherr Friedrich Wilhelm I. die Schule unter dem Namen „Akademisches Gymnasium“ weiterführen und ordnete das Kuratorium neu. Die Schülerzahlen blieben im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts gering, so waren es 1768 nur sechs Schüler, 1777 schrieben sich 17 ein. Schließlich erließ Friedrich Wilhelm III. 1805 eine Kabinettsorder, womit das Gymnasium mit dem Ratslyzeum zum „Vereinigten Königlichen und Stadt-Gymnasium“ zusammengelegt wurde.
Beeinflusst durch die Bildungsreformen Wilhelm von Humboldts entwickelte sich das Gymnasium zur führenden Schule der preußischen Provinz Pommern. Als Bildungseinrichtung, die sich dem Programm des Neuhumanismus verpflichtet fühlte, gehörte neben dem Sprachunterricht (Griechisch, Hebräisch, Latein, Englisch, Französisch), der Unterricht in Geschichte und Geographie sowie Zeichnen und Kalligraphie zu den bevorzugten Bildungsgebieten an der Schule. Seit 1804 wurden an einem Lehrerseminar Grundschullehrer ausgebildet. Die Schülerzahl an der vom Bürgertum sehr geschätzten Schule nahm wieder stark zu und erreichte 1863 rund 750 Personen. Im Jahr 1869 erfolgte daher eine Aufteilung in das Stadtgymnasium und das Marienstiftsgymnasium, dem das Jageteufelsche Collegium angeschlossen wurde. Trotz der Teilung blieb die Schülerzahl hoch. So besuchten 1879 655 und 1905 725 Schüler das Marienstiftsgymnasium.
Wegen der Gefahr von Luftangriffen erfolgte 1943 eine Verlegung beider Stettiner Gymnasien nach Stargard, 1944 dann ins Innere Deutschlands, womit die Geschichte des Marienstiftsgymnasiums ihr Ende fand.
Zwischen den ehemaligen Schülern des Marienstiftsgymnasiums und dem Katharineum zu Lübeck entstand in den 1950er Jahren eine Patenschaft, die bis heute besteht.
Gebäude
An der Stelle der 1789 durch ein Feuer zerstörten St. Marienkirche wurde 1830 das „Alte Marienstiftsgymnasium“ im klassizistischen Stil gebaut. Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Gebäude wurde originalgetreu wieder aufgebaut und beherbergt heute wieder ein Gymnasium.[1]
1915 wurde in der Schlutowstraße (ul. Henryka Pobożnego) das Neue Marienstiftsgymnasium errichtet. In diesem Gebäude befindet sich heute das Lyzeum Nr. 2.
Bekannte Schüler und Lehrer
Schüler
- Georg Wilhelm Bartholdy
- Daniel Cramer
- Otto Dammer
- Jakob Fabricius
- Fritz Gerlich
- Hellmuth Heyden
- Franz Theodor Kugler
- Ernst Josef Lesser
- Carl Loewe
- Arthur Lutze
- Johannes Micraelius
- Gustav Adolf Pompe
- David Runge
- Christian Friedrich Scherenberg
- Adolf Stahr
- Martin Wehrmann
- Christian Zickermann (1672–1726), Pfarrer an der Stettiner Peter-Paulskirche und Geschichtsforscher
Lehrer
Zeitraum Name Lehrtätigkeit Sonstige Tätigkeiten 1554–1557 Caspar Landsidel Rektor 1556–1588 Christoph Stymmel Theologie 1579–1592 Konrad Bergius Rektor, Rhetorik, Theologie 1587–1630 Philipp Dulichius Musik 1589–1592 Salomon Gesner Rektor, Theologie 1592–1594 Friedrich Runge (Theologe) Theologie 1594–1636 Daniel Cramer Theologie 1612–1649 Heinrich Kielmann Konrektor. Griechisch, Poesie 1615–1623 Valentin von Winther Direktor; 1641–1648 Andreas Fromm Musik 1641–1658 Johannes Micraelius Rektor 1642–1654 Jakob Fabricius Theologie 1668–1668 Konrad Tiburtius Rango Theologie 1668–1676 Johann Georg Ebeling Musik, Griechisch 1668–1678 Andreas Gottfried Ammon Rektor 1672–1676 Martin Lipenius Rektor 1710–1721 Laurentius David Bollhagen Theologie, orientalischen Sprachen 1716–1752 Johann Samuel Hering Recht 1716–1757 Michel Friedrich Quade Philosophie und Stil 1751–1753 Johann Daniel Denso Beredsamkeit und Dichtkunst 1752–1773 Johann Carl Conrad Oelrichs Recht 1764–1774 Johann Adolph Schinmeier Rektor, Theologie und Orientalistik 1774–1797 Johann Jakob Meyen Physik, Mathematik 1788–1816 Johann Jakob Sell Rektor, Geschichte und Rhetorik 1797–1815 Georg Wilhelm Bartholdy Mathematik, Physik 1803–1854 Karl Friedrich Wilhelm Hasselbach Rektor (ab 1828) 1810–1813 Georg Friedrich Pohl Naturwissenschaften 1816–1866 Ludwig Giesebrecht Deutsch, Geschichte, Theologie 1820–1866 Carl Loewe Musik 1827–1842 Wilhelm Böhmer (Historiker) Philologe veröffentlichte zur Geschichte Pommerns 1829–1840 Karl Gottfried Scheibert Religion, Sprachen, Mathematik und Geschichte 1830–1850 Albert Gustav Heydemann Sprachen 1841–1883 Ludwig Most Kunst 1852–1859 Franz Kern Deutsch, Sprachen 1852–1877 Hermann Graßmann Mathematik, Sprachen 1853–1857 Hugo Ilberg Deutsch 1871–1912? Hugo Rühl Sport 1873–1881 Hugo Lemcke Oberlehrer 1884–1912 Martin Wehrmann Oberlehrer 1914–1930 Carl Fredrich Direktor; Deutsch, Geschichte 1914–1945 Ernst Zahnow Geographie, Germanistik und Romanistik Literatur
- Martin Wehrmann: Geschichte von Pommern. Bd. 2, Friedrich Andreas Perthes, Gotha 1919–21. Reprint: Weltbild Verlag 1992, ISBN 3-89350-112-6, S. 44ff.
- Sylwia Wesołowska: Das Fürstliche Pädagogium bzw. Gymnasium Carolinum in Stettin. In: Dirk Alvermann, Nils Jörn, Jens Olesen: Die Universität Greifswald in der Bildungslandschaft des Ostseeraums. Reihe: Nordische Geschichte. Bd. 5, LIT Verlag Berlin-Hamburg-Münster, ISBN 3-8258-0189-6, S. 105ff
Weblinks
- Informationen beim Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa
- Fotos vom „Neuen Marienstiftsgymnasium“
Einzelnachweise
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