Maronitische Kirche

Maronitische Kirche

Die Maronitisch-Syrische Kirche von Antiochien (lat.: Patriarcha Antiochenus Maronitarum, syrisch/aramäisch: ܡܪܘܢܝܶܐ Maronaye / Moronoye, arabischموارنة ‎, DMG Mawārina) ist eine mit Rom unierte, christliche Kirche, die den römischen Papst als Oberhaupt anerkennt. Ihr voller Name ist „Die einzig rechtgläubige katholisch-chaldäische Maronitenkirche der Melkiten“. Die Maroniten sind eine der größten und ältesten Religionsgemeinschaften im Libanon; ihre Kirchensprache ist das Westsyrische. Die Gründung und den Namen ihrer Kirche führen die Maroniten auf den Heiligen Maron, einen syrischen/aramäischen Mönch, zurück. Sie sehen sich durch den Bischofssitz von Antiochia in apostolischer Sukzession.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Traditionelle Trachten: Ein Maronit aus dem Libanon (links) neben einem Bewohner des Jebel (= Gebirges, mitte, wohl ein Druse) und einer christlichen Frau aus dem Libanon (rechts) aus dem späten 19. Jh. (Illustration aus Zur Geschichte der Kostüme von Braun & Schneider, 1861-1880 München)

Die Maroniten entstanden im 7. Jahrhundert als eine Abspaltung der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien. Ihr Name geht auf den Heiligen Maron (arabisch: مارون Mārūn, lat. Maro, syrisch Maron) zurück, der als Mönch am unteren Orontes (heute Syrien) lebte.

Als Anhänger des Monotheletismus wurden sie 681 nach dem Dritten Konzil von Konstantinopel als Ketzer exkommuniziert. Der Monotheletismus besagte, dass Jesus Christus zwar eine göttliche und eine menschliche Natur, aber nur einen göttlichen Willen besitzt; er stand theologisch zwischen dem Monophysitismus und der oströmischen Reichskirche.

Justinian II. unterlag 694 im Kampf gegen die Maroniten, die dadurch ihre Eigenständigkeit bewahren konnten. In den folgenden Auseinandersetzungen im Jahr 707 mit dem islamischen Kalifen Al-Walid II. wurden sie in die Berggebiete vertrieben und mussten 759 eine Niederlage gegen die abbasidischen Besatzer hinnehmen.

Nach Zerstörung des Klosters des hl. Maroun durch syrische Moslems flüchteten sie im 10. Jahrhundert unter Führung des Patriarchen Johannes Maroun I. in den Libanon. Die Berge des Libanongebirges zwischen Tripoli und Beirut und die davorliegenden Ortschaften an der Mittelmeerküste stellen bis heute das einzige größere zusammenhängende Gebiet in der arabischen Welt dar, in der sich noch eine fast ausschließlich christlich-aramäische Bevölkerung halten konnte.

Im 12. Jahrhundert stellten sich die Maroniten auf die Seite und unter den Schutz der Kreuzritter. Aus dieser Begegnung stammt auch ihre Bindung im Jahre 1182 an die Römisch-Katholische Kirche. Diese Unterstützung wurde von den Mameluken nach Vertreibung der Kreuzritter geahndet: Maroniten, aber auch Drusen und Schiiten, erlebten eine Zeit militärischer Verfolgung. Dennoch gelang es den Maroniten, ihre Verbindung zur katholischen Kirche aufrechtzuerhalten und auszubauen. Seit 1445 gelten sie offiziell als mit "Rom unierte Ostkirche". Sie bilden die einzige Kirche ihres Zweiges, die sich als Ganze dem Papst unterstellte.

Im Osmanischen Reich konnten die Maroniten ihre Autonomie in den entlegenen Gebirgsgegenden bewahren, zum Teil in Kooperation mit drusischen Feudalherren wie dem Emir Fahkr-ad-Din II. (siehe Emirat der Drusen, unter dem Drusen und Maroniten weitgehende Selbständigkeit für den Libanon erreichen konnten (1585-1635)). Dank der hervorragenden Beziehungen der Maroniten nach Europa, vor allem nach Frankreich und Italien, erlebte der Libanon in dieser Zeit eine kulturelle Blüte, unter anderem führten maronitische Mönche die ersten arabisch druckenden Druckerpressen ein. Im Islam wurde die arabische Schrift noch Jahrhunderte später ausschließlich mit der Hand geschrieben. Am Bosporus betrachtete man diese Entwicklung mit Argwohn, der osmanische Gegenschlag endete mit der Hinrichtung des Emirs in Konstantinopel. Frankreich erklärte danach im Jahre 1638, dass alle Katholiken (und somit auch die Maroniten) des Osmanischen Reiches unter seinem Schutze stünden.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts versuchten die Maroniten mehrmals, ihren Einflussbereich auszudehnen. Dies führte zu Konflikten mit den Drusen sowie einem Aufstand im Jahre 1866 unter Youssef Karam gegen Dawud Pascha.

Nach den Pogromen von 1860 gegen aramäische Christen in Syrien und im Libanon wurde der Libanon selbständig unter einem osmanischen Gouverneur (der in der Regel Christ war) verwaltet. Die Autonomie des Libanon wurde von einer europäischen Kommission überwacht. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde diese selbständige Verwaltung abgeschafft und der Libanon unter türkische Militärverwaltung gestellt. Durch die alliierte Seeblockade und Requirierungen von Lebensmitteln der im Libanon operierenden deutschen und türkischen Heeresverbände kam es zu Hungersnöten und Seuchen, in deren Folge ca. 100.000 der damals im Libanon lebenden 450.000 Menschen, vor allem maronitische Christen (Aramäer), umkamen. Während die während des Ersten Weltkrieges mit der Türkei verbündeten deutschen Stellen dem Schicksal der libanesischen Christen weitgehend tatenlos zusahen (die orientalisch aussehenden und überwiegend französisch sprechenden katholischen "Levantiner" waren der protestantisch-preußisch dominierten deutschen Elite suspekt, lediglich einzelne deutsche Politiker wie der katholische Zentrumspolitiker Matthias Erzberger engagierten sich für die Christen im Osmanischen Reich) kam es vor allem in den USA zu gewaltigen Protestaktionen, die unter anderem von libanesischen Emigranten wie Khalil Gibran organisiert wurden und sicherlich mit zum Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg beigetragen haben. Viele Maroniten wanderten in dieser Zeit aus, vor allem in die USA, Kanada, Lateinamerika, Australien und nach Südafrika.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Libanon ein Mandatsgebiet des Völkerbundes unter französischer Verwaltung. Der Selbstverwaltung der Maroniten (Aramäer) seit 1920 folgte dann ihre konstitutionell gesicherte Rolle im unabhängigen Libanon. 23 der insgesamt 128 Sitze im Parlament sind den Maroniten zugewiesen; der Staatspräsident, der allerdings eine hauptsächlich repräsentative Funktion wahrnimmt, ist traditionell ebenfalls ein Maronit.

Im libanesischen Bürgerkrieg bildeten die Maroniten eine der drei großen Gruppierungen.

Kirchliche Organisation und Patriarchat

Das Kirchenoberhaupt der Maroniten trägt den Titel Maronitischer Patriarch von Antiochien und des ganzen Orients. Sein Sitz ist in Bkerké im Libanon. Der aktuelle Amtsinhaber ist Seine Seligkeit Mar Nasrallah Pierre Sfeir.

Die Bezeichnung Mar bedeutet "Herr" auf syrisch (vgl. frz. Monseigneur). In der gesamten syrischen Tradition wird die Bezeichnung ebenfalls an Heilige gegeben. Der erste Patriarch war Johannes Maroun I. (687-707).

Die maronitischen Patriarchen tragen seit dem Mittelalter immer den Beinamen Boutros als zweiten Vornamen, der übersetzt Petrus bzw. Peter bedeutet, als Reverenz an Petrus, der Gründer der Kirche von Antiochien.

Die Bezeichnung Patriarch von Antiochien ist sehr umstritten, da er außerdem von vier anderen Kirchen beansprucht wird, nämlich der Syrisch-orthodoxen Kirche, der griechischen (byzantinischen) Kirche sowie von zwei weiteren ebenfalls mit Rom unierten Kirchen.

Der Patriarch der Syrischen Maronitischen Kirche von Antiochien hat heute seinen Sitz im Kloster Bkerké in Jounieh, am nördlichen Stadtrand von Beirut. Er muss nach seiner Wahl vom Papst in Rom bestätigt werden. Seit 1986 ist Patriarch Nasrallah Pierre Sfeir Kirchenoberhaupt (siehe auch die Liste der maronitischen Patriarchen von Antiochia).

Trotz ihrer katholischen Bindung haben die Maroniten ihre eigene Hierarchie und eine ostkirchliche Liturgie. Diese rühren von dem Ursprung der Maroniten in der westsyrischen antiochischen Tradition her. Die liturgische Sprache ist eine Form der Syrischen Sprache.

Priester dürfen verheiratet sein und dann der Gemeinde vorstehen; der Zölibat wird nur von Priestern verlangt, die bei der Weihe noch ledig sind.

Mitglieder

Nach Angaben der Maronitischen Kirche gibt es weltweit etwa 6 Millionen Maroniten.

Die arabischsprachige Mehrheit lebt im Nahen Osten. Die größte Gruppe von etwa 1.000.000 findet sich im Libanon; dort bilden sie fast ein Drittel der Bevölkerung und stellen nach der libanesischen Verfassung den Präsidenten. Daneben leben etwa 40.000 Maroniten in Syrien; diese unterstehen der Erzdiözese von Aleppo und Damaskus bzw. der Diözese von Latakia.

Eine zypriotische Maronitengemeinde wird allgemein auf Wanderbewegungen im Zuge der Kreuzzüge zurückgeführt. Ihre Mitglieder sind stark in das politische und soziale Leben Zyperns integriert.

Im späten 19. und im 20. Jahrhundert gründeten emigrierte Maroniten Gemeinden in Europa, Nord- und Südamerika.

Seit 2003 gibt es in Deutschland (Frankfurt, Hannover, Hamburg, Bremen, Berlin) sowie in Österreich (Wien) maronitische Gemeinden. Zu den, je nach Ort, einmal oder zweimal im Monat stattfindenden Gottesdiensten kommen auch Christen anderer orientalischer Kirchen.

Maronitische Heilige

Von römischen Päpsten wurden drei maronitische Heilige, die bereits seit langem fester Bestandteil libanesischer Volksfrömmigkeit sind, offiziell kanonisiert:

Siehe auch

Literatur

  • Pierre Dib: Histoire des Maronites. Beyrouth, Librairie Orientale, ISBN 9953-17-005-3
  • Harald Suermann: Die Gründungsgeschichte der Maronitischen Kirche. Harrassowitz, Wiesbaden 1998, ISBN 3-447-04088-2
  • Michael Breydy: Geschichte der syro-arabischen Literatur der Maroniten vom VII. bis XVI. Jahrhundert. Westdeutscher Verlag, Opladen 1985, ISBN 3-531-03194-5
  • Joseph Mahfouz: Precis d´Histoire de l´Eglise Maronite. Kaslik, Libanon, 1985
  • Jean-Pierre Valognes: Vie et mort des Chrétiens d'Orient. Fayard, Paris, 1994, ISBN 2213030642
  • Peter H. Görg: Die Maroniten – östliche Kirche in Union mit Rom. in: Der Fels 12/2006, 346-349.

Weblinks


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