Martinsgans

Martinsgans
El Greco: Der Heilige Martin und der Bettler

Der Martinstag am 11. November (in Altbayern und Österreich auch Martini) ist der Festtag des Heiligen Martin von Tours. Er ist in Mitteleuropa von zahlreichen Bräuchen geprägt, darunter das Martinsgans-Essen, der Martinszug und das Martinssingen.

Inhaltsverzeichnis

Frühere Bedeutung im Jahresablauf

Die verschiedenen Bräuche wurzeln in zwei wohl zusammenhängenden Umständen. In der von Byzanz beeinflussten Christenheit lag der Martinstag zunächst am Beginn der 40-tägigen Fastenzeit ab dem 11. November, die vom Mittelalter bis in die Neuzeit hinein – in den Orthodoxen Kirchen teilweise bis heute – vor Weihnachten begangen wurde. Am letzten Tag vor Beginn dieser Fastenzeit konnten die Menschen – analog zur Fastnacht – noch einmal schlemmen. So wird noch heute beim rheinischen Karneval die neue „Session“ am 11. November ausgerufen. Daneben war der Martinstag auch der traditionelle Tag des Zehnten. Die Steuern wurden früher in Naturalien bezahlt, auch in Gänsen, da die bevorstehende Winterzeit das Durchfüttern der Tiere nur in einer eingeschränkten Zahl möglich machte. An diesem Tag begannen und endeten auch Dienstverhältnisse, Pacht-, Zins- und Besoldungsfristen. Landpachtverträge beziehen sich auch heute noch häufig auf "Martini" als Anfangs- und Endtermin, da der Zeitpunkt dem Anfang und Ende der natürlichen Bewirtschaftungsperiode entspricht. Der Martinstag wurde deshalb auch Zinstag genannt.

Bräuche

Martinsgans-Essen

Martinigansl mit Rotkraut und Serviettenknödel

Als Brauch ist heute vor allem das traditionelle Martinsgans-Essen (in Österreich auch Martinigans oder Martinigansl genannt) verbreitet. Es hat seinen Ursprung angeblich in einer Legende über Martins Leben: Entgegen seinem eigenen Willen und trotz Vorbehalten des Klerus drängte das Volk von Tours darauf, Martin zum Bischof zu weihen. Asketisch und bescheiden, wie er sein Leben führte, hielt er sich unwürdig für solch eine große Verantwortung. Folglich versteckte er sich in einem Gänsestall. Die Gänse jedoch schnatterten so aufgeregt, dass Martin gefunden wurde und geweiht werden konnte.

Einer anderen Erzählung nach verwandten die Bürger von Tours eine List: Rusticus ging nämlich zu Martins Versteck und bat diesen, seine kranke Frau zu besuchen. Hilfsbereit, wie Martin nun einmal war, nahm er seine Sachen, um Rusticus nach Hause zu begleiten. Wahrscheinlich sah er ziemlich schmutzig aus – als habe er eine Zeit lang in einem Gänsestall gelebt.

Eine weitere Geschichte besagt, dass eine schnatternde Gänseschar in den Kirchraum watschelte, und dabei Bischof Martin bei seiner Predigt unterbrach. Sie wurden gefangen genommen und zu einer Mahlzeit verarbeitet.

Traditionell wird die Gans mit Rotkohl und Semmelknödeln oder Kartoffelklößen gegessen.

Sankt-Martins-Zug bzw. -Umzug

Sankt-Martins-Umzug in Düsseldorf-Urdenbach, 1948
Kinder beim Sankt-Martins-Umzug
St. Martin - Darstellung bei einem Fest-Umzug

In vielen Regionen Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und in Südtirol sind Umzüge zum Martinstag üblich. Bei den Umzügen ziehen Kinder zum Gedenken mit Laternen durch die Straßen der Dörfer und Städte. Begleitet werden sie häufig von einem auf einem Schimmel sitzenden und als römischer Soldat verkleideten Reiter, der mit einem roten Mantel den Heiligen Martin darstellt. In Bregenz wird dieser Brauch Martinsritt genannt. Gelegentlich wird auch die Schenkung des Mantels an den Bettler nachgestellt. Bei dem Umzug werden traditionelle Martinslieder gesungen. Die Laternen werden oft vorher im Unterricht der Grundschulen und in Kindergärten gebastelt. Zum Abschluss gibt es häufig ein großes Martinsfeuer. Vielerorts erhalten die Kinder einen Weckmann aus Hefeteig mit Rosinen. In Süddeutschland sind kleine Martinsgänse aus Keks- oder Hefeteig oder auch Laugenbrezeln üblich. In Teilen des Ruhrgebiets und des Sauerlandes erhalten die Kinder eine Martinsbrezel – eine Brezel aus süßem Hefeteig, bestreut mit Hagelzucker.

Im Münsterland, im Oldenburger Münsterland, in Ostwestfalen, im Rheinland und in Oberschwaben sind solche Veranstaltungen üblich. In Erfurt findet ein Umzug statt, während die umliegenden Gemeinden zumeist keinen haben. Der Brauch ist nicht nur auf Deutschland beschränkt. So veranstaltet die deutsche Gemeinde in Stockholm einen Martinsumzug und auch in den Niederlanden existiert der Brauch. Die größten St.-Martins-Umzüge Deutschlands mit über 4000 Teilnehmern finden in Kempen am Niederrhein[1] und Bocholt[2] statt. Heutzutage finden die Züge mancherorts auch an anderen Daten rund um den eigentlichen Festtag statt, wenn es organisatorische Gründe erfordern. So kann beispielsweise für mehrere Ortsteilzüge nur ein Martinsdarsteller zur Verfügung stehen.

Martinssingen

Im Anschluss an den Martinszug oder auch an einem leicht abweichenden Termin wird vielerorts auch das Martinssingen (auch „Martinilieder“) praktiziert, bei dem die Kinder mit ihren Laternen bzw. Lampions von Haus zu Haus ziehen und mit Gesang Süßigkeiten, Gebäck, Obst und andere Gaben erbitten. Es gibt zahlreiche lokale Bezeichnungen für diesen Brauch, im Rheinland etwa „Kötten“, „Schnörzen“, „Dotzen“ oder „Gribschen“.[3] Ein ähnlicher Brauch ist das Martinisingen in Ostfriesland und anderen evangelischen Gegenden, das am 10. November stattfindet, aber auf Martin Luther anstatt auf den heiligen Martin zurückgeht.

Martinisegen

Vor allem in Ostösterreich segnen die Pfarren den neuen Wein (Heuriger), der dann nach diesem „Martiniloben“ von den Heurigenwirten zur ersten Verkostung ausgeschenkt wird.

Pelzmärtel

In manchen überwiegend protestantischen Gegenden Bayerns, so z. B. im Donauries, in der Schwäbischen Alb und in Mittelfranken, bringt der Pelzmärtel am Martinstag Geschenke.

Einzelnachweise

  1. http://www.nrw-tournews.de/pages/archiv_details.cfm?ID=2084
  2. Die Kerze im Gänsebauch | BBV-Net
  3. WDR-Mediathek - „Schnörzen, gripschen, dotzen“

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