- Massaker in Tiflis 1956
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Das Massaker von Tiflis 1956 war eine blutige Niederschlagung antisowjetischer Demonstrationen durch sowjetische Truppen in Tiflis, Georgische SSR am 9. März 1956. Die Proteste hatten als friedliche Demonstrationen von Studenten für den verstorbenen Diktator Josef Stalin begonnen, mündeten jedoch in einen Aufstand gegen die sowjetische Herrschaft in Georgien.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Am 25. Februar 1956 verkündete KPdSU-Generalsekretär Nikita Chruschtschow in einer Geheimrede vor dem 20. Parteitag, dass sein georgischstämmiger Vorgänger Josef Stalin ein brutaler Despot gewesen sei und leitete damit die Entstalinisierung der Sowjetunion ein. Er verlangte, mit dem "Personenkult" zu brechen, der die Menschen 30 Jahre lang fest im Griff gehabt hatte.
Chruschtschows Rede war zwar öffentlich nicht bekannt, doch drangen Gerüchte darüber nach außen. Das Gehörte wurde als Beleidigung des georgischen Nationalstolzes empfunden. Die georgische Jugend war mit ständigen Lobsprüchen über Stalins Genie aufgewachsen und stolz darauf, dass ein Georgier über Russland herrschte und - so eine weitverbreitete Auffassung - die Weltpolitik bestimmte. Die plötzliche Verunglimpfung des Idols war ein Schock und wurde als politischer Vatermord angesehen.
Stalin-Demonstrationen
Wenige Tage vor Stalins drittem Todestag veranstalteten Studenten spontane Demonstrationen am Tiflisser Stalin-Denkmal nahe dem Ufer der Kura. Die Demonstrationen in der georgischen Hauptstadt lösten ähnliche Proteste in anderen Teilen der Georgischen SSR aus.
Am 5. März marschierten rund 150 Studenten zum Stalin-Denkmal, zeigten Porträts des verächteten Parteiführers, trugen rote Fahnen mit Trauerbändern und legten Blumengebinde nieder. Autofahrer wurden aufgefordert, zu hupen. Am 7. März verließen Schüler ihre Schulen und schlossen sich den Demonstrationen an. Tausende Jugendliche zogen über den Rustaweli-Boulevard zum Regierungsgebäude (heute Parlamentsgebäude). Von einem Hupkonzert begleitet sangen sie immer wieder "dideba did Stalins, dideba did Stalins" (dt. Lang lebe Stalin, lang lebe Stalin).
Antisowjetische Wendung
Am 8. März wendeten sich die politischen Inhalte der Demonstrationen. Die Studenten kritisierten die Regierung, fragten, warum es keine Trauerbeflaggung in der Stadt und keine Marx-, Engels-, Lenin- oder Stalin-Porträts in der Verwaltung gebe. Ein Wortführer wies in Richtung des Hauptquartiers der Sowjetischen Streitkräfte und rief: "Georgier! Wenn ihr die Porträts von Stalin und Lenin haben wollt, geht und fragt sie." Die Demonstranten zogen vor das Hauptquartier der Sowjetischen Streitkräfte, riefen und klopften gegen das Tor. Am Abend wurde eine Lautsprecheranlage auf dem Leninplatz (heute Freiheitsplatz) installiert, die jeder nutzen konnte, der es wollte. Radikale Studenten verlangten die staatliche Unabhängigkeit Georgiens.
Am 9. März schlossen sich auch Angestellte und Arbeiter den Demonstrationszügen an. Partei und Regierung schienen nachzugeben. Georgiens Parteichef Wassili Mschawanadse kündigte in öffentlicher Rede an, die Wünsche der Bevölkerung zu berücksichtigen. Am Abend wurden auf Versammlungen am Stalin-Denkmal und am Lenin-Denkmal erneut antisowjetische und nationale Reden gehalten.
Aufstand
Gegen 23.45 Uhr versuchten die Menschen, die Tiflisser Radiostation und das Telegrafenamt zu stürmen. Dabei eröffnete die Sowjetische Armee das Feuer. Panzer fuhren im Zentrum von Tiflis auf, um den Aufstand zu beenden. Die Menschen wehrten sich mit Messern, Steinen und Gürteln. Die Kämpfe dauerten bis 3 Uhr nachts. Die Anzahl der getöteten Aufständischen wird auf mindestens 80, möglicherweise auch über 150 geschätzt. Mehrere hundert sollen verwundet und verhaftet worden sein. Offizielle Angaben dazu gibt es bis heute nicht.
Nachspiel in Gori
In den frühen Morgenstunden des 10. März trafen Aufständische aus Tiflis in Gori ein. Sie drangen auf das Gelände der Textilmühle vor und riefen: "Warum arbeitet ihr? In Tiflis ist Bürgerkrieg. Die Russen bringen uns um." Große Teile der Nachtschicht-Arbeiter schlossen sich den Tiflissern an. Menschen wurden aus ihren Wohnungen geholt und fuhren auf Lastwagen in die georgische Hauptstadt. Dort gelang es jedoch nicht, das Heft des Handelns wiederzugewinnen, weil die sowjetischen Streitkräfte alle strategischen Plätze in der Stadt besetzt hielten und Warnschüsse abfeuerten, sobald es zu Zusammenrottungen kam.
Das Tiflisser Massaker von 1956 war in der Sowjetunion ein Tabuthema. Parteiintern wurde es als Provokation auswärtiger Spione dargestellt. Die Georgier wurden von den Vorfällen politisch tief geprägt. Die folgenden 20 Jahre kam es in der Georgischen SSR zu keinem öffentlichen Protest.
Siehe auch
Literatur
- Vladimir A. Kozlov: Mass Uprisings in the USSR: Protest and Rebellion in the Post-Stalin Years. M.E. Sharpe, Armonk, New York [u.a.] 2002, ISBN 0-7656-0668-2
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