- Megalith-Kultur
-
Als Megalithkultur (griechisch mega = „groß“ und lithos = „Stein“) wird unzutreffend eine Reihe nicht miteinander verwandter, europäischer bzw. zirkummediterraner Kulturen der Jungsteinzeit und der Bronzezeit bezeichnet. Der Begriff „Megalithkultur“ beinhaltet mit Ausnahme der Verwendung von „großen Steinen“ keine weiteren Gemeinsamkeiten.
Die betreffenden Bauwerke (Megalithanlagen) bestehen aus bearbeiteten oder unbearbeiteten Steinblöcken. Daneben finden sich aufgerichtete erratische Blöcke oder Steine, die ein Gewicht bis zu 350 t (Grand Menhir Brisé), i. d. R. aber 15–20 t haben (Steinsetzungen).
Die Bauten beziehungsweise Steinsetzungen werden in Deutschland je nach Ausführung und vermutetem Verwendungszweck als Hünengräber, Dolmen, Ganggräber, Menhire, Steinkisten, Steinkreise oder Steinreihen bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Zeitabschnitte
Die Datierungen der Megalithen sind oft lückenhaft und unzuverlässig. Als Zeiträume werden genannt:
- Niederlande, Deutschland, Polen, Skandinavien (4000–2000 v. Chr)
- Frankreich und Bretagne (4500–2000 v. Chr) und eisenzeitliche kannelierte Menhire
- Malta (4000–2000 v. Chr)
- Sardinien (3000–600 v. Chr)
- Korsika (3000–1000 v. Chr)
- Iberische Halbinsel (4000–2000 v. Chr)
- Irland und England (3500–1500 v. Chr)
- Palästina (2000 v. Chr)
Mittel- und Nordeuropa
Seit etwa 4200 v. Chr. in der Norddeutschen Tiefebene zwischen den Niederlanden und der Weichsel sowie im südlichen Skandinavien nachgewiesen, erbauten die Träger der Trichterbecherkultur ebenso wie der primär in Westfalen und Hessen verbreiteten Wartberg-Kultur ab 3500 v. Chr. die zu dieser Zeit völlig neuartigen Anlagen. Vorwiegend mittels großer Findlinge wurden teilweise große begehbare Kammern errichtet, in denen entfleischte Knochen (Exkarnation) und Beigaben deponiert wurden. Die unter dem volkstümlichen Namen „Hünengräber“ (Hüne = Riese) bekannten Anlagen dienten einer Siedlungskammer oder einer Region als Grablege. Sie wurden über einige Generationen genutzt und dann verschlossen und mit einem Erdhügel bedeckt. Daneben sind auch hölzerne Totenhäuser bekannt.
Die Megalithanlagen wurden durch die Angehörigen der Schnurkeramik, der Kugelamphoren-Kultur und der Glockenbecherkultur teilweise ausgeräumt und nachgenutzt. Mit der Schnurkeramik beginnt die Niederlegung intakter Körper in den Steinkammern und in andersartigen Anlagen.
Im Frühjahr 2009 wird in Niedersachsen die Autoferienstraße „Straße der Megalithkultur“ eingeweiht. Sie verläuft von Osnabrück über Bramsche, Fürstenau, Meppen und Wildeshausen bis nach Oldenburg. Die Ausschilderung der Ferienstraße ist bereits 2008/2009 erfolgt.
Osteuropa
In Thrakien, im Grenzgegiet zwischen Bulgarien, Griechenland und der Türkei sowie in Abchasien (Georgien) sind Dolmen aus unterschiedlichen Epochen bekannt. Ihre Untersuchung hat jedoch erst begonnen.
Bretagne, Normandie und Großbritannien
In der Bretagne ab etwa 4500 v. Chr. wurden wie auch später auf den Britischen Inseln megalithische Bauten oder Steinsetzungen errichtet, die auch die Shetlandinseln und die Orkney (Maes Howe, Ring of Brodgar) erreichten. Sie werden in verschiedene Typen eingeteilt; siehe Nordische Megalitharchitektur und Britische Megalithik. Die bretonischen Anlagen galten lange als die ältesten in Europa. Forschungen 2006 erbrachten in Rots und Ernes, bei Caen und Colombiers bei Alençon, alle in der Normandie, noch ältere Daten[1]
Besonders aus der Bretagne, Irland und Großbritannien sind neben diesen großen Megalithanlagen etwa ab 3200 v. Chr. Steinkreise und Steinreihen vertraut, dessen bekannteste Beispiele Stonehenge (Salisbury, England), Callanish (Isle of Lewis, Schottland) und Carnac (Bretagne) sind. Ihre genaue Aufgabe ist unbekannt. Neben astronomischen Funktionen werden auch kultische angenommen. Die Interpretation mancher der Darstellungen als Dolmengöttin geht auf Abbé Breuil zurück und stützt sich zum Teil auf eine fehlerhafte Umzeichnung.[2] Andere Darstellungen, insbesondere in den Anlagen der Cŏte de Granit Rose sind eindeutig. Die Bauwerke deuten auf einen hohen Organisationsgrad und entwickelte technische geistige Fähigkeiten. Im Zusammenhang mit ihrer Datierung kann man bei manchen Typen zunehmenden Umfang und Komplexität ebenso erkennen, beim anderen sukzessiven Niedergang. Zwischen den niedrigen Steinkreisen aus der Frühzeit (Beaghmore) und solch komplexen Kultplätzen wie Stonehenge oder Avebury am Ende der Epoche findet ein deutlicher technischer Fortschritt statt.
Iberische Halbinsel
Auf der iberischen Halbinsel beginnt die Errichtung von Großsteingräbern mit dem Epi-Cardial und setzt sich bis in die kupferzeitliche Almeriakultur fort. Besonders häufig sind Großsteingräber in Portugal und den Randregionen Spaniens, Galicien und Asturien mit Ausnahme der Ostküste.
Eine eigene, spätere Version entstand auf den Balearen mit den Cuevas, Navetas, Talayots Hypostyloi und den Taulen.
Westeuropa und westliches Mittelmeer
Die Westschweiz, Belgien, Südfrankreich, Aquitanien, Süditalien, Nordafrika und die westmediterranen Inseln Korsika, Sardinien, Sizilien und Malta besitzen ebenfalls bedeutende megalithische Bauten. Auf Malta wurden sehr früh regelrechte Tempel aus großen bearbeiteten Steinblöcken errichtet, was an dem guten Ausgangsmaterial (weicher Globigerinenkalkstein) lag. Sie besitzen bautechnisch keinerlei Parallelen im Neolithikum Europas.
Die in den Fels gehöhlten Anlagen (z. B. das Hypogäum von Ħal-Saflieni und die Felsengräber der Balearen (Cuevas) und Sardiniens Domus de Janas) werden zwar nicht als gleichartige Phänomene verstanden, sie sind aber entweder die Vorbilder (Mallorca, Malta und Sardinien) oder Begleiter der westmediterranen Megalitharchitektur. Dolmen treten dagegen auf den Inseln erst in der Bronzezeit auf. Ähnliche Formen finden sich in Apulien, auf Sizilien und in Nordafrika (Tunesien, Algerien). Dort wurden Dolmen von den Numidern bis in die römische Zeit für Bestattungen erbaut (Madracen, Tipasa, Tin Hinan).
Weltweit
Megalithstrukturen finden sich auch außerhalb des eher westlichen Europas, z. B. in der Türkei, in Südrussland, Georgien, Syrien und Palästina, aber auch auf der Osterinsel oder bei den Hochkulturen Mesoamerikas, in Indien, Indonesien und Korea. In Südamerika entstand eine vorkolumbianische Großsteinarchitektur (Tiahuanaco). In Afrika finden sich megalithische Bauten in Marokko, Tunesien und Algerien sowie die senegambischen Steinkreise in Gambia und in Senegal.
Theorien
Ältere Theorien gingen davon aus, dass sich die Megalithidee entlang der Atlantikküste ausbreitete.[3] Theorien über die alleinige Verbreitung der Megalithidee durch Wanderung (Hyperdiffussionismus) werden heute mehrheitlich abgelehnt. Selbst in Europa liegen entweder zu große Zeiträume oder zu große Entfernungen zwischen dem Auftreten der Megalithformen. So spricht einiges für eine homologe Entwicklung, die vor kulturell unterschiedlichem Hintergrund ablief. Regional ist die Verbreitung astronomischer Kenntnisse und die Errichtung observatorischer Anlagen gegeben. Die Ausbreitung von Idee dürfte einen religiösen Hintergrund haben, der an die Ackerbaukulturen - als Träger der Idee - gebunden ist.
Christianisierung von Megalithen
Christianisierte Menhire sind im atlantischen Teil Europas relativ häufig, aber christianisierte Megalithanlagen sind selten. Beispiele sind:
- Irland. Das Oratorium auf der Insel Holy Island (Clare) birgt im Inneren eine Struktur aus Megalithen, die so angeordnet sind, dass sie zu einem kleinen Passage tomb, einem Portal tomb oder zu einem kleinen fünfsteinigen Steinkreis gehört haben können.
- Frankreich. Auf einer Flussinsel im Vienne, in der Nähe von Confolens, wo die Orthostaten (Tragsteine) des „Dolmen de la Madelaine“ durch romanische Säulen ersetzt wurden, während der Deckstein zum Dach einer Kapelle wurde, die der Maria Magdalena gewidmet ist. In der Kapelle der sieben Heiligen von Ephesus (Kleinasien, heute Türkei) (Chapelle des Sept-Saints) in Le Vieux-Marché, befindet sich eine Megalithanlage als Krypta im Bereich des rechten Querschiffs.
- Portugal. São Brissos und São Dionisio (oder São Dinis) wo zwei komplette Antas zu Kapellen ergänzt wurden.
- Spanien. In Cangas de Onis in Asturien, wo die „Eglesia de la Santa Cruz“ (erbaut 733 n. Chr.) die Reste einer Megalithanlage als Fundament besitzt.
Literatur
- Timothy Darvill, M. Malone: Megaliths from Antiquity. Antiquity, Cambridge 2003, ISBN 0-9539762-2-X.
- Probleme der Megalithgräberforschung. Vorträge zum 100. Geburtstag von Vera Leisner. Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Madrid, W. de Gruyter, Madrid 1990, ISBN 3-11-011966-8.
- Glyn Edmund Daniel, John Davies Evans, Barry W. Cunliffe, Colin Renfrew: Antiquity and Man. Thames & Hudson, London 1981, ISBN 0-500-05040-6.
- Sibylle von Reden: Die Megalithkulturen. DuMont, Köln 1978, 1982, ISBN 3-7701-1055-2.
- Mark Patton: Statements in stone, monuments and society in neolithic brittany. Routledge, London 1993, ISBN 0-415-06729-4.
- Jürgen E. Walkowitz: Das Megalithsyndrom: europäische Kultplätze der Steinzeit. Langenweißbach, Beier & Beran, 2003, ISBN 3-930036-70-3.
- Sandra Billington, M. Green: The concept of goddess. Routledge, New York 1996, ISBN 0-415-14421-3.
Iberische Halbinsel
- Philine Kalb: Megalithik auf der iberischen Halbinsel und in Nordafrika. In: Karl W. Beinhauer (Hrsg.), u.a.: Studien zur Megalithik. Forschungsstand und ethnoarchäologische Perspektiven. in: Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. Langenweißbach 21.1999, 115–122.
- Georg Leisner, Vera Leisner: Die Megalithgräber der iberischen Halbinsel. Der Westen. Madrider Forschungen. Bd 1–2. W. de Gruyter, Berlin 1956–1959.
- Georg Leisner, Vera Leisner: Die Megalithgräber der Iberischen Halbinsel. 1. Teil, Der Süden. Römisch-Germanische Forschungen. Bd. 17. De Gruyter, Berlin 1943.
Westeuropa
- G. Horn, C. B. Rüger (Hrsg.): Die Numidier, Reiter und Könige nördlich der Sahara. Rheinisches Landesmuseum, Bonn 1979.
- G. Camps: Les dolmens marocains. in: Libyca. Algier 13.1965, 235–247. ISSN 0459-3030
Einzelnachweise
- ↑ Current Archaeology. London H. 133. ISSN 0011-3212<--vollst. Zitat?-->
- ↑ Twohig 1996
- ↑ Sibylle von Reden: Die Megalith-Kulturen Köln ISBN 3-7701-1055-2
Wikimedia Foundation.