Metastasio

Metastasio
Pietro Metastasio

Pietro Trapassi (* 3. Januar 1698 in Rom; † 12. April 1782 in Wien) war ein italienischer Dichter und Librettist, besser bekannt unter seinem Pseudonym Antonio Pietro Metastasio.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend

Metastasio wurde in Rom geboren, wo sein Vater, Felice Trapassi aus Assisi, eine Stelle im Korsischen Regiment der päpstlichen Truppen innehatte. Der Vater heiratete Francesca Galasti aus Bologna und etablierte sich als Gemüsehändler in der Via dei Cappellari in Rom. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne und zwei Töchter hervor.

Schon als Kind trug Pietro spontan Gedichte vor. 1709 wurden bei einer solchen Gelegenheit zwei Männer auf ihn aufmerksam: Giovanni Vincenzo Gravina, berühmt für seine juristische und literarische Bildung und Vorsitzender der „Accademia dell'Arcadia“, sowie Lorenzini, ein bedeutender Kritiker. Gravina war begeistert vom Charme und Talent des kleinen Pietro, und adoptierte Pietro wenige Wochen später. Der Vater war damit einverstanden, da sich mit der Adoption die Chance einer guten Ausbildung und gesellschaftlichen Aufstiegs für den Jungen ergab.

Gravina verlieh dem elfjährigen Jungen auch seinen Künstlernamen “Metastasio” (vom Griechischen Metastase, zu deutsch Verschiebung, Veränderung) und plante, ihn zum Juristen auszubilden. Daher unterrichtete er ihn in Latein und Rechtswissenschaft. Gleichzeitig förderte er sein literarisches Talent und führte seinen Schützling in die römische Gesellschaft ein. Metastasio trat schon bald gegen die berühmtesten Stegreifdichter („Improvisatori“) Italiens an – bei diesen abendlichen Wettbewerben wurden manchmal bis zu 80 Strophen improvisiert. Doch das anstrengende Lernen tagsüber und die Wettbewerbe an den Abenden griffen seine Gesundheit an.

Gravina musste beruflich nach Kalabrien reisen und nahm Metastasio mit sich. Er führte ihn in die literarischen Kreise Neapels ein und vertraute ihn seinem Freund Gregorio Caroprese in Scaléa an. Durch die frische Luft der ländlichen Gegend und die Ruhe des Meeres kam Metastasio wieder zu Kräften. Gravina entschied, dass Metastasio nicht mehr improvisieren, sondern seine Kräfte für höhere Ziele einsetzen sollte: Erst nach dem Abschluss seiner Ausbildung sollte er erneut gegen große Dichter antreten.

Metastasio fügte sich den Wünschen seines Mentors. Im Alter von zwölf Jahren übersetzte er die Ilias in Stanzen, zwei Jahre später schrieb er eine Tragödie im Stil von Seneca über den Stoff aus Gian Giorgio Trissino's Italia liberata dai Goti - Gravinas Lieblingsepos. Er nannte es Giustino. Gravina ließ es 1713 veröffentlichen, aber das Stück war leblos und künstlerisch unbedeutend. Zweiundvierzig Jahre später bat Metastasio seinen Herausgeber, Calsabigi, es unter Verschluss zu halten. Caroprese, der Freund Gravinas aus Scalea, starb 1714, und setzte Gravina als Alleinerben ein. Als 1718 auch Gravina starb, erbte Metastasio ein Vermögen von 15,000 Scudi. Bei einem Treffen der “Accademia dell'Arcadia” trug er eine Elegie auf seinen Mentor vor und zog sich dann zurück, um seinen Wohlstand zu genießen.

Leben und Wirken in Italien

Metastasio war nun zwanzig Jahre alt. Während der letzten vier Jahre trug er die Kleidung eines Abbé, nachdem er die kleinen Gelübde abgelegt hatte, ohne die es unmöglich war, in Rom Karriere zu machen. Seine romantische Geschichte, seine charismatische Erscheinung, seine charmanten Manieren und sein außergewöhnliches Talent machten ihn berühmt. Nach weiteren zwei Jahren hatte er sein Geld ausgegeben. Nun entschied er sich ernsthaft, seine Fähigkeiten beruflich zu nutzen. In Neapel nahm er eine Stelle bei einem berühmten Juristen namens Castagnola an, der diktatorisch über Metastasios Zeit und Energie verfügte.

Als Sklave seines Arbeitgebers schrieb Metastasio 1721 ein Epithalamium (Hochzeitsgedicht), und vermutlich auch eine erste musikalische Serenade mit dem Namen Endimione, die er für die Hochzeit seiner Schutzherrin Prinzessin Pinelli di Sangro mit dem Markgrafen Belmonte Pignatelli schrieb.

1722 wurde der Geburtstag der Kaiserin besonders pompös gefeiert. Der Zeremonienmeister wandte sich an Metastasio und erteilte ihm den Auftrag, eine Serenade für die Feier zu verfassen. Er nahm den Auftrag an und schrieb Gli orti esperidi („Die Gärten der Hesperiden“). Die Musik wurde von Nicola Porpora komponiert; den Solopart sang Porporas Schüler, der berühmte Kastrat Farinelli. Es war ein spektakuläres Debüt mit tobendem Applaus. Die große römische Diva Marianna Bulgarelli, nach ihren Geburtsort La Romanina ('Die Römerin') genannt, die in dem Stück die Venus spielte, überredete Metastasio, die Rechtswissenschaften aufzugeben und versprach ihm, für seine Berühmtheit und Unabhängigkeit zu sorgen, sollte er die Arbeiten an seinen musikalischen Dramen weiterführen.

In La Romaninas Haus lernte er die größten Komponisten seiner Tage kennen: Neben Porpora, von dem er Musikunterricht bekam, Hasse, Pergolesi, Alessandro Scarlatti, Vinci, Leo, Durante, und Marcello. Sie alle vertonten später seine Stücke. Hier erlernte er die Kunst des Singens und den Gesangsstil eines Farinelli zu schätzen. Metastasios außerordentliche musikalische Begabung und sein poetisches Gespür machten ihm das Schreiben von Stücken leicht. Seine gut komponierbaren Libretti waren zwar keine literarischen Meisterwerke, boten aber den Komponisten die Möglichkeit zu meisterhaften Kompositionen, und die besten Sänger rissen sich darum, die Werke vortragen zu dürfen. Die Handlungen sind meist trivial, die Situationen unrealistisch absurd. Die Dramatik ist oft stereotyp und konzentriert sich fast ausschließlich auf das Thema Liebe. Erst in der Vertonung bekommen diese Elemente ihren musikalischen Sinn.

Metastasio lebte mit La Romanina und ihrem Mann in Rom. Bewegt von tatsächlicher Bewunderung seines Talents, adoptierte sie ihn, wie zuvor Gravina. Sie nahm die ganze Familie Trapassi – Vater, Mutter, Bruder und Schwestern – in ihr Haus auf und erfüllte ihm alle Sonderwünsche. Unter ihrem Einfluss schrieb er in schneller Abfolge Didone abbandonata, Catone in Utica, Ezio, Alessandro nell' Indie, Semiramide riconosciuta, Siroe und Artaserse. Diese Dramen wurden von den damals berühmtesten Komponisten vertont und in allen großen Städten aufgeführt.

In der Zwischenzeit wurde La Romanina älter und hatte aufgehört, öffentlich zu singen. Der Dichter fühlte sich ihr aus Dankbarkeit immer mehr verpflichtet. Er bekam 300 Scudi für jede Oper. Diese Gage war gut, aber Metastasio hatte das Bedürfnis nach einer fixen Anstellung, die ihm eine gewisse Sicherheit geben würde.

Metastasio am Wiener Hof

Denkmal Pietro Metastasios in der Wiener Minoritenkirche

Im September 1729 bekam Metastasio ein Angebot als Hofdramaturg an einem Theater in Wien, das er sofort annahm. Es beinhaltete ein Stipendium von 3000 Gulden. La Romanina ließ ihn gehen und kümmerte sich weiterhin selbstlos um seine Familie. Im Frühsommer 1730 kam Metastasio in Wien an. Er zog in eine große Wohnung im Alten Michaelerhaus; 1732 zog auch sein Freund Nicolo Martines mit seiner Familie zu ihm.

Damit begann eine völlig neue Periode im Schaffen Metastasios. Zwischen 1730 und 1740 wurden seine besten Dramen für das Kaiserliche Hoftheater vertont und aufgeführt: Adriano, Demetrio, Issipile, Demofoonte, L'Olimpiade (1734 von A. Vivaldi), Clemenza di Tito, Achille in Sciro, Temistocle und Attilio Regolo. Außerdem widmete er sich auch wieder geistlichen Texten; seine 1730 entstandene Azione sacra La Passione di Nostro Signore Gesù Cristo wurde zu einem der meistvertonten Oratorientexte des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Da es sich oft um Gelegenheitswerke aus aktuellem Anlass handelte, entstanden Text, Komposition, Notenabschrift und -druck und Einstudierung immer wieder in kürzester Zeit. Metastasios Erfahrungen in Neapel und Rom hatten seine Technik zur Meisterschaft entwickelt, und die Begeisterung der Wiener beschleunigten seine Karriere.

Der restaurierte Innensarg Metastasios, zu sehen in Wien, Michaelerkirche, im Hintergrund sieht man Radierungen von Herwig Zens.

Wegen seiner niederen Herkunft fand sich Metastasio in Wien aber aus aristokratischen Kreisen ausgeschlossen und ging deshalb ein intimes Verhältnis mit Baronin Althann ein, einer Schwägerin seiner früheren Gönnerin, Prinzessin Belmonte Pignatelli. Sie hatte ihren Mann verloren und war eine Zeitlang Mätresse des Kaisers gewesen. Metastasios Beziehungen zu ihr waren so intensiv, dass man sogar glaubte, sie hätten heimlich geheiratet.

La Romanina war inzwischen der langen Abwesenheit Metastasios müde geworden und bat ihn, ihr ein Engagement am Wiener Hoftheater zu vermitteln. Er hatte sich aber innerlich von ihr gelöst und bat sie schriftlich, von diesem Vorhaben absehen. Dieser irritierende Brief machte sie wütend. Wahrscheinlich hatte sie sich bereits auf den Weg gemacht, sie starb aber unvermittelt während der Reise. Metastasio fand sich als Alleinerbe La Romaninas eingesetzt, während sie ihrem Ehemann nichts vermacht hatte. Metastasio war durch ihren plötzlichen Tod so überwältigt und voller Reue, dass er auf seinen Erbanspruch verzichtete. Diese Entscheidung schuf viel Verwirrung zwischen den Familien Metastasio und Bulgarelli. La Romaninas Witwer heiratete ein zweites Mal, und die Familie von Leopoldo Trapassi, seine Schwester und sein Vater mussten wieder selbst für ihr Auskommen sorgen.

Das Leben, das Metastasio in Wien führte, und das dortige Klima begannen seiner Gesundheit zu schaden – ab etwa 1745 schrieb er nur noch wenig. Dennoch gehörten die Kantaten aus dieser Periode sowie die Kanzonette Ecco quel fiero istante, die er seinem Freund Farinelli gesandt hatte, zu seinen populärsten Werken. Vernon Lee sagte dazu, dass „das was ihn antrieb, geistige und moralische Langeweile war“.

1755 starb Baronin Althann, und Metastasio begann, seinen gesellschaftlichen Umgang auf die Besucher seines Hauses zu beschränken. Jahrzehntelang lebte er sehr zurückgezogen und war wenig produktiv. Nach langer, schwerer Krankheit starb er 1782 und vermachte er sein gesamtes Vermögen den vier Kindern seines Freundes Martines. Er wurde in einem Begräbnis erster Klasse in der Wiener Michaelerkirche beigesetzt, wo sein einbalsamierter Leichnam bis heute liegt. Er hatte alle seine italienischen Verwandten überlebt.

Während seiner letzten vierzig Jahre, in denen Metastasio seine eigene Kreativität und Produktivität überlebt hatte, wuchs sein Ruhm von Jahr zu Jahr mehr. In seiner Bibliothek hatte er 40 Ausgaben seiner eigenen Werke. Sie waren ins Französische, Englische, Deutsche, Spanische und sogar ins Neugriechische übersetzt worden. Sie sind immer wieder von berühmten Komponisten vertont worden. Jede Oper wurde mit Begeisterung in höchsten gesellschaftlichen Kreisen aufgenommen. Sie wurden von den größten Virtuosen in jeder Hauptstadt gesungen, und er war Mitglied jeder nennenswerten literarischen Akademie. Berühmte Fremde, die durch Wien kamen, zollten ihm Tribut, indem sie ihn in seiner Wohnung am Kohlmarkt aufsuchten.

Ein Denkmal mit einer lebensgroßen Statue Metastasios findet sich in der Minoritenkirche, der italienischen Nationalkirche in Wien.

Erklärendes

Metastasios Werke waren für eine bestimmte Art von Musik bestimmt - für die Kunst äußerst virtuoser Sänger, unter anderen auch Kastraten. Mit der Opernreform, die durch Gluck und Mozart eingeführt wurde, mit Einsatz größerer Orchester und schneller Tempi war ein anderer Typ eines Librettos gefragt. Metastasios Stücke gerieten in Vergessenheit, wie auch die Musik, die sie vertonte. Farinelli, den er als Zwillingsbruder bezeichnete, war der ideale Interpret seiner Poesie; als Kastraten aus der Mode kamen, wurde auch die entsprechende Musik und damit Metastasios Lyrik uninteressant. Ein Jahrhundert später vertonte Franz Schubert das Lied "Penso che questo instante" nach einem Text Metastasios.

Die Libretti, die Metastasio schrieb und das Genie, das er war, sind heute kaum fassbar, sodass es schwer ist, ihm einen angemessenen Platz als Dichter in der italienischen Literaturgeschichte zuzuweisen. Seine dramatischen Situationen behandeln meist zwei bis drei Charaktere, die – geleitet von ihren Leidenschaften – in Konflikte geraten. Metastasios Sprache ist unglaublich pur und einfach; sie bot aber den Komponisten eine ideale Grundlage für die Ausgestaltung der Dramatik.

Unter den italienischen Dichtern der Vergangenheit bewunderte er vor allem Tasso und Marino. Er vermied jedoch Kontakte mit Marino und war nicht sehr erfolgreich im Nachahmen seines Idols. Sein eigener Stil lässt den improvisierenden Dichter durchscheinen. Unter den lateinischen Schriftstellern schätzte er am meisten Ovid. Von dieser Vorliebe können auch einige seiner Werke hergeleitet werden. Was ihn in der italienischen Literatur einzigartig macht, ist jedoch seine große Leichtigkeit in der Formulierung von Gefühlen und romantischen Situationen.

Es gibt heute zahllose Ausgaben von Metastasios Werken. Er selbst schätzte am meisten die Ausgabe Calsabigis (Paris, 1755, 5 vols. 8vo), die unter seiner Aufsicht entstanden war. Die posthumen Arbeiten wurden 1795 in Wien gedruckt. Das Leben Metastasios wurde von Aluigi (Assisi, 1783), Charles Burney (London, 1796) und vielen anderen niedergeschrieben und als Buch veröffentlicht.

Literatur

  • Elisabeth Hilscher – Andrea Sommer-Mathis (Hrsg.): Pietro Metastasio - uomo universale (1698-1782). Festgabe der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zum 300. Geburtstag von Pietro Metastasio. Verl. der Österr. Akad. der Wiss., Wien 2000, ISBN 3-7001-2886-X.
  • Laurenz Lütteken und Gerhard Splitt (Hrsg.): Metastasio im Deutschland der Aufklärung. Bericht über das Symposium Potsdam 1999. Niemeyer, Tübingen 2002, ISBN 3484175281 (=Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung. Bd. 28. =Schriftenreihe der Stiftung Franz Xaver Schnyder von Wartensee. Nr. 61).
  • Maeder, Costantino, Metastasio, l'«Olimpiade» e l'opera del Settecento. Bologna, Il Mulino, 1993.

Weblinks


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