Midijob

Midijob

Als Midi-Job bezeichnet man eine deutschlandspezifische Ausgestaltung eines Niedriglohn-Jobs; ähnlich wie das noch geringer vergütete Instrument des Mini-Jobs geht diese Einrichtung auf die Neuregelung zu den geringfügigen Beschäftigungen ab 1. April 2003 zurück, dessen Rechtsgrundlage die "Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" vom 1. Januar 2003 sind. Die Neuregelung ist Bestandteil des Hartz-Konzeptes zur Reformierung des Arbeitsmarkts, der Midi-Job wird dort jedoch – im Gegensatz zum Mini-Job – nicht explizit erwähnt.

Inhaltsverzeichnis

Ziele

Die Ziele sind,

  1. im Niedriglohnbereich die Sozialversicherungsbeiträge zu senken, um Beschäftigungen attraktiv zu machen, deren Entgelt knapp über der Entgeltgrenze der Mini-Jobs (400 EUR) liegen,
  2. jede Art von legaler Beschäftigung sozial abzusichern (insbesondere Krankenversicherungsschutz; Entschärfung der Problematik des "Working Poor"),
  3. den Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung zu erhöhen und damit verstärkt Arbeitslose durch Aufnahme einer Beschäftigung wieder dem Arbeitsmarkt zuzuführen,
  4. den Sozialversicherungen weitere Beitragsquellen zu ihrer finanziellen Stabilisierung zu erschließen.
Beschreibung

Ausgangspunkt war, dass es bis zum Inkrafttreten des Gesetzes keine Zwischenstufen zwischen niedriger, sozialabgabenfreier Beschäftigung und besser bezahlter, sozialabgabenpflichtiger Beschäftigung gab. Die Folge war, dass bei einem Wechsel in besser bezahlte Arbeit die Abgaben für die Sozialversicherung für Arbeitnehmer von 0 % auf ca. 21,5 % des Bruttoverdienstes hochschnellten.

Dies führte zur Entwicklung des Niedriglohn-Konzepts mit einer Gleitzone (Midi-Job) zwischen 400,01 und 800 Euro (monatlich) [1], innerhalb der sich der Sozialversicherungsbeitrag des Arbeitnehmers relativ zum steigenden Bruttoverdienst von ca. 11 % auf ca. 21 % erhöht (siehe auch Grafik). Der Arbeitgeberbeitrag bleibt unverändert (Ausnahme: Umlagebeiträge zu den Ausgleichsverfahren nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz).

Anwendung

Die Regeln der Beitragsberechnung in der Gleitzone gelten für die Berechnung der Beiträge - zur Krankenversicherung, - zur Rentenversicherung, - zur Arbeitslosenversicherung, und - zur Pflegeversicherung.

Ferner hat die Anwendung dieser Regelungen Auswirkungen auf die Berechnung der Umlagebeiträge zu den Ausgleichsverfahren nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz.

Die Regelungen für Beschäftigungen in der Gleitzone werden angewandt, wenn

  1. die Tätigkeit ein Beschäftigungsverhältnis ist,
  2. diese Beschäftigung nicht zur Berufsausbildung (einschließlich einiger Praktika) ausgeübt wird, und
  3. das regelmäßige Entgelt zwischen 400,01 EUR und 800,00 EUR liegt.

Die Anwendung erfolgt auch, wenn der Arbeitnehmer nicht zu allen oben genannten Zweigen der Sozialversicherung Beiträge zu leisten hat. Dann beschränkt sich die Anwendung auf die Zweige, in denen Beitragspflicht für den Arbeitnehmer besteht.

Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge

Die Beiträge werden immer für jeden Versicherungszweig (Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung) getrennt berechnet.

Die Berechnung des Gesamtbeitrags, reduzierten Arbeitnehmeranteils und des Arbeitgeberanteils erfolgt nach folgenden Formeln:

  • Arbeitnehmeranteil = Gesamtbeitrag - Arbeitgeberanteil,
  • Arbeitgeberanteil = tatsächliches Entgelt * halber Beitragssatz
  • halber Gesamtbeitrag = Gleitzonenentgelt * halber Beitragssatz,
  • Gesamtbeitrag = halber Gesamtbeitrag (gerundet) * 2

Ermittlung des Gleitzonenentgeltes

Das Gleitzonenentgelt wird nach folgender Formel berechnet: Gleitzonenentgelt = F x 400 + (2-F) x (TAE-400) (TAE = tatsächliches (Brutto-)Arbeitsentgelt

Der Faktor F wird vom Bundesministerium für Gesundheit und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermittelt. Die Formel dafür ist:

  • aktuell:

Faktor F = 30 % / Durchschnittlicher Gesamtbeitragssatz der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung

  • in der Zeit vom 1. April 2003 bis 30. Juni 2006:

Faktor F = 25 % / Durchschnittlicher Gesamtbeitragssatz der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung

Werte:

  • Jahr 2003 (ab 1. April)= 0,5995,
  • Jahre 2004 und 2005 = 0,5952,
  • erstes Halbjahr 2006 = 0,5967,
  • zweites Halbjahr 2006 = 0,7160,
  • Jahr 2007 = 0,7673
  • Jahr 2008 = 0,7732
  • Jahr 2009 = 0,7472

zusätzliche Beiträge

In der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung wurden zusätzliche Beiträge eingeführt. Mitglieder der Krankenkassen müssen zusätzlich einen Beitrag von 0,9 % des Bemessungsentgeltes, Mitglieder der Pflegeversicherung, die kinderlos und älter als 23 Jahre sind, müssen einen zusätzlichen Beitrag von 0,25 % des Bemessungsgeltes entrichten. Bei Bemessung dieser zusätzlichen Beiträge wird das Gleitzonenentgelt mit dem zusätzlichen Beitragssatz (0,9 % oder 0,25 %) multipliziert.

Umlagebeiträge zu den Ausgleichsverfahren nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz

Die vom Arbeitgeber zu tragenden Umlagebeiträge zu den beiden Ausgleichsverfahren sind nach den Bemessungsentgelten zu berechnen, nach denen der Rentenversicherungsbeitrag zu berechnen ist. Wird für die Rentenversicherung das Bemessungsentgelt nach den Gleitzonenregelungen berechnet, dann werden die Beiträge für die Ausgleichsverfahren ebenfalls danach berechnet.

Berechnung anhand eines Beispieles

Beispiel:

  • Tatsächliches Entgelt eines Midi-Jobs im Jahr 2008: 650,00 EUR
  • Arbeitnehmer hat keine Kinder, Der Arbeitgeber nimmt auch am Ausgleichsverfahren bei Krankheit teil
  • Es besteht Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherungspflicht

Beitragssätze:

  • Krankenversicherung: 13,9 % (zusätzlicher Beitragssatz 0,9 %),
  • Rentenversicherung: 19,9 %,
  • Arbeitslosenversicherung: 3,3 %,
  • Pflegeversicherung: 1,7 % (zusätzlicher Beitragssatz 0,25 %),
  • Pflegeversicherung : 1,95 % ab 1. Juli 2008

Umlagesätze:

  • Ausgleichsverfahren bei Krankheit: 1,5 %
  • Ausgleichsverfahren bei Mutterschaft: 0,1 %

Berechnung: Gleitzonenentgelt (Bemessungsentgelt) =

 0,7732 * 400 + (2 - 0,7732) * (650 - 400) =
 309,28 + 1,2268 * 250 = 615,98 EUR.

Krankenversicherung:

  • Gesamtbeitrag ohne Zusatzbeitrag: 615,98 * 13,9 % = 85,62 EUR
  • Arbeitgeberanteil: 650,00 * 6,95 % = 45,18 EUR
  • Arbeitnehmeranteil ohne Zusatzbeitrag: 85,62 - 45,18 = 40,45 EUR
  • Zusatzbeitrag: 615,98 * 0,9 % = 5,54 EUR
  • Arbeitnehmeranteil gesamt: 40,45 + 5,54 = 45,99 EUR

Rentenversicherung:

  • Gesamtbeitrag: 615,98 * 19,9 % = 122,58 EUR
  • Arbeitgeberanteil: 650,00 * 9,95 % = 64,68 EUR
  • Arbeitnehmeranteil: 122,58 - 64,68 = 57,91 EUR

Arbeitslosenversicherung:

  • Gesamtbeitrag: 615,98 * 3,3 % = 20,33 EUR
  • Arbeitgeberanteil: 650,00 * 1,65 % = 10,73 EUR
  • Arbeitnehmeranteil: 20,33 - 10,73 = 9,60 EUR

Pflegeversicherung:

  • Gesamtbeitrag ohne Zusatzbeitrag: 615,98 * 1,7 % = 10,47 EUR
  • Arbeitgeberanteil: 650,00 * 0,85 % = 5,53 EUR
  • Arbeitnehmeranteil ohne Zusatzbeitrag: 10,47 - 5,53 = 4,95 EUR
  • Zusatzbeitrag: 615,98 * 0,25 % = 1,54 EUR
  • Arbeitnehmeranteil gesamt: 4,95 + 1,54 = 6,49 EUR

Arbeitgeber Umlage zum Ausgleichsverfahren bei Krankheit:

  • Gesamtbeitrag: 650,00 * 1,5 % = 9,75EUR

Umlage zum Ausgleichsverfahren bei Schwangerschaft:

  • Gesamtbeitrag: 650,00 * 0,1 % = 0,65 EUR

Auswirkungen

Versicherungsrecht

Die Prüfung der Versicherungspflicht/-freiheit wird ohne die Berücksichtigung, ob eine Beschäftigung ein Midi-Job ist oder nicht, durchgeführt. Es ergeben sich keine Auswirkungen.

Leistungen

Sachleistungen (z. B. Arzneimittel) und Kostenerstattungsleistungen (z. B. Zahnersatz) werden unabhängig von der Beitragshöhe erbracht. Härtefall- oder Überforderungsregelungen richten sich nach den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, Bruttoarbeitsentgelt oder dem steuerpflichtigen Brutto-Einkommen. In allen diesen Fällen ergeben sich keine Auswirkungen durch die Anwendung der Gleitzonenregelungen.

Etwas anderes gilt bei Entgeltersatzleistungen wie Krankengeld oder Übergangsgeld, die nach einem Regelentgelt berechnet werden. Hier geben die gesetzlichen Bestimmungen vor, dass diese Leistungen 90 % eines fiktiven Nettoarbeitsentgeltes nicht übersteigen dürfen. Das fiktive Nettoarbeitsentgelt ist das Nettoarbeitsentgelt, das ohne Anwendung der Gleitzonenregelungen errechnet worden wäre. Der Gesetzgeber wollte höhere Leistungen vermeiden, die durch die Berechnung mit dem tatsächlichen Nettoentgelt entstanden wären. So wurden mögliche Auswirkungen auf die Auszahlung dieser Leistungen vermieden.

Bei der Rentenberechnung ergibt sich durch die Anwendung Gleitzonenregelung ein niedrigeres Entgelt und somit eine niedrigere Rente. Der Versicherte kann dies durch den Verzicht auf die Anwendung der Gleitzonenregelung bei der Berechnung der Rentenversicherungsbeiträge verhindern.

Gesetzliche Grundlagen

  • Par. 20, SGB IV, [2]: Definition der Gleitzone (Midi-Job), z.Zt. für Einkommen zwischen 400,01€ und 800,00€.

Die Berechnungsvorschrift ist unter dem jeweiligen Versicherungssystem notiert, im Fall der GRV z. B. unter Par. 163, Abs. 10, SGB VI, [3]

Siehe auch

Weblinks

Dieses Gemeinsame Rundschreiben beinhaltet neben den 2003 in Kraft getretenen gesetzlichen Vorschriften noch Einzelheiten zu den Gleitzonenregelungen und Beispiele. Unter anderem stammt dieses Rundschreiben von den Spitzenverbänden der Krankenkassen (Einzugsstellen) als auch von den Rentenversicherungsträgern, die die Betriebsprüfungen durchführen.


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