Mihrāb

Mihrāb
Miḥrāb in der Aljafería, Saragossa

Mihrāb (arabischمحراب‎, DMG miḥrāb pl. ‏محاريب‎, DMG maḥārīb) ist die islamische Gebetsnische in Moscheen, die die Gebetsrichtung (qibla) anzeigt.

Die Etymologie des Begriffs ist nicht abschließend geklärt. Die Wurzelحرب‎ hat im Stamm III die Bedeutung „kämpfen“ und in Stamm IV „Krieg führen“. Als Nomen davon abgeleitet sind ‏حرب‎ „Krieg“ und ‏حربة‎ „Lanze“. ‏محراب‎ wird von einigen Wissenschaftlern (Lane, Goldziher) als „Kampfplatz“, im Sinne des ğihād an-nafs (d. h. Kampf gegen die eigene Trieb-Seele, Unzulänglichkeit) gedeutet. Einige vermuten auch ein Lehnwort aus dem Äthiopischen (Dillmann) oder dem Hebräischen חרבה churba (Beer, Daiches) mit einem diffusen Bezug auf Bauwerke.

Inhaltsverzeichnis

Gebrauch des Wortes im Arabischen

In vor- bzw. frühislamischer Zeit wurde das Wort in verschiedenen Richtungen gedeutet, zum Beispiel als Palast, wie in folgenden Koranzitaten:

„Ist dir nicht die Geschichte von denen, die miteinander stritten, zu Ohren gekommen? (Damals) als sie (über die Mauer) in den Palast einstiegen!“

Übersetzung Rudi Paret[1]: Koran, Sure 38:21

bzw. Paläste

„Sie machten für ihn, was er wollte: Paläste, Bildwerke, Schüsseln […]“

Übersetzung Rudi Paret[1]: Koran, Sure 34:13

Der Koran gebraucht miḥrāb auch im Sinne von „Tempel“, zum Beispiel „[…] Sooft Zacharias (nun) zu ihr in den Tempel kam, fand er Unterhalt bei ihr […]“ (Paret[1]: Sure 3:37) und „Da riefen ihm, während er im Tempel stand und das Gebet verrichtete, die Engel zu: Gott verkündet dir Johannes […]“ (Paret[1]: Sure 3:39) (beide sind häufig als Inschriften auf mahārīb zu finden), sowie „Da kam er aus dem Tempel zu seinem Volk heraus […]“ (Paret[1]: Sure 19:11).

Daneben findet man die Bedeutungen Nische, Vertiefung, Balkon, Galerie, wichtiger Teil bzw. spezieller Platz in einem Palast oder einer Kammer, höchster, erster bzw. wichtigster Platz, Raum zwischen zwei Säulen und Begräbnisstätte. Heute bezeichnet das Wort nahezu ausschließlich die Gebetsnische in der Moschee, selten auch „Heiligtum“.

Architektur

Ein mihrāb besteht aus einem von zwei oder mehr Säulen getragenen Bogen oder Gewölbe. Der Raum zwischen den Säulen ist flach oder zurückgesetzt, wodurch der Eindruck einer Tür oder eines Durchganges entsteht.

Ursprung und Funktion der Nische in der Levante

In römisch-hellenistischer Zeit wurden Nischen als hervorgehobener Ort für den Herrscher, bzw. Bauschmuck und als Rahmen für Statuen, Plastiken im Allgemeinen, etwa für die Götterstatue im Tempel (aedicula), gebaut.

Und auch das vom Hellenismus stark beeinflusste Judentum benutzte sakrale Nischen. Der Aron haKodesch, der Torah-Schrein, mag hierfür das beste Beispiel sein. Er findet sich in jeder Synagoge. Er dient sowohl dem Schutz, als auch der Hervorhebung der heiligen Schrift. Seine Positionierung in der Richtung nach Jerusalem hat er erst im 3. Jahrhundert gefunden – zumindest gibt es keine älteren archäologischen Belege für diese Funktion. Der älteste Fund einer solchen „richtungweisenden“ Nische ist die Synagoge von Dura Europos im heutigen Syrien am Ufer des Euphrat. Allerdings reicht dieses Alter um während der Entstehung des islamischen Formenkanons im 8. Jahrhundert den Zeitgenossen bekannt gewesen zu sein. Doch waren Nischen in viel stärkerem Maße in christlichen Kirchen zu finden. Die den Altar beherbergende Apsis (bzw. der „Chor“) in der sich der Priester während der sakralen Teile des Gottesdienstes aufhält.

Nischen wurden also von dem sich bildenden islamischen Baustil aufgegriffen. So finden sich in fast allen weltlichen Bauten aus der Frühzeit des Islam Nischen, wobei einige, wie die in Qusair 'Amra im heutigen Jordanien auch Darstellungen von in Nischen thronenden Herrschern zeigen. Woraus sich schließen lässt, dass die frühen umayyadischen Sultane in ihren Wüstenschlössern in hervorgehobenen Nischen, bzw. Apsiden, in den Audienzsälen thronten.

Der Mihrāb in der Moschee

Mihrab in der Moschee von Qus, Oberägypten

Der mihrāb ist der Ort des Imams während der täglichen Gebete und des Freitagsgebetes. Durch verschiedene Elemente zeigt er die Gebetsrichtung, die qibla, an. Das kann ein Steinblock wie im Hause Mohammeds in Medina sein oder ein farbiger Strich oder eine mit Zeichen versehene Steinplatte, wie in der Moschee des 'Amr in Fustat. Manchmal benutzte man auch eine in den Boden gesteckte Lanze; so in den „Feldmoscheen“ von Kufa und Basra.

Der erste Nischenmihrāb entstand beim Neubau der Moschee in Medina unter al-Walīd I. in den Jahren 709–710. Wie dieser ist auch der dritte Nischenmihrāb[2] in der großen Moschee von Damaskus (705–15) nicht erhalten. Der älteste erhaltene Nischenmihrāb[3] befindet sich in der Moschee des Umar vom Ende der umayyadischen Zeit in Bosra.

In der Grotte unter dem Felsendom in Jerusalem befindet sich ein 1,3 m mal 0,8 m großer Flachmihrāb aus Marmor, der häufig als der älteste erhaltene Mihrāb präsentiert wird.

Literatur

  • Eva Baer: The Mihrab in the Cave of the Dome of the Rock. In: Oleg Grabar (Hrsg.): Muqarnas. An annual on Islamic art and architecture. Bd. 3, Brill, Leiden 1985, ISSN 0732-2992, S. 8–19 (Online ; Stand: 30. Januar 2008). 
  • Klaus Brisch: Jerusalem, Felsendom, Mihrab unter dem Felsen. In: Janine Sourdel-Thomine, Bertold Spuler (Hrsg.): Propyläen-Kunstgeschichte. Band IV: Die Kunst des Islam, Propyläen, Frankfurt am Main 1973. 
  • Keppel A. C. Creswell: Early Muslim Architecture. Teil 2: Early Abbāsids, Umayyads of Cordova, Aghlabids, Ţūlūnids and Sāmānids A.D. 751–905, Clarendon Press, Oxford 1940. 
  • E. Diez: mihrāb. In: Enzyklopädie des Islam. Bd. 3: L–R, Brill, Leiden 1936, S. 559–565. 
  • G. Fehérvári: mihrāb. In: Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. 7: Mif–Naz, Brill, Leiden 1993, ISBN 90-04-09419-9, S. 7–15. 
  • Finbar B. Flood: ?. In: Jeremy Johns, Julian Raby (Hrsg.): Bayt al-Maqdis. Teil 2: Jerusalem and Early Islam, Oxford University Press, Oxford 1999, ISBN 0-19-728018-8. 
  • Nuha N. N. Khoury: The mihrab image. Commemorative themes in medieval Islamic architecture. In: Oleg Grabar (Hrsg.): Muqarnas. An Annual on Islamic Art and Architecture. Bd. 9, Brill, Leiden 1992, ISSN 0732-2992 (Online ; Stand: 30. Januar 2008). 
  • George Carpenter Miles: Mihreb and 'Anazah. A Study in Early Islamic Iconography. In: George Carpenter Miles (Hrsg.): Archaeologia Orientalia in Memoriam Ernst Herzfeld. J. J. Augustin, Locust Valley (N.Y.) 1952. 

Weblinks

  • Literatur über Mihrab in Bibliothekskatalogen: DNB, GBV

Einzelnachweise

  1. a b c d e Alle Koranzitate nach Rudi Paret: Der Koran. W. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln 1979.  Alle Zitate finden sich auf der Diskussionsseite auf Arabisch.
  2. Siehe Creswell
  3. Siehe Creswell

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