Mihu Jehudi

Mihu Jehudi

Die Frageformel Mihu Jehudi (Umschrift für hebräisch: „?מיהו יהודי“, zu deutsch: „Wer ist (ein) Jude?“) steht für eine der bedeutendsten innerjüdischen Kontroversen.[1] Die Untrennbarkeit religiöser und nationaler Komponenten jüdischer Existenz war bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein nicht in Frage gestelltes Prinzip. Danach wurde die Frage auch im Zuge der jüdischen Emanzipation und Säkularisierung zunehmend virulent. [2] [3] Sie fand innerhalb der jüdischen Öffentlichkeit stärkere Verbreitung, als sich ab 1962 mehrere bedeutende Rechtsfälle mit dem Thema der Zugehörigkeit zum Judentum auseinandersetzten.[4] Die sich anschließende Kontroverse drehte sich vor allem um folgende Streitpunkte:

Abstammung von Eltern unterschiedlicher Religionszugehörigkeit

In der Debatte über die Abstammung von Eltern unterschiedlicher Religionszugehörigkeit geht es um die Frage, in welchen Fällen Menschen als jüdisch einzustufen seien, die nur einen jüdischen Elternteil haben. Dabei ist die orthodox-jüdische Auffassung, dass nur der Jude sei, der von einer jüdischen Mutter abstamme, während der liberal-jüdischen Position ausreicht, daß die Person von einem jüdischen Vater abstammt.

Die historische Begründung für die Weitergabe der Religionszugehörigkeit über die Mutter liegt in der Tatsache begründet, dass lediglich die Mutterschaft eindeutig feststellbar war. Da seit ungefähr 1990 Vaterschaftstest über DNA-Analysen auch diesen Elternteil bestätigen können, ist nach liberaler Auffassung auch ein jüdischer Vater für die Zugehörigkeit zum Judentum ohne Konversion ausreichend.

Konversions-Debatte

In der Konversions-Debatte geht es um die Frage, in welchen Fällen eine Konversion zum Judentum als gültig zu erachten sei. Dabei vertraten die Vertreter der orthodoxen Position die Auffassung, dass nur eine Aufnahme in das Judentum gültig sei, die von einem orthodoxen Rabbinatsgericht bestätigt worden sei, während die liberale Position dies auch für eine Aufnahme durch einen liberalen Rabbiner befürwortete.

Im Jahr 2008 flammte in Israel die Debatte mit besonderer Schärfe auf, nachdem das ultraorthodox-antizionistisch besetzte Oberste Rabbinatsgericht die Entscheidung des lokalen Rabbinatsgerichtes von Aschdod bestätigte, wonach die Konversion einer Frau, die durch den Siedlerrabbiner Chaim Druckman durchgeführt wurde, für ungültig zu erklären sei. Diesem wurde vorgeworfen, die Halacha willentlich und wissentlich gebrochen sowie Dokumente gefälscht zu haben. Damit standen aber weitere tausende von Konversionen infrage. Im Hintergrund dieser Auseinandersetzung steht aber auch ein politischer Konflikt zwischen nationalreligiös gesinnten Rabbinern und ultraorthodox-antizionistischen Rabbinern. Als Folge dieser Schwierigkeiten wurde auch die Debatte über ein weltweit anerkanntes Rabbinergremium aufgegriffen. Gleichzeitig forderten säkulare und nicht ultraorthodoxe Parlamentarier, neben einer religiösen Konversion auch die Möglichkeit einer Art säkularer Konversion zum jüdischen Volk zu ermöglichen.

Die Debatte der Lebensumstände

In der Debatte der Lebensumstände geht es um die Frage, in welcher Weise Handlungen - wie zum Beispiel die Konversion zu einer anderen Religion - oder Lebensumstände - wie beispielsweise Unkenntnis über eine jüdische Abstammung - die Identität eines Menschen als Jude berühren.

Einzelbelege

  1. S. Zalman Abramov: Perpetual dilemma. Jewish religion in the Jewish State. Cranbury/New Jersey: Associated University Press 1976, Kap. 9: Who is a Jew, S. 270 ff: „One of the many contoversities periodically agitating public opinion in Israel, none is more acute and more fraught with emotion than the legal, religious, and historical definition of a Jew. No other issue has engendered so much dissension and public debate as this one.“
  2. S. Zalman Abramov: Perpetual dilemma. Jewish religion in the Jewish State. Cranbury/New Jersey: Associated University Press 1976, Kap. 9: Who is a Jew, S. 271
  3. Lawrence H. Schiffman: Who was a Jew? - Rabbinic and Halakhic perspectives on the Jewish-Christian Schism, Ktav Publishing House, 1985, Vorwort, S. IX
  4. Vgl. z.B. Ephraim Tabory: The Israel Reform and Conservative Movements and the Market for Liberal Judaism, in: Uzi Rebhun / Chaim Isaac Waxman (Hgg.): Jews in Israel. Contemporary Social and Cultural Pattern, Lebanon, NH, Brandeis / University Press of New England, 2. Auflage 2004, S. 285-314, hier S. 296 ff.

Literatur

  • J. David Bleich: The Conversion Crisis: A Halakhic Analysis. In: Tradition. 1971.
  • J. David Bleich: Contemporary Halakhic Problems, Bd. 1, Ktav: New York 1977, Kap. 13 und Bd. 2, 1983, S. 103-107.
  • Simon N. Herman: Jewish identity, A social psychological perspective, Transaction Publishers, New Brunswick, 2. A. 1989, ISBN 0887382568.
  • Avraham Korman: Yehudi: Mi-hu U'ma-hu. 3. Auflage, Safriyati, Tel Aviv 1979.
  • B. Litvin und S.B. Hoenig (Hgg.): Jewish Identity. Modern Responses and Opinions on the Registration of Children of Mixed Marriages, Feldheim, New York 1965.
  • Pnina Lahav: Judgment in Jerusalem: Chief Justice Simon Agranat and the Zionist Century. University of California Press, Berkeley 1997, Kap. 12: Who is a Jew? Mit weiterer Literatur
  • Salcia Landmann: Wer sind die Juden? Geschichte und Anthropologie eines Volkes. Dtv, München 1982, ISBN 3-423-00913-6
  • Aaron Lubling: Conversion in Jewish Law. In: Journal of Halacha and Contemporary Society. Band 11, 1985.
  • Raphael Posner: Jew. Halakhic Definition, Artikel in: Encyclopaedia Judaica. 2. Auflage, Macmillan 2007, Band 11, 254f
  • Avner H. Shaki: Mihu Yehudi Bedinei Medinat Yisrael. 2 Bände, Publications of the Faculty of Law, University of Tel Aviv 16 / Machon Lecheker Hamishpachah: Tel Aviv 1977
  • Michael Stanislawski: A Jewish Monk? A Legal and Ideological Analysis of the Origins of the 'Who Is a Jew' Controversy in Israel, in: Eli Lederhendler / Jack Wertheimer (Hgg.): Text and Context: Essays in Modern Jewish History and Historiography in Honor of Ismar Schorsch, Jewish Theological Seminary, New York 2005, S. 548-577.

Weblinks


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