- Arianer
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Der Arianismus ist eine theologische Lehre, die nach einem ihrer frühen Vertreter, Arius, benannt ist.
Im Bereich der Christologie steht sie im Gegensatz zur Trinitätslehre und wird von den christlichen Kirchen und Glaubensgemeinschaften, die die ersten beiden ökumenischen Konzilien anerkennen, als Häresie angesehen.
In der Spätantike wurde die Bezeichnung „Arianer“ zugleich oft als Kampfbegriff der Anhänger des Konzils von Nicäa gebraucht, ohne dass die so bezeichneten Personen notwendigerweise die Lehre des Arius vertreten hätten. Viele Althistoriker beschränken daher heute den Ausdruck „Arianer“ auf die unmittelbaren Anhänger des Arius und gebrauchen ansonsten den neutraleren Ausdruck Homöer.
Inhaltsverzeichnis
Lehre
Es gab verschiedene Varianten des Arianismus, aber die folgenden Punkte wurden von den meisten seiner Anhänger vertreten:
- Der Vater allein ist Gott.
- Gott hat die Welt nicht direkt erschaffen, sondern durch einen Mittler, den Logos (= das Wort), der selbst geschaffen wurde, um die Welt zu schaffen, nach der Lehre des Juden Philo von Alexandria.
- Der Sohn Gottes ist präexistent, vor aller Zeit und vor der Welt, ist ein Wesen zwischen Gott und der Welt, das perfekte Abbild des Vaters.
In einem metaphorischen Sinn kann er als Gott bezeichnet werden. Aber er ist eine Kreatur, die erste Kreatur Gottes. Er ist geschaffen, nicht aus dem gleichen Wesen wie der Vater, sondern aus dem Nichts, durch den Willen des Vaters, vor aller vorstellbaren Zeit, aber dennoch in der Zeit. Er ist daher nicht ewig, und »es gab eine Zeit, als es ihn nicht gab«. Ebenso sind seine Macht, seine Weisheit und sein Wissen begrenzt.
Manche Arianer lehrten ausdrücklich, dass der Logos den Vater nicht perfekt kennt und ihn daher nicht perfekt offenbaren kann – andererseits erklärte der radikale Arianer Eunomius, dass er Gott den Vater besser kenne als dieser sich selbst.
Ebenso wie die Trinitarier beriefen sich die Arianer auf die Bibel; wie bei ihnen spielte in manchen Richtungen des Arianismus die Inspiration durch den Geist Gottes eine bedeutende Rolle, in anderen die Berufung auf die aristotelische Philosophie. In der biblischen Begründung ihrer Lehre zitierten die Arianer oft andere Stellen als die Nizäner und beriefen sich auf Kirchenväter, insbesondere auf Origenes: »Nun ist es möglich, dass manche nicht schätzen, was wir sagten, indem wir den Vater als den einen wahren Gott hinstellten und zugaben, dass andere Wesen neben dem wahren Gott dadurch Götter werden konnten, dass sie an Gott teilhatten.« (Origenes, Kommentar zu Johannes 2,3) und auf Tertullian, der gelehrt hatte, dass Jesus dem Vater untergeordnet sei (Monarchianismus).
Zwischen dem ersten Konzil von Nicäa 325 und dem ersten Konzil von Konstantinopel 381 wurden nicht weniger als achtzehn verschiedene arianische Glaubensbekenntnisse verfasst, die sich teilweise widersprechen. Die wichtigsten Richtungen dabei waren die radikalen Arianer, die sich wieder in Exukontianer (Gott-Sohn, geschaffen aus dem »Nichtseienden«), Anomoianer (von griechisch ἀνόμοιος [anomoios], unähnlich nach allem und nach dem Wesen) und Heterousiasten (von griechisch ἑτερο-ούσιος [hetero-ousios], ein anderer nach dem Wesen als Gott-Vater) unterteilten, die Homöaner (von griechisch ὁμοῖος [homoios], ähnlich), die vertraten, dass der Vater und der Sohn ähnlich seien, und die der trinitarischen Lehre nahestehenden Semi-Arianer oder Homöusianer (von griechisch ὁμοι-ούσιος [homoi-oúsios], wesensähnlich), die vertraten, dass der Sohn und der Vater wesensähnlich, aber unterschiedlich seien. Die verschiedenen Richtungen lagen nicht nur mit den Nizänern, sondern auch untereinander im Streit.
Siehe auch: Homoousios, Wesensgleichheit
Geschichte
Die arianische Lehre fußt auf einer Interpretation des von Origenes vertretenen Subordinatianismus:
»Wenn der Vater und der Sohn zwei Personen sind, dann verstieße man gegen das Monotheismusgebot, wenn man annähme, dass Vater und Sohn vom gleichen Wesen seien, denn dann hätte man zwei Götter; andererseits kann es sich aber nicht um eine Person handeln, denn das wäre der gleichfalls schon verurteilte Modalismus.«
Eine gleichfalls verurteilte Gegenlehre, nach der Jesus lediglich inspirierter Mensch sei, wird in der Mitte des dritten Jahrhunderts bei Paul von Samosata überliefert. Bei der Position des Arius wird Christus hingegen die Göttlichkeit keineswegs abgesprochen, aber er ist eben, wenn auch vor Anbeginn der Welt, erschaffen – alles andere widerspräche der Einmaligkeit Gottes. Zudem könne nur ein Mensch leidend am Kreuz sterben, kein Gott; die menschliche Natur sei in Christus also dominant gewesen. Seine Gegner warfen ihm vor, die Lehre Pauls von Samosata zu vertreten, die bereits auf mehreren lokalen Synoden verurteilt worden war: Wenn Jesus nicht Gott gewesen sei, so argumentierten sie, hätte er durch seinen Tod auch nicht die Menschheit erlösen können. Diese beiden Positionen sollten die christologische Frage mindestens bis ins 6. Jahrhundert prägen. Arius fand Anhänger insbesondere in gebildeten hellenistischen Kreisen, da das arianische Gottesbild ganz dem neoplatonistischen System, das durch Clemens von Alexandria und Origenes auch im gebildeten Christentum maßgeblich war, entsprach.
Der arianische Streit, die Auseinandersetzungen zwischen Arianern und Anhängern von Nicäa, dominierte die Kirchengeschichte im 4. Jahrhundert. Der Arianismus besaß längere Zeit die politisch stärkere Stellung (Kaiserhaus und kaiserliche Garden, wie etwa unter Constantius II.), wurde aber durch Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Richtungen geschwächt. Ab etwa 360 entwickelten die Trinitarier eine mehrheitsfähige Lehre, insbesondere durch klare Definition der verwendeten Ausdrücke, wodurch sie sprachliche Missverständnisse innerhalb der griechischen und zwischen griechischer und lateinischer Kirche ausräumen konnten und so auch für viele akzeptabel wurden, die vorher zwischen den Parteien standen.
Der Streit gliedert sich in drei Phasen, detailliert geschildert im Artikel Arianischer Streit und Erstes Konzil von Nicäa:
- ca. 318–325: Ein lokaler Streit zwischen Alexander von Alexandria und Arius eskaliert so weit, dass Kaiser Konstantin I., um die Parteien zu einigen, das erste ökumenische Konzil von Nicäa einberuft, das die erste Fassung des Nicänischen Glaubensbekenntnisses aufstellt.
- 325–361: Reaktion der Arianer, die zu ihrer politischen und religiösen Vormachtstellung führt.
- 363/79–381: Wiederaufschwung der Trinitarier, initiiert durch Kaiser Theodosius I., der mit dem ersten ökumenischen Konzil von Konstantinopel und der endgültigen Form des Nicänisch-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses endet.
Der Kaiser gab den Kanons des Konzils gesetzlichen Status und erließ im Juli 381 ein Gesetz, dass alles Eigentum der Kirchen denen übergeben werden sollte, die an die gleiche Göttlichkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist glaubten. In der kaiserlichen Armee wurde diese strikt trinitarische Position allerdings lange Zeit nicht konsequent durchgesetzt, weshalb noch bis ins sechste Jahrhundert viele Soldaten – zumal solche mit „barbarischem“ Hintergrund – Arianer waren.
Die Germanenstämme, die um die Mitte des vierten Jahrhunderts an den Nordostgrenzen des Römischen Reiches siedelten, wurden während der Vorherrschaft des Arianismus christianisiert. Der gotische Bischof Wulfila verfasste eine Bibel in gotischer Sprache (Wulfilabibel), die zum einigenden Band der arianischen Germanenstämme wurde.
Während der Völkerwanderung kamen diese Stämme (Burgunden, Vandalen, Ostgoten, Westgoten, Langobarden, Rugier) in Gebiete des römischen Reichs, die weitgehend von trinitarischen Christen bewohnt waren. Es kam dabei mehrfach zu Konstellationen, wo eine arianische Minderheit über eine überwältigende trinitarische Mehrheit herrschte, wobei diese Mehrheit in der Regel auch über die höhere Zivilisation verfügte. In einigen Fällen führte das dazu, dass die Minderheit mit der Zeit die Sprache, Kultur und Konfession der Mehrheit übernahm. So ließen sich der arianische burgundische König Sigismund 516 und der arianische Westgotenkönig Rekkared I. 587 trinitarisch taufen. Die Vandalenherrscher in Afrika, mit der Ausnahme von Thrasamund, verfolgten trinitarische Christen mehr oder weniger stark. Geistliche wurden ins Exil geschickt, Klöster aufgelöst und trinitarische Gläubige unter Druck gesetzt. Die Verfolgung durch die Vandalen traf jedoch bei den katholischen Christen ebenso wie bei den Donatisten auf starken Widerstand. Beendet wurde sie durch die militärische Niederlage der Vandalen gegen Justinian I. Im ehemaligen Vandalenreich in Nordafrika, das unter byzantinische Herrschaft kam, gab es bis zur Eroberung durch die Muslime parallel lateinisch-trinitarische, griechisch-trinitarische und arianische Christen. Im Westgotenreich in Spanien existierten möglicherweise bis zur islamischen Eroberung arianische und lateinisch-trinitarische Christen nebeneinander. Zwischen 603 und 610 restaurierte der westgotische König Witterich im Bündnis mit Langobarden und Burgundern vorübergehend nochmals den Arianismus gegenüber dem Katholizismus, und auch bei den Langobarden wurde der Arianismus endgültig erst 662 unter König Grimoald I. offiziell vom Katholizismus abgelöst.
Vertreter und Gegner
Bedeutende Vertreter des Arianismus neben Arius waren Eusebius von Nikomedia, Aetios, Eunomius, Basilius von Ancyra (der jedoch den vermittelnden Homöusianern angehörte, die mit Arius kaum etwas zu tun hatten), Acacius von Caesarea (Hauptvertreter der sogenannten Homöer), Gegenpapst Felix II. und die konstantinopolitanischen Patriarchen Macedonius (342–346, 351–360), Eudoxius von Antiochia (360–370), Demophilus (370–379), und Maxentius (380).
Die orthodoxe Gegenposition zum Arianismus vertraten insbesondere Athanasius von Alexandria, Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa, Ambrosius von Mailand, Hilarius von Poitiers und Spyridon von Trimythontos.
Nachfolger
Im 16. Jahrhundert entstand der Antitrinitarismus in verwandelter Form vor allem in Polen wieder, wo er hauptsächlich von Fausto Sozzini (1539–1604) gelehrt wurde. Aus den in Polen von Sozzini und von Franz David in Siebenbürgen gegründeten Gemeinden ging der Unitarismus hervor, der sich über Deutschland, Holland, England in die USA ausbreitete. Der Sozinianismus hat einen großen Einfluss auf die Theologie und vor allem auf die religionskritische Literatur der Aufklärung im 18. Jahrhundert ausgeübt. Auch Isaac Newton war in seinen theologischen Schriften Antitrinitarier. Von den Gegnern wurde den Antitrinitariern der Vorwurf des Arianismus gemacht.
In neuerer Zeit haben antitrinitarische Richtungen innerhalb des Christentums zum Unitarismus geführt. Neben anderen vertreten auch die Zeugen Jehovas eine antitrinitarische Lehre. Obwohl sie inhaltlich dem Arianismus nahesteht, ist es unhistorisch, sie als arianisch zu bezeichnen, zumal sie viele Glaubenslehren ablehnen, die die historischen Arianer noch angenommen hatten. Andere in den USA entstandene nicht-trinitarische Kirchen stammen aus der Pfingstbewegung und werden unter den Begriff Oneness Pentecostal gefasst.
Nach Ansicht einer Minderheit von Forschern (wie Karl-Heinz Ohlig) soll auch der Islam mit seiner Betonung der Einheit Gottes als eine antitrinitarische christliche Häresie begonnen haben: Der Koran sei eine arabische Übersetzung einer syrischen antitrinitarischen Schrift, in der von Jesus als "dem Gesegneten" (Muhammad) die Rede sei. Ein Prophet Mohammed habe hingegen nie existiert, sondern sei eine Erfindung des späten 8. Jahrhunderts, als der Islam zu einer eigenen Religion geworden sei. Die Mehrheit der Islamwissenschaftler lehnt diese Position allerdings bislang ab.
Siehe auch
Literatur
- H. C. Brennecke: Studien zur Geschichte der Homöer. Der Osten bis zum Ende der homöischen Reichskirche (BHTh 73), Tübingen 1988.
- Die Geschichte des Christentums. Altertum, hgg. von Jean-Marie Mayeur, Luce Pietri, Andre Vauchez, Bd. 2 und 3, Sonderausgabe, Freiburg i.B. 2005, ISBN 3-451-29100-2.
- A. M. Ritter: Arianismus, in: Theologische Realenzyklopädie (TRE) 3, S. 692–719.
Weblinks
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