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Moor-Birke Systematik Unterklasse: Rosenähnliche (Rosidae) Ordnung: Buchenartige (Fagales) Familie: Birkengewächse (Betulaceae) Unterfamilie: Betuloideae Gattung: Birken (Betula) Art: Moor-Birke Wissenschaftlicher Name Betula pubescens Ehrh. Die Moor-Birke (Betula pubescens, Betula tomentosa) wird auch als Haarbirke, Besenbirke oder Behaarte Birke bezeichnet. Sie ist kennzeichnender Baum (Phanerophyt) der Moor- und Bruchwälder sowie trockenerer Bereiche in Regenmoorkomplexen. Als Pionierbaumart ist sie in der Lage, rasch neu entstandene Lebensräume zu besiedeln.
Inhaltsverzeichnis
Verbreitung und Standort
Die Moor-Birke kommt in den gemäßigten Klimazonen Europas und Asiens von Island über Skandinavien, Russland nach Osten bis in das Jenisseigebiet und nach Süden bis Norditalien und dem Balkangebiet bis zum Kaukasus vor. Moorbirken bilden die subarktische Waldgrenze nördlich der Borealen Nadelwälder (Taiga)).[1] Ihre Höhenverbreitung reicht vom Flachland (kollin) bis zur Waldgrenze (subalpin). Im Alpenraum steigen Birken bis auf etwa 2000 Meter über NN.
Sie besiedelt feuchte bis staunasse, kalkarme, gering bis mäßig basenversorgte, saure Moor- und Anmoorböden (bis etwa pH < 5) mit geringer bis sehr geringer Nährstoffversorgung (oligo- bis mesotroph). Sie wächst in Moor- und Bruchwäldern sowohl im Gebirge als auch in entwässerten Regenmooren und im Randgehänge intakter Hochmoore. In deren Zentren bildet sie jedoch aufgrund der schlechten Nährstoffversorgung meist nur eine strauchartige Wuchsform aus. Ferner wächst sie in Niedermooren, Auenwäldern und feuchten Hecken. In nebel- und regenreichen Klimaten kann sie auch auf trockeneren Standorten existieren. Die Vermehrungsbiologie der Moor-Birke ist speziell auf die Primärstadien einer Sukzession ausgerichtet. Nur in Skandinavien und den Tundren Nordeuropas sowie auf Sonderstandorten wie Mooren bildet sie natürliche Klimaxgesellschaften.
Beschreibung
Die Moor-Birke ist ein bis zu 30 Meter hoch werdender laubabwerfender Baum. Sie kann etwa 120 Jahre alt werden. Ihre Rinde ist glatt, weiß bis grauweiß und nicht in rautenförmige Platten gefeldert wie jene der Hänge-Birke. Die Zweige sind rötlich braun, straff aufrecht beziehungsweise waagerecht abstehend wachsend. Junge Zweige sind flaumig behaart.
Die Endknospen der Moor-Birke sind spitz eiförmig und etwas gebogen. Die Knospenschuppen sind grau bis graubraun oder grünlichgrau. Sie sind am Ende abgerundet und an den Rändern weiß bewimpert. Junge Blätter duften aromatisch und sind ebenfalls flaumig behaart. Die herzförmigen Laubblätter sind wechselständig, drei bis fünf Zentimeter lang und doppelt gesägt.
Wie alle Birken ist die Moor-Birke einhäusig (monözisch) getrenntgeschlechtig. Die männlichen Blütenstände (Kätzchen) sind länglich walzenförmig. Die weiblichen sind etwa zwei bis vier Zentimeter lang, zylindrisch, später hängend. Die Mittellappen der dreilappigen Fruchtschuppen sind deutlich vorgezogen und überragen die aufwärts gebogenen Seitenlappen. Die etwa drei Millimeter großen Samen (Nussfrüchte oder Nüsschen) sind breit geflügelt zur besseren Verbreitung durch den Wind. Ein Kätzchen enthält etwa 450 Samen. Die Moor-Birke blüht von April bis Mai, die Früchte reifen ab August.[2]
Vergesellschaftung
Die Moor-Birke ist eine Charakterart der Moorbirken- und Kiefern-Fichten-Bruchwälder (Molinio-Betuletalia pubescentis). Diese Bruchwälder sind oft reich an Beerensträuchern wie Rauschbeere (Vaccinium uliginosum) und Torfmoosen (Sphagnum palustre, Sphagnum fimbriatum). Die Wälder sind meist schwachwüchsig, schütter und artenarm. Die Moorbirke bildet außerdem auf entwässerten Hochmoorstandorten artenarme sekundäre „Moorwälder“ meist mit Scheiden-Wollgras und Torfmoosen in der Kraut- und Moosschicht aus. Ferner wächst die Moor-Birke in Laubwäldern und Gebüschen feuchter bis trockenerer Standorte gemeinsam mit Hänge-Birke (Betula pendula), Esche (Fraxinus excelsior), Vogelbeere (Sorbus aucuparia) und Zitterpappel (Populus tremula).
Ökologie
Die Moor-Birke ist eine Lichtholzart, das heißt sie wächst bevorzugt bei vollem Licht, erträgt aber in Grenzen eine Beschattung. Ihr ökologischer Schwerpunkt liegt auf gut durchfeuchteten bis oft durchnässten, luftarmen, sauren bis sehr sauren Böden.[3]
Überlebensstrategien
Ihre Vermehrungsbiologie ist speziell auf die Ausbreitungsbedingungen auf Rohböden und Freiflächen ausgerichtet. Charakteristisch ist ihre hohe Samenproduktion, die zu einer raschen Besiedelung von Kahlflächen beiträgt. Eine freistehende, alte Moor-Birke produziert bis zu vier Kilogramm Samen. Würde man diese nebeneinander legen, ergäbe sich eine Strecke von 60 Kilometer beziehungsweise eine Fläche von 180 Quadratmeter. Die Samendichte kann in der Natur bis zu 50.000 Stück pro Quadratmeter betragen. In einem männlichen Kätzchen befinden sich zirka fünf Millionen Pollenkörner. Der Pollen kann bis zu 2.000 Kilometer weit fliegen.
Die Anspruchslosigkeit der Birke im Hinblick auf die Nährstoffversorgung und ihr schnelles Wachstum machen sie zu einer Pionierpflanze, welche geeignete lichtbegünstigte Flächen wie Kahlschläge, Waldlichtungen und Brandflächen schnell besiedelt. Besonders in Mooren, wo andere Gehölze aufgrund des hohen Säuregehaltes der Moorböden keine geeigneten Wuchsbedingungen vorfinden, ist sie im Konkurrenzvorteil und kann artenarme Gebüsche bilden. Sie ist noch anspruchsloser als die Hängebirke (Betula pendula), die sich ebenfalls als Pionier auf vielen Flächen ausbreitet.
Autökologie
Moor-Birken sind unempfindlich gegen Winterfröste. Bei Temperaturen unter -40 °C wandeln sie in den Zweigen Stärke in Öl um, wobei Wärme freigesetzt wird. Die Blätter erfrieren erst ab -6 °C. Bei Kälte werden die im Bereich der weißen Rinde auftretenden Lüftungsrisse („Korkwarzen“) verschlossen und erhöhen so die Frosthärte. Die Moorbirke gilt als die nördlichste Baumart Europas. Eine Wintertemperatur von durchschnittlich -33 °C ruft keine Vitalitätseinbußen hervor. Die Frosthärte bleibt trotz zwischenzeitlicher Erwärmung (bis +18 °C) den gesamten Winter stabil.
In Nordeuropa schützt die weißfärbende Wirkung des Rindeninhaltsstoffs Betulin die dünne Rinde vor Rindenbrand. Aufgrund der im Frühling tief stehenden Sonne und der Reflexion von Schneeflächen würde sich dunkle Rinde überhitzen und das Zellteilungsgewebe geschädigt werden.
Die Moor-Birke verfügt über ein flach wurzelndes Herzwurzelsystem. Es fehlen stark entwickelte Horizontalwurzeln; anstatt einer Hauptwurzel werden mehrere unterschiedlich starke senkrecht wachsende Wurzeln am Wurzelstock mit mehreren bis zu 20 Meter langen Seitenwurzeln gebildet. Flachwurzler sind in erster Linie an die Aufnahme einsickernden Regenwassers ausgerichtet. Die Moor-Birke hat eine hohe Wasserdurchflussrate. Eine ausgewachsene Birke kann an einen heißen Sommertag bis zu 500 Liter Wasser aus dem Boden ziehen. Die Feinwurzeln sind von einem dichten Geflecht symbiotisch lebender Pilze umgeben (Mykorrhiza), was die Nährstoffversorgung stark begünstigt.[4]
Synökologie
Für etliche phytophage Insekten spielt die Moor-Birke eine entscheidende Rolle. Zum Beispiel saugen einige Zikadenarten ausschließlich (monophag 2. Grades) sowohl an Moorbirke als auch an Hänge-Birke. Dieses sind vor allem Arten der Gattung Oncopsis innerhalb der Familie der Maskenzikaden (Macropsinae).[5]
Nutzung
Aus Birkenholz werden Möbel hergestellt
Heilpflanze
Sowohl die Blätter der Hänge-Birke als auch der Moor-Birke enthalten bis zu drei Prozent Flavonoide insbesondere Hyperosid, Quercetin, Quercitrin, Myricetingalaktosid, Vitamin C, Saponine und ätherische Öle. Die Birkenknospen enthalten fettlösliche Flavonmethylether. Tees und Presssäfte aus Birkenblättern bewirken eine vermehrte Salz- und Wasserausscheidung. Sie werden deshalb zur Durchspülungstherapie der Nieren, bei Entzündungen der ableitenden Harnwege und Nierengries verwendet. Traditionell werden Birkenblätter auch wegen ihrer harnsäuresenkenden Wirkung bei Gicht und rheumatischen Beschwerden oder als Zusatz zu sogenannten Blutreinigungstees eingesetzt. Die sehr jungen, frischen Blätter können in Frühlingssalaten gegessen werden. Haarwässer aus Extrakten der Birkenblätter sollen gegen Haarausfall und Schuppenbildung wirken.[6]
Holzwirtschaft
Bevorzugte Verwendungen in der Holzwirtschaft sind Furniere im Möbelbau und Innenausbau. Außerdem zur Nachahmung von Edelhölzern wie Nussbaum und Kirschbaum für Stilmöbel. Ferner wird das Holz für Drechsler- und Schnitzarbeiten sowie für Sportgeräte, Musikinstrumente, Bürsten- und Pinselstiele und als Industrieholz für Span- und Faserplatten verwendet. In Skandinavien ist es von großer Bedeutung für Sperrholzplatten.[7]
Varietäten
Es werden vier Varietäten unterschieden[8]:
- Betula pubescens var. glabrata Wahlenb., Fl. Carpat. Princ.: 306 (1814); Karpaten-Birke
- Betula pubescens var. golitsinii (V.N.Vassil.) Tzvelev, Novosti Sist. Vyssh. Rast. 34: 61 (2002)
- Betula pubescens var. pubescens; Gewöhnliche Moor-Birke
- Betula pubescens var. pumila (L.) Govaerts, World Checklist Seed Pl. 2(1): 10 (1996)
Quellen und weiterführende Literatur
Literatur
- Christian Wagner: Zur Ökologie der Moorbirke Betula pubescens Ehrh. in Hochmooren Schleswig-Holsteins unter besonderer Berücksichtigung von Regenerationsprozessen in Torfstichen. Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Geobotanik in Schleswig-Holstein und Hamburg, Heft 47. (Zugleich Dissertation, Kiel 1992.) Arbeitsgemeinschaft Geobotanik in Schleswig-Hostein und Hamburg, Kiel 1994
- M. Natkevičaitė-Ivanauskienė et al.: Lietuvos TSR flora. Bd. 3. Vilnius, 1961
Einzelquellen
- ↑ K.-H. Rechinger: Betulaceae. In: G. Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Bd. 3, Teil 1. Parey, Berlin 1981, S. 153-156
- ↑ Jean-Denis Godet: Einheimische Bäume und Sträucher. Natur Buch, Augsburg 1998, ISBN 3-89440-296-2
- ↑ Heinz Ellenberg, H. E. Weber, R. Düll, V. Wirth, W. Werner, D. Paulißen: Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. Erich Goltze, Göttingen 1992, ISBN 3-88452-518-2 (Scripta Geobotanica 18)
- ↑ Randolf Schirmer: Birke - Vermehrungskünstler und Überlebensstratege, PDF [1]
- ↑ Herbert Nickel: The leafhoppers and planthoppers of Germany (Hemiptera, Auchenorrhyncha): Patterns and strategies in a highly diverse group of phytophagous insects. Pensoft, Sofia and Moskau 2003, ISBN 954-642-169-3
- ↑ Max Wichtl (Hrsg.):Teedrogen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1989, ISBN 3-8047-1009-3
- ↑ Verwendungsmöglichkeiten des einheimischen Nutzholzes, aufgerufen am 30.07.06
- ↑ Royal Botanic Gardens, Kew, Homepage [2], abgerufen am 19. August 06
Weblinks
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