- Moral hazard
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Moral Hazard (engl., wörtlich „sittliche Gefährdung“, auch als Subjektives Risiko, moralische Versuchung oder moralisches Risiko bezeichnet) beschreibt das Problem einer Verhaltensänderung durch eine Versicherung gegen ein Risiko.[1] Ursprünglich ein Begriff aus der Versicherungswissenschaft, wird er heute auch allgemein ökonomisch verwendet.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Moral Hazard droht, wenn es einen Widerspruch gibt zwischen dem, was für die Allgemeinheit (für das Kollektiv) und dem, was für das Individuum vernünftig ist, wenn also ein Widerspruch zwischen Kollektivrationalität und Individualrationalität vorliegt. Daher ist der Moral Hazard eng verwandt mit der Rationalitätenfalle. Ein Moral Hazard droht, wenn eine höhere Instanz, z. B. eine Regierung, oder eine kollektive Instanz, z. B. eine Versicherung, eine Kollektivrationalität durchsetzen will, dies aber von den Individuen zugunsten ihrer eigenen Interessen ausgenutzt und damit womöglich unterlaufen wird.
Beispiele
Versicherungen
- Autofahrer gehen nach Abschluss einer Versicherung ein höheres Risiko beim Autofahren ein, weil durch die Versicherung ein eventueller Schaden gedeckt würde. - Lösungsmöglichkeit: Ein hoher Selbstbehalt verringert das Risiko für die Versicherung, vermindert andererseits aber auch den Schutz durch die Versicherung für den Versicherungsnehmer - Zielkonflikt.
Akkordarbeit
- Unter dem Begriff Prinzipal-Agent-Problem wird das Problem behandelt, dass Arbeitnehmer ihre Leistung vermindern, weil die Arbeitgeber nicht alles kontrollieren können. Dadurch wird das Risiko für die Arbeitnehmer, das mit einer Leistungsverminderung verbunden sein sollte, vermindert. - Lösungsmöglichkeiten: Leistungsprämien, Bezahlung nach Akkord spornen Arbeitnehmer an.
Beamtentum
- Es gibt die Vermutung, dass die Leistungsbereitschaft von Beamten geringer ist, weil wegen Unkündbarkeit und gesicherter Pensions-Ansprüche geringere Leistungsbereitschaft kein Risiko für die Beamten bedeutet. Eine mögliche Gegenthese wäre, dass mit den „Beamtenprivilegien” besondere Leistungen entlohnt [z. B. durch Zulagen] werden, wie besondere Treue zum Staat oder Verfassungstreue, Verbot von Streiks und ähnliches. Ähnliche Überlegungen gelten auch bei beamtenähnlichen Arbeitsverhältnissen etwa in großen Firmen.
Wirtschaftskrisen
- Bei Wirtschaftskrisen einzelner Staaten oder großer Unternehmen (Too Big to Fail) sehen sich die internationalen Institutionen und die großen Industriestaaten gezwungen, mit Geld auszuhelfen, damit der einzelne Staat oder das Großunternehmen nicht die ganze Wirtschaft mit sich reißt ("Lender of last resort"). Dies kann zu risikoreichem Verhalten einzelner Regierungen und von Großunternehmen führen, die darauf vertrauen, dass ihnen notfalls geholfen werden muss.
Aktien-Kursverfall
- "Greenspan-Put": Ein allgemeiner Verfall der Aktienkurse kann schwerwiegend die Investitionstätigkeit beeinträchtigen und eine Wirtschaftskrise auslösen. Als Gegenmaßnahme kann die Zentralbank Aktien im Crash-Falle aufkaufen, um eine Ausweitung des Wertezerfalls zu verhindern. In Folge davon liegen die Aktienkurse höher, weil sich die Aktienhändler auf einen solchen Eingriff der Zentralbank im Notfalle verlassen. Diese mutmaßliche Garantie durch die Zentralbank gegen einen allgemeinen Aktienkursverfall wird nach dem ehemaligen US-Zentralbank-Chef Alan Greenspan und nach den normalen Absicherungsgeschäften gegen Kursverfall, den Put-Optionen, "Greenspan-Put" genannt. [2]
Gesundheitssystem
- Patienten sind durch den Versicherungsschutz in westlichen Gesundheitssystemen nicht mit den Kosten der Leistungen konfrontiert, die sie in Anspruch nehmen. Wenn die Kosten aber bei der Inanspruchnahme der Leistungen keine Rolle spielen, besteht die Gefahr, dass zu viele Leistungen nachgefragt werden, auch solche, die nur sehr wenig oder überhaupt nichts nützen. Die entstehenden Kosten werden von der Allgemeinheit getragen und verteuern das Gesamtsystem. In der Gesundheitsökonomie spricht man in diesem Fall von Ex-Post-Moral-Hazard. - Mögliche Gegenmassnahmen: Praxisgebühren oder andere Kostenbeteiligungen, Karenztage.
- Auch an anderer Stelle im Gesundheitswesen lässt sich ein Moral-Hazard-Verhalten ableiten. Durch das Auseinanderfallen von Handlung und Haftung besteht für Versicherte kein Anreiz, risikoreiche Hobbys oder ungesunde Lebensweise einzuschränken, da im Bedarfsfall die Solidargemeinschaft der Gesetzlichen Krankenversicherung für die Behandlungskosten aufkommt. In der Gesundheitsökonomie spricht man in diesem Fall von Ex-Ante-Moral-Hazard. - Mögliche Gegenmaßnahmen: Kostenbeteiligungen in verschiedener Form, nach Krankheitsrisiko differenzierte Versicherungsprämien.
- Der Moral Hazard tritt aber auch bei den Behandlern, z. B. den Ärzten, auf. Weil die Kosten der Behandlung nicht vom Patienten direkt, sondern von seiner Versicherung bezahlt werden, kommt der Behandler in Versuchung, überflüssige und/oder zu teure Behandlungen vorzunehmen. - Mögliche Gegenmaßnahme: Die Ärzte werden nicht mehr für jede verschriebene Leistung vergütet, sondern durch ein Pauschalvergütungsmodell (Fallpauschalen, Capitation).
Marxistische Bewertung
Als ein moralphilosophisches Theorem des Liberalismus und Neoliberalismus zur Erklärung von wirtschaftlichen Krisenerscheinungen gründet Moral Hazard auf die ethische Vorstellung von der „Schlechtigkeit des Menschen“, die in extremer Form in einer „Ontologisierung von Herrschaft im Sinne eines Endes der Geschichte“ mündet. [3]
Siehe auch
- Tragik der Allmende
- Prinzipal-Agent-Theorie
- Trittbrettfahrerverhalten
- Drückebergerei
- Unfallersatztarif
- Adverse Selection
- Hold up
Literatur
- Mankiw, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 631 (weiterführend)
- Malcolm Gladwell, THE MORAL-HAZARD MYTH, [1]
- Picot Arnold, Die grenzenlose Unternehmung, 2003
- Picot Arnold, Organisation - eine ökonomische Perspektive, 2005
Einzelnachweise
- ↑ Hermann May, Hans-Jürgen Albers: Handbuch zur ökonomischen Bildung S.438
- ↑ Zum "Moral Hazard" bei Rettungsaktionen durch die Zentralbanken vgl. Gerhard Illing, "Die Liquiditätskrise sieht in den Vereinigten Staaten düsterer als in Europa aus." FAZ, 16. August 2007, S. 19.
- ↑ Holger Schatz: Arbeit als Herrschaft. Die Krise des Leistungsprinzips und seine neoliberale Rekonstruktion. Münster 2004. Seite 252ff.
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