- Münchner Konferenz
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Dieser Artikel erläutert die Münchner Konferenz und das Abkommen von 1938; zu dem 1973 in München unterzeichneten Patentabkommen siehe Europäisches Patentübereinkommen, zur Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik siehe dort. - ↑ Ralf Gebel: „Heim ins Reich!“: Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland (1938–1945), Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2000, ISBN 3-486-56468-4.
- ↑ Jörg K. Hoensch, Geschichte der Tschechoslowakischen Republik, Kohlhammer, Stuttgart 1978, S. 168.
- ↑ http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/aussenpolitik/sudeten/index.html
- ↑ a b Hans-Erich Volkmann, Ökonomie und Expansion, Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486567-14-4.
- ↑ Deutschland-Dokumente.de: Die wehrgeographische Lage Deutschlands zum Ende der Weimarer Republik
- ↑ N. G. Andronikov, Pavel Andreevich Zhilin, Aleksandr Sergeevich Savin: Der zweite Weltkrieg, 1939−1945. Kurze Geschichte. Dietz Verlag, Ost-Berlin 1985, S. 40
- ↑ Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (Hrsg.): Einheit 7/8-71: Zeitschrift für Theorie und Praxis des wissenschaftlichen Sozialismus, veröffentlicht vom Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 1971, S. 1167
- ↑ Wadim S. Rogowin: Weltrevolution und Weltkrieg. (OT: Vadim Zakharovich Rogovin, Wadim S. Rogowin: Mirovaia revoliutsiia i mirovaia voĭna.) Aus dem Russischen übersetzt von Hannelore Georgi und Harald Schubärth. Arbeiterpresse Verlag, 2002. ISBN 3-886-34082-1, S. 171
- ↑ Klaus Hildebrand, Das Dritte Reich. Oldenbourg Grundriss der Geschichte. München 1991, S. 36
- ↑ Das Münchner Abkommen im LeMO.
- ↑ Ansprache des Führers vor den Oberbefehlshabern am 22. August 1939 (Dokument 798-PS). In: Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg: Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vom 14. November 1945 bis 1. Oktober 1946: Urkunden und anderes Beweismaterial. Delphin Verlag, München 1989 [= Nürnberg 1947]; Bd. 25/26, S. 338–344. (Text der Rede)
- ↑ Sebastian Haffner: Anmerkungen zu Hitler. 26. Auflage, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2006 [zuerst München 1978], S. 51.
- Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges in Europa
- Beneš-Dekrete
- Sudetenland (Reichsgau)
- Appeasement-Politik
- Richard Evans: Das dritte Reich. Bd 2. Diktatur. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 2007, S. 805 ff. („Die Zerschlagung der Tschechoslowakei“).
- Ralf Gebel: „Heim ins Reich!“, Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland (1938–1945). Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2000. ISBN 3-486-56468-4.
- Münchner Abkommen im Wortlaut (glasnost.de)
- Deutsches Historisches Museum: Das Münchner Abkommen
- Hintergrundbericht zur Stellung der Sudetendeutschen zum Münchner Abkommen von Radio Prag
- Oskar Krejčí: Geopolitics of the Central European Region. The view from Prague and Bratislava. Veda, Bratislava 2005; 494 Seiten
Das Münchner Abkommen wurde in der Nacht zum 30. September 1938 von den Regierungschefs Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und des Deutschen Reiches unterzeichnet, die zur Lösung der Sudetenkrise zur Münchner Konferenz (29. September) im Münchner Führerbau am Königsplatz zusammengekommen waren. Vertreter der Tschechoslowakischen Republik waren nicht eingeladen.
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Ergebnis
Unter Vermittlung des italienischen Diktators Benito Mussolini, den Hermann Göring eingeschaltet hatte, gaben der britische Premierminister Arthur Neville Chamberlain und der französische Ministerpräsident Édouard Daladier mit dem Abkommen dem Diktator Adolf Hitler ihre Zustimmung zur Eingliederung des Sudetenlandes, dessen Bevölkerung überwiegend deutschsprachig war (vgl. Sudetenland (Provinz)) und den staatlichen Anschluss an den übrigen deutschen Sprachraum – wie vor dem Ersten Weltkrieg – mehrheitlich wünschte.[1]
Obwohl im Abkommen nicht vereinbart, bedeutete das Münchner Abkommen faktisch das Ende der 1918 entstandenen multinationalen Tschechoslowakei, da auch andere Volksgruppen beziehungsweise Nachbarstaaten wie Polen und Ungarn die Gunst der Stunde zu Besetzungen nutzten, im Gegensatz zu Deutschland jedoch ohne Zustimmung von Großbritannien und Frankreich. Letztere zeigten spätes Verständnis für den seit 1919 ignorierten Wunsch der sudetendeutschen Bevölkerung und sahen diesen Beschluss daher auch als Teilrevision des Vertrags von St. Germain an beziehungsweise als nachgereichte Erfüllung des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Insbesondere allerdings wollten sie damit einen weiteren Krieg verhindern (Appeasement-Politik). So hofften sie, den Fortbestand des tschechoslowakischen Staates zu gewährleisten und insofern das Beistandsabkommen zu erfüllen.
Das Abkommen wurde durch den „Normalisierungsvertrag“ der Bundesrepublik Deutschland mit der Tschechoslowakei (ČSSR) vom 11. Dezember 1973 (ratifiziert 1974) für nichtig erklärt; die vertragschließenden Staaten des Abkommens hatten sich 1938 zu Lasten eines Drittstaates, der Tschechoslowakei, geeinigt.[2]
Unmittelbare Folgen des Abkommens
Vertreter der Tschechoslowakei durften, ähnlich wie 1919 die Mittelmächte bei der Pariser Friedenskonferenz, nicht an der Konferenz teilnehmen. Die Tschechoslowaken – allen voran der damalige Staatspräsident Edvard Beneš – fühlten sich von den Schutzmächten verraten. Deswegen wurde das Abkommen von der Bevölkerung als „Münchner Verrat“ bezeichnet oder pointiert „Über uns, ohne uns.“
Am 1. Oktober 1938 wurde der „Erlaß des Führers und Reichskanzlers über die Verwaltung der sudetendeutschen Gebiete“ (RGBl. 1938 Teil I, Nr. 157, S. 1531 ff.) publiziert. Die militärische Besetzung des Sudetenlandes erfolgte vom 1. bis 10. Oktober nach einem in München festgelegten Zeitplan in fünf[3] Zonen. Das Sudetenland wurde an das Deutsche Reich „angeschlossen“. Die neuen Grenzen der Tschechoslowakei wurden in der deutsch-tschechoslowakischen Vereinbarung vom 20. Oktober 1938 niedergelegt. Diese Vereinbarung wurde am 1. November 1938 durch eine tschechoslowakische Note an die polnische Regierung bekräftigt. Die Wahlmöglichkeit der Staatsbürgerschaft und des Aufenthaltsortes wurde den Betroffenen durch den „Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakischen Republik über Staatsangehörigkeits- und Optionsfragen“ eingeräumt (RGBl. 1938, Teil II, Seite 896 ff.).
Tschechen aus den Grenzgebieten wurden ins Landesinnere gewaltsam vertrieben. Staatspräsident Edvard Beneš trat zurück und ging ins Exil. Er war, wie auch viele Tschechen, von den Westmächten überaus enttäuscht. Diese Enttäuschung mag wesentlich dazu beigetragen haben, dass er und viele führende tschechische Politiker 1945 das Heil in enger Kooperation mit der Sowjetunion suchten.
Die Tschechen, die das Sudetenland 1945 wieder in Besitz nahmen, betrachteten die ansässige Bevölkerung deutscher Nationalität – ebenso wie die Slowaken die Bevölkerung ungarischer Nationalität – als Feinde; auch Menschen, die sich gegen die Nationalsozialisten betätigt hatten. Die Rückerstattung von Privateigentum nach Ende der kommunistischen Ära 1989 erfolgte nur an tschechische Staatsbürger, Vertriebene wurden nur von Deutschland entschädigt.
Für die weiteren Kriegspläne des nationalsozialistischen Deutschland ergaben sich durch das Abkommen eine Reihe von Vorteilen (nach Winston Churchill: Der zweite Weltkrieg: Memoiren): Die tschechischen Grenzbefestigungen mussten nicht überwunden werden. Diese Befestigungsanlagen befanden sich zum größten Teil im Sudetenland. Nach späterer Einsicht der Wehrmacht wären diese „uneinnehmbar“ gewesen. Eine militärische Lösung hätte eventuell den weiteren Ablauf der Geschichte entscheidend verändert. Im Jahr 1938 war die Wehrmacht noch im Aufbau und hätte (nach Churchill) empfindliche Verluste hinnehmen müssen. Die tschechische Armee war zu dieser Zeit eine der stärksten und bestausgerüsteten Armeen Mitteleuropas. Die Befestigungen wurden zur Verstärkung des Westwalls genutzt, sowie zur Vorbereitung auf die Einnahme der belgischen Befestigungsanlagen 1940.
Nach der Besetzung der sudetendeutschen Gebiete profitierte Deutschland von Rohstoffhandelsverträgen und Deviseneinkünften der früheren Tschechoslowakei, für die im Gegensatz zu Deutschland die Meistbegünstigungsklausel galt.[4] Mit dem Einmarsch in die „Rest-Tschechei“ kamen bedeutende Vorräte an Waffen, Munition, Rohstoffen und nicht zuletzt Devisenbeständen[4] sowie mit den Škoda-Werken einer der größten europäischen Maschinenbauer und Waffenschmieden der damaligen Zeit unter deutsche Kontrolle (z. B. Jagdpanzer 38). Die Waffen der tschechischen Armee waren keine geringe Beute der Wehrmacht (z. B. die Panzerkampfwagen 35 und 38).
Weitere Annexionen und Invasion in die „Rest-Tschechei“ 1939
Am 1. Oktober 1938 hatte Polen ein Ultimatum an die Tschechei gestellt und daraufhin ab 2. Oktober tschechische Gebiete im geteilten Teschener Olsagebiet okkupiert. Ungarn besetzte 1938 Grenzgebiete mit teils ungarischer Bevölkerung und 1939 die Karpatoukraine.
Am 15. März 1939 wurde die „Rest-Tschechei“, so die Bezeichnung im sogenannten „Dritten Reich“, völkerrechtswidrig durch die deutsche Wehrmacht besetzt. Nach dieser Annexion Tschechiens wurde das unter deutscher Gebietshoheit stehende Protektorat Böhmen und Mähren errichtet. Die Slowakei, als erste Slowakische Republik ein klerikal-faschistisch ausgerichteter „Schutzstaat“, wurde vom Deutschen Reich am 14. März 1939 anerkannt. Die komplette Kontrolle über die frühere Tschechoslowakei war Hitler aus strategischen Gründen wichtig, zumal dieser lange Landstreifen bis in die Mitte des Großdeutschen Reiches hineinreichte.[5] Hitlers relativ leichter Erfolg bei der Landnahme und die eher abwartende Haltung der westlichen Demokratien motivierten auch andere Nachbarn der ČSR zur Landnahme.
Die Rolle der Sowjetunion
Die Sowjetunion wollte an der Münchner Konferenz beteiligt werden und bot der Tschechoslowakei und Frankreich militärische Hilfe an, um den bestehenden tschechisch-französischen Beistandspakt durchzusetzen, was aber abgelehnt wurde. Ob dieses Hilfsangebot ernst gemeint war, ist umstritten. Richard Overy wies nach, dass die Rote Armee teilmobilisiert wurde, das heißt sie machte ihr Angebot wahr, aber das könnte auch nur im Zusammenhang mit der allgemeinen Kriegsgefahr gestanden haben. In der Sowjetpropaganda und insbesondere der apologetischen Geschichtsschreibung des Ostblocks wird das Münchner Abkommen als Komplott des Westens mit den Nationalsozialisten dargestellt.[6][7][8]
Klaus Hildebrand schreibt, dass aus sowjetischer Sicht die westlichen Demokratien mit der Konferenz bewiesen hätten, dass ihnen sogar die Zusammenarbeit mit Hitler recht sei, um die Sowjetunion außenpolitisch zu isolieren. Josef Stalin fühlte sich damit aus dem Konzert der europäischen Großmächte ausgegrenzt. Ihm schien deshalb unmöglich, weiterhin mit den Westmächten zu kooperieren. In der Folge stellte er deshalb seine Außenpolitik um und suchte nun ebenfalls die Annäherung an Deutschland. Damit gehört das Münchner Abkommen zur Vorgeschichte des Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes.[9]
Hitlers Kriegspläne und das Münchner Abkommen
Hitler stand dem Münchner Abkommen zwiespältig gegenüber. Zum einen konnte er seinen Krieg nicht führen. Auf der anderen Seite erhielt Hitler einen Popularitätsschub, da die deutsche Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt gegen einen Krieg war und Hitler in den Zeitungen als Friedensbewahrer dargestellt wurde.[10]
In den Nürnberger Prozessen wurde erstmals das Protokoll einer Rede öffentlich, die Hitler wenige Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs vor seinen Generälen gehalten hatte:
„Die Gegner haben nicht mit meiner großen Entschlußkraft gerechnet. Unsere Gegner sind kleine Würmchen. Ich sah sie in München. […] Nun ist Polen in der Lage, in der ich es haben wollte. […] Ich habe nur Angst, daß mir noch im letzten Moment irgendein Schweinehund einen Vermittlungsplan vorlegt.[11]“
Schon im September 1938 hatte Hitler Krieg gewollt, und noch in den Bormanndiktaten vom Februar 1945 hat er bedauert, dass er ihn damals nicht begonnen hatte: „Vom militärischen Standpunkt aus waren wir daran interessiert, ihn ein Jahr früher zu beginnen […]. Aber ich konnte nichts machen, da die Engländer und Franzosen in München alle meine Forderungen akzeptierten.“[12]
Einzelnachweise
Siehe auch
Literatur
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