Rotationsmodell

Rotationsmodell

Als Rotationsprinzip oder Rotationsverfahren bezeichnet man jeden regelmäßigen Wechsel eines Versammlungsortes oder einer offiziellen Stellung (z. B. eines Regierungs-, Vereins- oder Parteiamtes). So "rotiert" in Deutschland das Amt des Bundesratspräsidenten jährlich zwischen den Ländern.

Bekannt wurde das Prinzip in Deutschland durch die verfassungsrechtlich umstrittene Anwendung bei der Partei Die Grünen.

Inhaltsverzeichnis

Rotationsprinzip bei Bündnis 90/Die Grünen

Das Rotationsprinzip wurde zum Beispiel in Deutschland vor allem von der Partei Die Grünen seit den erstmaligen Erfolgen bei Kommunalwahlen 1978 angewendet, obwohl die Grundidee im wesentlichen auf die Französische Revolution oder die Räterepublik zurückgeht. Nach diesem Verfahren werden alle Parteiämter in turnusmäßigen Abständen neu besetzt, um einer Ämterhäufung und etwaigem Machtmissbrauch entgegen zu wirken. Ein weiterer Grund für die Grünen war die Bildung von Berufspolitikern zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Für jeden Abgeordneten wurde zum Beispiel ein Nachrücker bestimmt, der in der Mitte der Legislaturperiode den Abgeordneten ablösen sollte. Vor dieser Ablösung sollte der Nachrücker in der Fraktion gleichberechtigtes und voll stimmberechtigtes Mitglied sein und nach der Ablösung sollte der ehemalige Abgeordnete an diese Stelle treten.

Schon beim ersten größeren Versuch zeigte das Prinzip seine Schwachstellen. Deutlich sichtbar wurde sie nach dem ersten Einzug der Grünen in den deutschen Bundestag in dessen 10. Legislaturperiode:

Zwei Abgeordnete, Petra Kelly und Gert Bastian, rotierten, entgegen den Beschlüssen der Partei, gar nicht. Andere Abgeordnete fanden "gute Gründe", erst später ihren Posten zu räumen. Zusätzlich erschwerend kam dazu, dass auf die vorderen Listenplätze oft die prominentesten, redegewandtesten und durchsetzungsfähigsten Kandidaten gewählt waren, während sich weiter hinten auf den Listen die unbekannteren und mehr durch Basisarbeit innerhalb der Grünen bekannt gewordenen Kandidaten befanden. Die Nachrückerin Uschi Eid zum Beispiel weigerte sich, in den ersten beiden Jahren vor Ort in der Bundestagsgruppe mitzuarbeiten; viele ehemalige Abgeordnete verließen die Gruppe, nachdem sie ihr Mandat zurückgegeben hatten. Die Diskriminierung der Nachrücker, die halbherzige Befolgung der Beschlüsse von grünen Parteitagen und die Fokussierung der Öffentlichkeit auf einige wenige Prominente sorgten mit dafür, dass das Modell Bundestagsgruppe und das Rotationsprinzip scheiterten.

Prinzip

Das basisdemokratische Prinzip sollte auch gemäß dem Bundesprogramm von 1980 stets auf alle Bundestags- und Landtagsmandate ausgeweitet werden. Dieser Rücktritt nach zwei Jahren, so dass die auf der Landesliste nächstplatzierten nachrücken konnten, war verfassungsrechtlich umstritten, da das Grundgesetz eine um zwei Jahre längere Amtsperiode festschrieb, die nur durch zwingende Gründe zu verkürzen sei.

Praxis

Bei den führenden Politikern der Partei wurde das Prinzip, sobald sie persönlich im jeweiligen Parlament saßen, in Frage gestellt: zum einen, weil sie nachvollziehbar argumentierten, dass man mühevoll erworbene politische Praxis und öffentliches Ansehen dann erst wieder neu aufbauen müsse, zum anderen, da sie von der politischen Macht nicht loslassen wollten. Besonders in den frühen Jahren der Partei beugten sich arrivierte Politiker wie Petra Kelly und Joschka Fischer nur unter Vorbehalt dieser Regelung. Seit Anfang der 1990er-Jahre, als die Bundestagsmandate verstärkt in Gefahr gerieten und nur in Verbindung mit dem Bündnis 90 zu halten waren, ist man auf Bundesebene relativ unauffällig von diesem Verfahren abgerückt.

In linksradikalen Zusammenhängen, vor allem bei Antifas und Autonomen, findet das Rotationsprinzip bis heute Anwendung, zum Beispiel wenn es um das Aussenden von Delegierten zu überregionalen Treffen geht. Im Allgemeinen wird mit dieser Praxis das imperative Mandat verbunden.

Weitere Rotationsverfahren

Bundesratspräsident

Das vierthöchste Amt in der Bundesrepublik Deutschland, der Bundesratspräsident, wechselt jährlich im Rotationsverfahren zwischen den Ländern.

FIFA

Der Fußball-Weltverband FIFA beschloss im August 2000 ein Rotationsverfahren für die Vergabe von Fußball-Weltmeisterschaften. Demnach sollen ab 2010 Weltmeisterschaften im kontinentalen Wechsel zwischen den sechs Kontinentalverbänden stattfinden. Der Beschluss diente nach Aussagen von FIFA-Präsident Joseph Blatter vor allem dazu, sicherzustellen, dass die WM 2010 in einem afrikanischen Land stattfindet.

Am 29. Oktober 2007 teilte das Exekutivkomitee der Fifa mit, dass das Rotationsverfahren für die Weltmeisterschaften ab 2018 wieder aufgehoben wird. Als Grund gab Blatter an, dass man eine Situation wie bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2014, wo sich aus dem für dieses Turnier vorgesehenen südamerikanischen Verband nur ein Land (Brasilien) als Ausrichter beworben hatte, künftig vermieden werden sollte.

Eine strikte Anwendung des Verfahrens ab 2010 hätte zur Folge gehabt, dass Europa nur alle 24 Jahre Fußball-Weltmeisterschaften austragen dürfte, obwohl es nach bisheriger Tradition seit 1958 alle acht Jahre Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft war. Demgegenüber steht in Afrika, Ozeanien oder Nordamerika nur eine geringe Anzahl potenzieller Austragungsländer bereit.

Vereinte Nationen

Bei den Vereinten Nationen unterliegen viele Funktionen einem (informellen) Rotationsprinzip. So wechselt das Amt des Generalsekretärs traditionellerweise zwischen den Kontinenten.

Siehe auch


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