Strahlentierchen

Strahlentierchen
Strahlentierchen
Verschiedene Radiolarien

Verschiedene Radiolarien

Systematik
Klassifikation: Lebewesen
Domäne: Eukaryoten (Eucaryota)
ohne Rang: Rhizaria
ohne Rang: Strahlentierchen
Wissenschaftlicher Name
Radiolaria
(Müller 1858)

Strahlentierchen oder Radiolarien (Radiolaria, lat. radiolus „kleiner Strahl“[1]) sind eine Gruppe einzelliger Lebewesen mit einem Endoskelett aus Opal (Siliciumdioxid, SiO2), die zu den Eukaryoten gehört.

Die Radiolarien haben radial abstehende Cytoplasma-Fortsätze (Axopodien), die von innen mit dünnen, starren Stacheln aus Siliciumdioxid und von aus Protein bestehenden Bündeln von Mikrotubuli gestützt werden. Die Siliciumdioxid-Stützen gehen strahlenförmig von einem ebenfalls aus Siliciumdioxid bestehenden Endoskelett aus, das aus einer sphärischen, durchlöcherten Kapsel oder mehreren konzentrisch angeordneten derartigen Kapseln besteht. Radiolarien besitzen also ein „kieseliges“ Skelett, das aber neben Siliciumdioxid auch organische Bestandteile enthält. Sehr bekannt wurden die Zeichnungen von Radiolarienskeletten, die Ernst Haeckel angefertigt und als Monographie 1862 veröffentlicht hat.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Kugelige Radiolarien. Bild wurde digital gefärbt

Die Größe der kugeligen oder mützenförmigen Skelette liegt meist zwischen 50 bis 500 μm[2]. Die Axopodien dienen dem Schweben im Wasser und zur Nahrungsaufnahme. Radiolarien sind heterotroph und nehmen gelöste Nährstoffe aus dem Wasser auf oder partikuläre Nährstoffe, die sich an den Axopodien verfangen. Es gibt Formen, die mit einer Gallerte zusammengehaltene Kolonien bilden. Innerhalb der Skelettkapsel liegen die Mitochondrien, das Cytoplasma außerhalb der Kapsel enthält Vakuolen (durch eine Cytoplasmamembran abgegrenzter, mit Flüssigkeit erfüllter Raum). Im äußeren Cytoplasma werden manchmal auch einzellige Algen als phototrophe Symbionten aufgenommen.

Ökologie und Stammesgeschichte

Radiolarien kommen als Plankton ausschließlich im Meer vor[2], und zwar vor allem in oberflächennahen Bereichen wärmerer Meeresteile des Pazifiks und Indiks (selten im Atlantik). Eindeutige fossile Belege der Gruppe stammen aus dem Kambrium, ihr Ursprung liegt aber wahrscheinlich im Präkambrium.

Systematik

Die Radiolaria umfassen heute nicht mehr alle Gruppen, die früher zu ihnen gezählt wurden: die Phaeodarea werden heute zu den Cercozoa gestellt. Die beiden übrigen, klassischen Gruppen der Radiolaria bilden eine monophyletische Gruppe und eine der großen Gruppen innerhalb der Rhizaria.

Sie werden nach Adl et al. wie folgt untergliedert:[3]

Radiolarien in Haeckels „Kunstformen der Natur“ von 1904

Da die Polycystinea sich als polyphyletisch herausgestellt haben, unterteilt Pawlowski die Radiolarien in die fünf Gruppen:[4]

  • Acantharea
  • Taxopodida
  • Spumellaria
  • Nassellaria
  • Collodaria

Geologische Bedeutung

Kleine kugelförmige Radiolarien (mit großen Foraminiferen) aus einer ca. 12000 Jahre alten Sedimentprobe vom antarktischen Kontinentalhang

Radiolarien gehören neben Schwämmen und Kieselalgen zu den gesteinsbildenden Organismen mit Opalskelett. Sind ihre Ablagerungen massenhaft angereichert, bilden sie kieselige biogene Sedimente.[5] Radiolarien kommen in den Meeren in sehr großen Mengen vor und entnehmen dem Wasser Siliciumdioxid zum Bau ihrer Skelette. Nach ihrem Absterben sinken sie ab, wobei die organischen Bestandteile zersetzt werden und nur das Skelettmaterial erhalten bleibt. Am Meeresboden bildet sich ein rotbrauner, grünlicher oder grauschwarzer Radiolarienschlamm[2] aus Skelettopal (wasserhaltiges, amorphes SiO2). Radiolarienschlämme bedecken etwa 2,6 % der Meeresböden und bestehen zu 30 – 80 % aus Radiolarienskelettmaterial, durchschnittlich enthalten sie etwa 55 % kieselige Bestandteile, der restliche Sedimentanteil besteht überwiegend aus Kalk, der zum größten Teil aus den Schalen von Foraminiferen stammt.

Unter dem Druck der auflagernden Schichten verfestigt sich das Sediment und der organisch entstandene, instabile Opal wird mit fortschreitender Diagenese (Gesteinsbildung) schrittweise zu stabilem Quarz umgewandelt. Es entstehen Radiolarite, auch Hornstein genannt. Schwarzer Hornstein wird häufig als Lydit oder, etwas irreführend, als Kieselschiefer bezeichnet.[2]

Einzelnachweise

  1. Erwin J. Hentschel, Günther H. Wagner: Zoologisches Wörterbuch. 6. Auflage. Gustav Fischer Verlag Jena, Jena 1996, S. 507.
  2. a b c d Peter Rothe: Gesteine. Entstehung - Zerstörung - Umbildung. 1. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994, S. 94.
  3. Sina M. Adl et al.: The New Higher Level Classification of Eukaryotes with Emphasis on the Taxonomy of Protists. The Journal of Eukaryotic Microbiology, Band 52, 2005, S. 399-451 (Abstract und Volltext)
  4. Jan Pawlowski: The twilight of Sarcodina: a molecular perspective on the polyphyletic origin of amoeboid protists. Protistology, Band 5, 2008, S. 281–302. (pdf, 570 kB)
  5. Peter Rothe: Gesteine. Entstehung - Zerstörung - Umbildung. 1. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994, S. 93.

Literatur

  • Johannes Müller: Über die Thalassicollen, Polycystinen und Acanthometren des Mittelmeeres. Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1858 S. 1-62.

Weblinks

 Commons: Strahlentierchen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Synonyme:

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