Hartmut Gerstenhauer

Hartmut Gerstenhauer

Hartmut Gerstenhauer (* 1. August 1903 in Meiningen; † unbekannt ) war im Nationalsozialismus ein deutscher Landrat im besetzten Polen. Im Distrikt Lublin war er als Kreishauptmann und als leitender Beamter der Distriktverwaltung an der Organisation des Holocaust beteiligt. In der Bundesrepublik wurde er Senatspräsident am Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht in Schleswig.[1][2]

Leben

Gerstenhauer studierte 1922 bis 1925 in Heidelberg, Würzburg und Jena Nationalökonomie und Rechtswissenschaften. Die beiden juristischen Staatsprüfungen legte er 1925 und 1929 ab und war danach als Regierungsassessor an verschiedenen Landratsämtern im Land Thüringen eingesetzt. Am 1. November 1933 wurde er Regierungsrat, nachdem er am 1. Mai 1933 der NSDAP (2.913.916) beigetreten war. 1937 war er beim Landratsamt Hildburghausen und 1939 beim Landratsamt Sondershausen eingesetzt.

Mit Einrichtung des Generalgouvernements in Polen war er ab Herbst 1939 Kreishauptmann im Kreis Krasnystaw im Distrikt Lublin. Im Herbst 1940 wechselte in die Distriktsverwaltung zum Distriktgouverneur Ernst Zörner nach Lublin als dessen Personalchef und Leiter der Präsidialgeschäfte.

„Im Dezember 1939 ließ er zwei Polen durch ein Standgericht zum Tode verurteilen und erschießen, weil sie gegen deutsches Militär gehetzt hätten“.[2] In Krasnystaw hatte Gerstenhauer im August 1940 ein Ghetto außerhalb der Stadt errichten[3] und im Kreis 1.125 Häuser von Juden freiräumen lassen.[4] Die Konzentrierung der jüdischen Bevölkerung auf engstem Raum und die Ghettobildung waren Voraussetzungen der sogenannten Endlösung der Judenfrage.

Gerstenhauer ging im Februar 1941 zurück nach Thüringen zum Landkreis Arnstadt und war im Mai 1942 beim Landkreis Gera und ab November 1942 beim Landkreis Weimar beschäftigt. Nach Kriegsende wurde er kurze Zeit vom NKWD inhaftiert und übersiedelte deshalb im Dezember 1945 in die Britische Besatzungszone nach Lübeck, da er die Auslieferung als Kriegsverbrecher nach Polen befürchten musste.

Bei der Entnazifizierung wurde er am 30. Dezember 1948 in Lübeck als Mitläufer eingestuft und wurde Mitte 1950 Jurist beim Oberversicherungsamt Schleswig. Im Land Schleswig-Holstein war 1950 sein Kreishauptmannkollege Hans-Adolf Asbach aus dem polnischen Nachbarkreis Janów Lubelski Sozialminister geworden, der ihn nun protegierte und ihn 1954 im selben Gebäude zum Richter des Landessozialgerichts machte. Nach dessen Rücktritt im Jahr 1957 wurde Gerstenhauer von Asbachs Nachfolgerin, Sozialministerin Lena Ohnesorge, im Jahr 1962 zum Senatspräsidenten befördert. Die Beförderung geschah, obwohl Gerstenhauer in die Sawade-Heyde-Affäre eingeweiht war, in der führende Politiker in Schleswig-Holstein die Doppelidentität des Euthanasietäters Werner Heyde deckten. Heyde hatte in Schleswig gutachterlich mit Gerstenhauer zusammengearbeitet.[5] Im Zusammenhang mit den 1962 vorgenommenen Ermittlungen in der Heyde-Sawade-Affäre wurde Gerstenhauer am 16. Januar 1962 von der Staatsanwaltschaft befragt.[6]

Literatur

  • Markus Roth: Herrenmenschen. Die deutschen Kreishauptleute im besetzten Polen - Karrierewege, Herrschaftspraxis und Nachgeschichte. Wallstein Verlag : Göttingen 2009. ISBN 9783835304772.
  • Bogdan Musial: Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement. Harrassowitz, Wiesbaden 1999, ISBN 3-447-04208-7.

Einzelnachweise

  1. Kurzbiografie bei Markus Roth: Herrenmenschen, S. 474 und S. 393f.
  2. a b Kurzbiografie bei Bogdan Musial: Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement, Wiesbaden 1999, S. 385f.
  3. Markus Roth: Herrenmenschen, S. 190f.
  4. Bogdan Musial: Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement, Wiesbaden 1999, S. 131.
  5. HEYDE-MITWISSER. Die Schatten weichen. DER SPIEGEL 6/1962
  6. Markus Roth: Herrenmenschen, S. 394.

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